Im Südwesten Deutschlands wird seit 2019 an einer digitalen Musiklernplattform getüftelt. Die Anfangsidee und der momentane Schwerpunkt liegen auf der Korrepetition. Ziel ist eine App, die nah an den Bedürfnissen der Musikschülerinnen und -schüler sowie künstlerisch auf höchstem Niveau ist und die Lehrkräfte in ihrer Arbeit unterstützt: ERNA.
Musikerinnen und Musiker wissen, wie schwierig es ist, gute Korrepetitorinnen bzw. Korrepetitoren zu finden. Es ist ein personelles, zeitliches und finanzielles Problem. ERNA ist dagegen immer da, 24/7. So ist es möglich, das gefragte Stück – zusätzlich zum persönlichen Unterricht – an jedem Tag und zu jeder Stunde zu hören, üben, aufnehmen, dokumentieren und zu teilen. Man kann die Werke zum Üben verlangsamen, beliebig gewählte Passagen im Loop spielen , man kann die Solostimme hören, leise hören oder ganz wegnehmen.
Jedes einzelne Stück wird in den eigenen Tonstudios für diese Plattform eingespielt. So können die Inhalte den Erfordernissen optimal angepasst werden. So wird Musik auf jedem Niveau bereitgestellt, von absoluten Anfängerstücken bis hin zu großen Konzertwerken.
Zielgruppe von ERNA sind aktive Musizierende sowie Musikpädagoginnen und -pädagogen. Verwenden kann kann und soll man die App sowohl zu Hause wie auch im Unterricht, in Musikschulen und Musikhochschulen, in Bläser- und Streicherklassen sowie im Musikverein. Eine einfache Kommunikation mit der Lehrperson (über ERNAchat und ERNAvideochat) ist möglich. Laut Herstellerangaben ist ERNA datenschutzkonform und werbefrei.
Mit im Boot als Impulsgeber und Unterstützer sind der Landesverband der Musikschulen Baden-Württembergs, das Land Baden-Württemberg sowie Hochschulen und Universitäten. In die Entwicklung sind Menschen aus Pädagogik und Musik, aus Ton- und Bildtechnik, aus Verwaltung und Unternehmertum eingebunden. Namhafte Musikerinnen und Musiker haben für ERNA Stücke eingespielt, unter anderen Oliver Siefert (Posaune), Vukan Milan (Querflöte), Christine Rall (Saxofon), Max Mutzke (Vocals) und Tabea Zimmermann (Bratsche).
Die ERNA-App im Praxistext
“You never play alone. Wir heben deinen Musikunterricht auf ein neues Level!” – Das verspricht die neu entwickelte ERNA-App. Ich durfte die ERNA-App über einen Zeitraum von vier Wochen testen. Wir erwarten von einer App, dass sie intuitiv ist, dass sie einen Mehrwert schafft und das gewisse Extra bietet. Erfüllt die ERNA-App diese Kriterien? Wo liegen die Vorteile der App? Wie ist sie aufgebaut? Bereichert sie den Musikunterricht? Was kann man optimieren?
Einrichtung und erster Eindruck
Für die Einrichtung sowie die Nutzung der App ist ein stabiles WLAN notwendig. Dank einer guten Anleitung konnte die Einrichtung auf dem Handy/Tablet in wenigen Minuten problemlos abgeschlossen werden. Die Abläufe waren klar und selbsterklärend. Die App macht einen überzeugenden ersten Eindruck. Sie ist übersichtlich, gut strukturiert und ansprechend gestaltet.
Testerin Maria Sturm
studierte Eufonium und Schulmusik an der Hochschule Luzern – Musik. Sie unterrichtet als Lehrkraft für Blechblasinstrumente an der Städtischen Musikschule Bad Saulgau.
Im Jahr 2020 hat sie zusammen mit Michael Müller die “BrassTrail“-Bläserschule veröffentlicht.
www.brasstrail.de
Aufbau der ERNA-App
Den Kernbereich der App stellt die Mediathek dar, in der verschiedene Inhalte zur Verfügung gestellt werden. Die Mediathek besteht aus sechs Kategorien: Sie beinhaltet Korrepetition, einen Bandplayer, Ensembles, Visual Piano, Tutorials zu verschiedenen Instrumenten und Highlights (Interviews und Studiokonzerte). Neben der Mediathek steht ein digitales Büro zur Verfügung, das tolle Möglichkeiten mit sich bringt: Beispielsweise bietet die App eine Chatfunktion und eine Videochat-Funktion, die einwandfrei funktionieren. Die App garantiert dabei eine datenschutzkonforme Kommunikation zwischen Lehrkräften und Schülerinnen bzw. Schülern. Außerdem werden Tools wie ein digitaler Stundenplan, eine To-do-Liste sowie eine individuelle Lernbiografie angeboten.
Die Korrepetition
Der für uns Bläserinnen und Bläser interessanteste Bereich ist sicherlich die Korrepetition, die wir nun näher betrachten: In diesem Bereich findet man professionelle Videos von vielen Stücken. Die Qualität der Aufnahmen ist hervorragend: Diese wurden von professionellen Musikerinnen und Musikern eingespielt, der Sound ist hochwertig und das Bild ansprechend. Die Videos versetzen einen in eine konzentrierte Proben- oder Konzertatmosphäre. Bei jedem Stück kann die Lautstärke zwischen Solo- und Begleitinstrument mit einem Regler angepasst werden. So kann man die Instrumente (Klavierbegleitung und Solostimme) einzeln und zusammen anhören. Bemerkenswert ist, dass das Tempo und die Tonhöhe beliebig verstellt werden können, und das ohne größere Verluste der Klangqualität. Außerdem kann man Loops setzen, um zum Beispiel technisch anspruchsvolle Stellen gezielt zu üben.
Bei Volksliedern sind die Noten als PDF verfügbar – im Bereich Eufonium allerdings nur im Bassschlüssel. Bei allen anderen Stücken muss das entsprechende Notenmaterial anderweitig erworben werden.
You never play alone – Die Vorteile
Ich empfinde die ERNA-App als große Bereichung und Ergänzung zum Musikunterricht. Die App ist zeit- und ortsunabhängig nutztbar. Somit können die Schülerinnen und Schüler mithilfe der App immer und überall mit professionellen Begleitungen üben. Sie hören die Stücke in ausgezeichneter Qualität und nicht als Zufallsfund im Netz. Durch das Üben mit den Begleitungen wird die Übemotivation erhöht, das Zusammenspiel trainiert, das Gehör und die Intonation gefördert sowie das Stilempfinden in verschiedenen Epochen und Stilen gestärkt. Im Vergleich zu gewöhnlichen Instrumental-Playalongs bietet die App durch den Multimediaplayer herausragende Möglichkeiten.
Mein Fazit
Selbstverständlich ersetzt die ERNA-App nicht den Musikschul-Unterricht. Die App ist vielmehr ein digitales Zusatzangebot, das dem Unterricht neue Impulse verleihen kann. Die Schülerinnen und Schüler hatten großen Spaß daran, mit der ERNA-App zu üben – insbesondere weil sie das Tempo und die Lautstärke des Soloinstruments im Verhältnis zum Klavier selbst variieren konnten. Oftmals stehen an Musikschulen und Hochschulen nur wenige Korrepetitionsstunden für Vorspiele oder Wettbewerbe zur Verfügung. Es ist ein großer Vorteil, die Stücke zuvor mit der App zu üben.
Momentan sind für alle Instrumente insgesamt ca. 1500 Werke verfügbar. Im Bereich Eufonium stehen bisher nur 15 Stücke zur Verfügung, laut Hersteller ist eine ständige Erweiterung geplant. Hilfreich wäre es, die vorhandenen Noten in mehreren Schlüsseln zur Verfügung zu stellen.
Alles in allem macht die App einen überzeugenden Eindruck und es lohnt sich, die neue digitale Lernwelt zu testen!