Seit 2011 unterrichtet Dirk Hirthe an der Musikhochschule Karlsruhe, seit 2015 als ordentlicher Professor für Tuba. »Es gibt schlimmere Orte, um Musik zu studieren«, lacht der 34-Jährige. Davon wollten wir uns selbst überzeugen. Ein Hausbesuch.
Mit Leib und Seele
»Jaaaaaaa!«, schreit Dirk Hirthe heraus, als Robert, 4. Master-Semester, endlich das richtige Gefühl in die Sequenz legt. »Merkst du es? Verstehst du? Wie fandst du es?« Der Tubastudent nickt erst zaghaft, grinst dann breit und zufrieden. Hier findet, das ist ziemlich schnell klar, kein bloßer Frontalunterricht statt. Es klänge untertrieben, zu behaupten, Dirk Hirthe sei »engagiert«. Der Professor ist bei jedem einzelnen seiner neun Studenten mit Leib und Seele dabei. Eine Unterrichtsstunde bedeuten nahezu 60 Minuten Vollgas. Leidenschaft übrigens, die er auch von seinen Schützlingen einfordert.
Die Tubisten an der Hochschule für Musik Karlsruhe
Majestätisch ragt das Renaissanceschloss Gottesaue auf, wenn man durch das schmiedeeiserne Tor schreitet. Der Kies knirscht unter den Füßen. Linkerhand, dem Schloss gegenüber, lässt man die Konzertwiese liegen, geht am Multimediakomplex vorbei auf das Fany-Solter-Haus zu. Seit 1989 nutzt die Hochschule für Musik Karlsruhe das wiedererbaute Renaissanceschloss Gottesaue als ihren Hauptsitz. Und seit 2012 kommen Studierende und Dozenten alle gemeinsam auf dem einen Campus, auf dem »CampusOne – Schloss Gottesaue« zusammen.
In besagtem Fany-Solter-Haus haben unter anderem die Tubisten ihr musikalisches Zuhause gefunden. Die Räume sind schalldicht isoliert, was für alle Beteiligten sehr sinnvoll erscheint. Kein Ton dringt herein, kein Ton hinaus. Konzentrierte Arbeit am Klang ist vonnöten, wenn man mit Dirk Hirthe arbeitet. Die Sonne scheint durch die dicken Fensterscheiben. Draußen jagt ein Border Collie einer Frisbeescheibe nach, ein Jogger schleicht am Gebäude vorbei, die Männer vom Gartenbauamt machen ihre Runde.
Drinnen wird schweißtreibend gearbeitet und musiziert. Es wird geradezu Musik gearbeitet. Walter Hilgers, Alan Baer, Jens Bjørn-Larsen, Paul Halwax und Øystein Baadsvik schauen den Studenten stumm über die Schulter. Von Postern aus. Es ist warm, nach jedem Studenten reißt Dirk Hirthe die Fenster auf, schnauft durch. Frischluft!
Mentale Schubser
Dass da jemand unterrichtet, der nicht nur eben auch Tuba spielt, sondern die Tuba liebt und lebt, merkt man in jedem Augenblick. Der Professor gibt nicht nur irgendwelche Spielanweisungen. Er geht ständig umher, fragt viel, er will die Jungtubisten dazu bringen, die jeweiligen Hürden selbst zu bewältigen. Und wenn Dirk Hirthe mental schubst, dann kann man schon mal einen ordentlichen Satz machen.
Dirk Hirthe singt viel. »Ja-di-da-da! Ba-ba-da-ba!« Jeder Ton, jede Phrase sitzt. Ob Bruckner oder Schumann – der Professor kennt das Repertoire. Zur Tuba greift er selten. »Ich spiele wenig. Eigentlich nur, um zu helfen, wenn der Student so gar keinen Zugang findet«, erklärt er. Vorspielen könne »auch gefährlich sein, denn imitieren bringt ja nichts. Dann spielen die Studenten das nicht, weil sie es für richtig halten, sondern weil ich es so spiele… Und sie sollen eigenständig sein.«