Brass, Orchestra, Wood | Von Klaus Härtel

Emotionen und Maskerade – welche Herausforderungen der Mund-Nase-Schutz bereithält

Mona Köppen

Studien haben gezeigt, dass jede zweite Emotion, die ein Mensch im Gesicht zeigt, übersehen oder falsch interpretiert wird. Im gemeinsamen Miteinander ist es aber durchaus wichtig, Emotionen zu erkennen und ­darauf zu reagieren. Wird durch die Maskenpflicht die Atmosphäre gestört? Muss nicht sein, meint Mona Köppen. Eine Herausforderung sind die Masken dahingehend aber allemal.

Mona, in ganz Deutschland besteht seit einer Weile Maskenpflicht beim Einkaufen und im ÖPNV. Geht dadurch in Sachen Mimik und Emotionen etwas verloren? 

Ja, es geht ganz sicher etwas verloren. Wir Menschen brauchen Nähe und auch die Mimik, um einander besser einzuschätzen. Wir brauchen soziale Rückkopplung, sonst sind wir ver­un­sichert.

Die Mimik ist nun einmal die Bühne unserer Emotionen. Da unsere Mimik direkt mit unserem Emotionszentrum verdrahtet ist, zeigt sich eine Emotion zuverlässig und auch kulturübergreifend. Emotionen wie Angst, Ärger und Trauer, aber auch emotional erlebte Freude zeigen sich vor allem im Augenbereich. Wobei emotional ­erlebte Freude in den Augen nur sichtbar wird, wenn die Freude vom Emotionszentrum ausgelöst oder bewusst durch die Muskelkontraktion der Jochbeinmuskeln herbeigeführt wird. 

Dieser emotionale Ausdruck der Freude, bei dem die Augen anfangen zu leuchten, ist jedoch im Alltag beim Einkaufen – und bei Erwachsenen ohnehin – recht selten zu sehen. Durch Studien hat man herausgefunden, dass Kinder diese Art der Freude über 300 Mal am Tag zeigen, Erwachsene aber nur noch etwa zwölf Mal am Tag. 

Für unseren Alltag ist das sogenannte »soziale Lächeln« von besonderer Bedeutung. Und das spielt sich vor allem in der unteren Gesichts­hälfte ab, die nun von der Maske verdeckt wird. Dieses soziale Lächeln ist sehr wichtig für das Miteinander. Wenn wir jemanden treffen, fangen wir automatisch an zu sortieren. Anhand der ­Mimik entscheiden wird innerhalb von Milli­sekunden, ob jemand »Freund« oder »Feind« ist. Das ist quasi ein Urinstinkt. Und genau dabei spielt eben das Lächeln eine große Rolle. Sehen wir das nicht, sind wir verunsichert. 

Also ist es nun schwieriger, die Emotionen unserer Gegenüber einzuschätzen und zu verstehen?

Das soziale Lächeln fällt weg und unter der ­Maske begegnen uns im Augenbereich eher die Emotionen Ärger, Wut und Trauer. Und diese ­Signale spiegeln wir dementsprechend zurück. Das bedeutet eine große Herausforderung. Denn viele Menschen sind sich der Emotionswahrnehmung überhaupt nicht bewusst. Unbewusst kommen diese Emotionen aber trotzdem an. Es kann passieren, dass wir uns etwa nach einem Einkauf nicht gut fühlen. Das Lächeln fehlt, wir bekommen Ärger, Trauer, Angst mit – da verspürt man ein nicht wirklich angenehmes Gefühl.

Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass man unter Umständen stark an Empathie verliert. Das fehlende Lächeln, die fehlende Nähe und auch die dadurch für mich spürbar abnehmende verbale Kommunikation könnten dafür sorgen. 

Ich habe schon feststellen können, dass weniger gesprochen und auch weniger verstanden wird. Zum einen ist die unterstützende Mimik für das Gesagte hierzulande nicht so stark ausgeprägt wie etwa in Italien. Und zum anderen reden wir unter der Maske leiser, die Stimme hört sich leicht verändert an. Es ist ein nicht greifbarer und verunsichernder Zustand. 

Ist das in Bezug auf eines deiner Themen, die Mimik-Resonanz, nicht ein gewaltiger Nachteil? Die Augen verraten zwar viel – aber ja nicht alles, oder?

Das könnte man meinen. Doch gerade jetzt ist es umso wichtiger, die Emotionswahrnehmungsfähigkeit zu schärfen und zu trainieren. Ich muss lernen, die feinen Signale ganz bewusst wahrzunehmen und nicht unbewusst in ein „Emotionsmesser“ reinzulaufen. 

Für mich ist klar, wenn ich Ärger in den Augen sehe und wahrnehme, dass es nicht unbedingt mit mir zu tun hat. Auch bin ich mir meiner Emotionen bewusst und darauf sensibilisiert. Alleine dadurch und durch meine innere Haltung kann ich einigermaßen gut durch den Alltag mit ­Maske kommen. Allerdings nutze ich die Maske auch nur da, wo es unbedingt notwendig ist. 

Und es ist ja nicht nur die Maske, die uns vor die schwere Aufgabe stellt, die Mimik wahrzunehmen. Es ist ja auch der Abstand, der uns zu schaffen macht. Je besser ich also meine Wahrnehmungsfähigkeit trainiere, umso mehr kann ich auch auf die Entfernung wahrnehmen. Ge­rade im Online-Unterricht oder auch im Live-Unterricht mit großem Abstand ist das eine wichtige Fähigkeit.

Was bedeutet das für die Emotionen in der Musik – ganz abgesehen davon, dass man mit Maske nur sehr schwer ein Blasinstrument spielen kann?

Ich hoffe sehr, dass wir bald wieder in Nähe und miteinander spielen können. Untersuchungen haben gezeigt, dass ein großer Abstand nicht notwendig ist. Und ob im Unterricht mit Abstand, im Online-Unterricht, bei Proben, die demnächst vielleicht mit Abstand möglich sein könnten – all das läuft auf dasselbe hinaus: Wir brauchen vermehrt die Wahrnehmung, den Fokus auf das Gegenüber. Wir dürfen unsere Bindung nicht verlieren.

Und nicht zuletzt kann ja demnächst die Vorgabe sein, dass das Publikum mit Maske im Konzert sitzen muss oder nur ­jeder dritte Platz besetzt werden darf. Dann wäre immerhin ein Konzert erlaubt. Aber was machen Maskenpflicht oder Abstand mit einer Aufführung? Denn Konzerte leben ja schließlich auch von Mimik, Aktion und Inter­aktion… 

Das ist eine spannende Frage. Wir brauchen als soziale Wesen nun mal die Rückkopplung. Dies passiert durch Körpersprache und vor allem durch die Mimik. Wenn ich von der Bühne in ein Maskenpublikum schaue, könnte das sehr ver­unsichern. Denn wenn wir das Lächeln nicht ­sehen, sondern eben hauptsächlich Trauer, Wut und Ärger oder gar keine Reaktion, kann das für den Künstler sehr schwierig werden. 

Das meine ich rein emotional: Wenn unser System verunsichert ist und eher auf „Hab acht!“ ausgerichtet wird, kommen wir auch nicht mehr so gut an unsere Ressourcen und somit an unser Erlerntes heran. Vielleicht wäre es eine Möglichkeit, in Konzerten keine dichten Masken, sondern durchsichtige Visiere zu benutzen. Und wenn es gar nicht anders geht, sollte zumindest ein lächelnder Mund auf der Maske abgebildet sein.

Wie arbeitest du derzeit als Mentaltrainer?

Bis vor neun Wochen wusste ich noch nicht, dass es tatsächlich in der Art möglich ist. Natürlich betreue ich die Musiker schon lange im Nachhinein auch online. Doch ob die komplette Arbeit auch online geht? Da war ich sehr skeptisch. Mit der nötigen Technik und kreativen Lösun­gen kann ich nun sagen: Ja, es geht und zwar erstaunlich gut. 

Es ist aber auch klar: Nichts ersetzt den direkten Kontakt zu einem Menschen. Trotzdem ist man auch online recht nah dran, was für die Arbeit beim Mentaltraining sehr von Vorteil sein kann. Mittlerweile gehen ja auch wieder Live-Trainings – mit zwei Metern Abstand. Auch das geht gut. Wichtig ist auch da, den Fokus auf die Mimik, die Körpersprache und das gesprochene Wort zu ­legen.

Meine Fortbildungen, Workshops und Trainings sind nun alle online buchbar. Dadurch fällt Reisezeit weg und die Welt rückt auf einmal noch ­näher zusammen. Nun kann ich von jetzt auf gleich weltweit arbeiten. Das ist dann mal ein positiver Aspekt dieser Krise. 

Tipps von Mona Köppen

  • Klemmen Sie hin und wieder einen kleinen Bleistift unter der Maske zwischen die Zähne! Automatisch ziehen Sie dadurch die beiden großen Jochbeinmuskeln hoch! Dies halten Sie für drei Minuten. 
  • Der Stift darf die Lippen nicht berühren. Das sorgt für ein innerlich gutes Gefühl und ein Lächeln bei Situationen mit Maske. Die Augen lächeln und das Gegenüber nimmt dies wahr. Zeitgleich fühlen wir uns besser, da wir Glückshormone ausschütten. 
  • Sprechen Sie mehr mit Maske und verleihen Sie Ihrer Freude und anderen Emotionen verbal Ausdruck! 
  • Benutzen Sie vermehrt sogenannte Körpergesten, um mit Maske aufzuzeigen, wie es Ihnen geht. 

www.ichbinmusik-akademie.de