Der Komponist und Musiktheoretiker Johannes Tinctoris beschrieb es im Jahre 1487 sehr genau: »Die Schalmeispieler spielen auf Instrumenten unterschiedlicher Größe. Einige sind hoch für die Oberstimmen, einige sind tief für die Mittel- und Unterstimmen. Zur Ausführung treten Blechbläser zur Schalmeigruppe hinzu und diese spielen mit großem Wohlklang auf einem Instrument, das in Italien trompone, in Frankreich aber saqueboute genannt wird. Und wenn alle diese Instrumente zusammenkommen, nennt man das alta.« Die Rede ist von der Alta Capella, dem Bläserensemble, das in der Renaissance in nahezu jeder Stadt und an den Höfen Europas zu finden war.
Der Begriff »Renaissance« (aus dem Französischen für »Wiedergeburt«) wurde erstmals 1550 verwendet, aber erst im 19. Jahrhundert geprägt, um das kulturelle Aufleben der griechischen und römischen Antike im Europa des 14. bis 17. Jahrhunderts zu kennzeichnen. Die Renaissance beschließt das Mittelalter und geht einher mit dem Humanismus. Und mit eben dieser Entdeckung von sich selbst entdeckt der Mensch parallel die Natur und die Welt. In die Zeit der Renaissance fallen unter anderem die Entdeckung Amerikas (Christoph Columbus, 1492), der Aufschwung von Naturwissenschaften (Nikolaus Kopernikus, Galileo Galilei und Johannes Kepler) und die Erfindung der Buchdruckerkunst durch Johannes Gutenberg (1455). Ein neues Menschenbild entsteht. Der Mensch gilt nun als Genie (wenn auch als schöpferische Kraft in einer übergeordneten göttlichen Macht) und trägt neues Selbstbewusstsein zur Schau (Martin Luther). In der Malerei werden Natürlichkeit angestrebt, die Perspektive ausgebildet und der Mensch ins Bild gerückt (Albrecht Dürer, Michelangelo). Die Architektur erfährt eine neue Einfachheit der Linie, die Bildhauerei entdeckt die freistehende Gestalt.Und auch Musik gilt nun als Werk von (nicht mehr anonymen) Komponisten. Die Renaissance-Elemente führen gegenüber dem Mittelalter – vor allem der Gotik – zur Vermenschlichung der Musik. So weicht der hohe Spaltklang dem Vollklang, der Akkord entsteht, statische Quint-Oktavklänge werden von weichen Terzen und Sexten überflutet, die komplizierte gotische Rhythmik weicht einer pulsierenden Lebendigkeit und die einfache, vom menschlichen Atem gegliederte Melodie wird zum Ideal. Musik ertönt nun nicht mehr allein zum Gotteslob, sondern auch zur geselligen Unterhaltung. Zwar steht die Vokalmusik in der Renaissance im Mittelpunkt (Schulzentren sind Cambrai, Paris, Venedig, München und Rom), doch auch in der Instrumentalmusik wird ein neues Zeitalter eingeleitet.