Orchestra | Von Klaus Härtel

Ernst Hutter über die Egerländer, schwere Entscheidungen und seine Liebe zum Jazz

Hutter Egerländer
Ernst Hutter (Foto: Stefan Österle)

Nach 35 Jahren zieht Ernst Hutter sich nun von der SWR Big Band ­zurück. Die war ihm neben der Leitung der Egerländer Musikanten nämlich überaus wichtig. Nun aber steht HutterMusic im Mittel­punkt und damit auch die Zukunft. Wir haben Ernst Hutter im oberschwäbischen Amtzell besucht. 

Herr Hutter, über 65 Jahre ist es nun her, dass Ernst Mosch die Egerländer Musikanten gegründet hat. Seit über 20 Jahren sind Sie nun deren Leiter. Steht Ernst Mosch eigentlich immer noch wachsam hinter ­Ihnen?

Ernst Hutter: Das ist vermutlich ähnlich wie in der Politik. Auch da wird beispielsweise Konrad Adenauer immer wieder zitiert, man schaut auf die Zeit seines Wirkens. Bei uns äußert sich das einerseits intern – besonders bei den Musikern, die noch unter Mosch gespielt und ihn auch als Person erlebt haben – und andererseits auch von außen.

Wir treffen immer noch sehr viele alte Fans, die sich gern an die Zeit von Ernst Mosch er­innern. Er spielt immer noch eine Rolle. Bei mir persönlich aber steht das schon sehr in der Relation zu dem, wie die Gegenwart auf mich einwirkt.

Sie stellen sich also nicht bei jeder zu treffenden Entscheidung die Frage: “Was würde Ernst Mosch tun?”

Nein, mit Sicherheit nicht. Da habe ich schon eine realistische Herangehensweise. Natürlich darf man Menschen, die einen über eine lange Zeit geprägt haben, nicht vergessen. Und trotzdem sollte man das Recht haben, eigene Entscheidung zu treffen.

1956 wurden die Egerländer Musikanten gegründet – damals gab es die Beatles noch nicht. 20 Jahre später gab es die Beatles schon nicht mehr, die Egerländer aber gibt es heute immer noch. Was sagt das aus? Außer, dass Ernst Mosch eine unglaublich gute Idee hatte…

Damals waren amerikanische Künstler wie Louis Armstrong oder Doris Day, die den Swing in Europa hoffähig gemacht haben, populär. Ernst Mosch hat sich damals natürlich auch am Swing orientiert – wie junge Musiker sich eben an ak­tuellen Trends orientieren. Dass es die Eger­länder heute noch gibt, spricht zum einen sicher für die Qualität der Musiker und mit welcher Leidenschaft sie diese Musik am Leben erhalten und mit Leben gefüllt haben. Und das spricht zum anderen schon auch sehr für unsere Musik. Wenn man zur damaligen Zeit eine Idee hatte, brauchte man viel Leidenschaft, Fleiß und Intensität – das wurde bis heute immer beherzigt. 

Dass es die Eger­länder heute noch gibt, spricht für die Qualität der Musiker und mit welcher Leidenschaft sie diese Musik am Leben erhalten

Wie wichtig ist es in dem Zusammenhang, sich nicht auf der Vergangenheit aus­zu­ruhen, sondern die Sache – auch musikalisch – eben weiterzuentwickeln?

Da fühle ich mich in der gleichen Situation wie ein Unternehmer, der für etwas einsteht. Der hat auch Mitarbeiter, der hat auch eine Idee, eine Corporate Identity. Wenn man in der Verantwortung steht, muss man immer in die Zukunft schauen und reflektieren, was man in der Gegenwart tut. Wir sind zwar ein “künstlerisches Produkt”, und doch haben viele Menschen nicht ­immer auf dem Schirm, dass wir auch ein Unternehmen sind. Wir machen Musik nicht nur wegen des schönen Wetters, wegen des Beifalls oder weil wir so gern mit dem Bus durch die Gegend fahren. Dahinter steckt schon auch eine Verpflichtung, die große Orchesterhistorie wirtschaftlich am Leben zu halten. Nur dann kann man auch künstlerisch gut arbeiten. Sich auf etwas auszuruhen ist in den meisten Fällen nicht gut. Man muss immer Visionen für die Zukunft haben, wissen wohin die Reise gehen soll. Um eine musikalische Weiterentwicklung zu erreichen, sind die Mitarbeiter enorm wichtig, das größte Potenzial unseres Teams.

Wie anstrengend ist es aber trotzdem, immer am Puls der Zeit zu bleiben? Ist es da gut, dass man ein funktionierendes Produkt hat? 

Das geht, wie vorher schon einmal gesagt, nur mit Leidenschaft und viel Einsatz. Es ist bis­weilen anstrengend, das Thema “Original Egerländer” am Leben zu halten und sich dafür zu engagieren. Man steht mit dem Produkt “Original Egerländer Musikanten” sehr stark in der Öffent­lich­keit. Dass wir erfolgreich sind, merken wir dann auch daran, dass wir gelegentlich von außen kritisiert werden oder auch mit Neid zu kämpfen haben. 

In den 43 Jahren unter Mosch hat sich die Zeit nicht so stark verändert wie in den vergangenen 20 Jahren. Wie allein das Musikbusiness sich ver­ändert hat… Meine Güte! Das ist eine stän­dige Herausforderung – immer noch. In den vergangenen zwei Jahren haben wir mit der Pan­demie noch einmal eine besondere Situation ­erlebt. Aber wenn ich jetzt auf die ca. 900 Konzerte schaue, die wir bis zur Pandemie gespielt haben, haben wir die Arbeit ganz gut gemacht. Es wird immer Dinge geben, die mal nicht so aufgehen oder kritisch gesehen werden. Wir wurden auch schon öfters kopiert – weshalb ich mir ziemlich sicher bin, dass nicht alles ganz falsch war. Ge­rade ein tolles und, wie Sie sagen, funktionierendes Produkt muss immer wieder mit erfolgreicher Arbeit bestätigt werden.

Der Erfolg gibt Ihnen recht. Gab es in der Vergangenheit trotzdem auch mal Zweifel?

Ja klar! Das ist doch ganz normal. Ein gutes Beispiel war da etwa die Trennung von Toni Scholl. Wir mussten erkennen, dass unsere Idee – das Orchester gemeinsam weiterzuführen – prinzipiell gut war, dass sie aber langfristig keine gute Perspektive hatte. Diese Erkenntnis hat sehr viel Energie gekostet. Es ging ja nicht nur darum, ­intern eine Entscheidung zu treffen, sondern um ein deutliches Zeichen für die Zukunft. Diese Entscheidung musste getroffen werden, weil sonst womöglich das ganze Projekt gescheitert wäre. 

Auch die Veränderungen in der Musikindustrie haben mich sehr gefordert. Die Major Labels sind immer mehr zu Global Playern geworden, die von Aktien abhängig wurden und eine sehr kapitalistische Entwicklung genommen haben. Das hat uns direkt betroffen. Anfangs waren wir bei KOCH unter Vertrag. Dort spielte unsere ­Musik auch mit Ernst Mosch damals noch eine große Rolle. Dann hat die Firma Universal den Konkurrenten KOCH übernommen und wir wurden mit der Zeit immer mehr an den Rand gedrängt. In den Vertragsverhandlungen 2008 oder 2009 wurde uns – damals für mein Empfinden – das Messer auf die Brust gesetzt hat. Man wollte mit mir verlängern, aber dann hätte ich sehr viel von meiner Unabhängigkeit aufgeben müssen. Das war wieder so ein Punkt, an dem man sich entscheiden musste. Natürlich hätte der Verbleib bei einem Major Label auch gewisse Vorteile gehabt – vieles wurde versprochen. Ich habe mich trotzdem dagegen entschieden und bin zu einem kleineren Label gegangen. Natürlich kommt man immer wieder mal ins Grübeln, weil man ja nicht weiß, wie der andere Weg gewesen wäre. Wenn ich allerdings die Gesamtentwicklung des Business analysiere, fühle ich mich bestätigt, dass ich scheinbar doch weitsichtig gehandelt habe. Es ging mir vor allem ­darum, die Chance zu ­haben, die eigene Geschichte und die eigene künstlerische sowie geschäftliche Entwicklung weiterzuschreiben. 

Sie definieren sich primär als Musiker und müssen trotzdem Dinge tun, die mit Musik eigentlich nichts zu tun haben – nervt das manchmal?

Als Toni ausgestiegen ist, war der wichtigste Knackpunkt, ob ich selbst für all diese Auf­gaben bereit bin. Ich hatte tolle Möglichkeiten als ­Jazzmusiker und als Instrumentalist. Jazz, Klassik und Blasmusik zu verbinden ist immer noch meine Mission. Aber damals gab es ja noch kein Woodstock der Blasmusik… und Lebensentscheidungen benötigen Konsequenz und kein Lamentieren. 

Einige Dinge haben Sie dann weniger gemacht, auch weil einfach weniger Zeit war. Die SWR Big Band hingegen blieb. Warum war sie Ihnen so wichtig? 

Einige Jazzbesetzungen, das Stuttgart Brass Quartett und auch die “Quattro Bones”, ein sehr tolles Projekt, habe ich aufgegeben. Ich habe die Arbeit als Solist reduziert. Aber bei der Big Band zu spielen, das wollte ich nicht aufgeben. Bei den Egerländern spiele ich zu 90 Prozent Tenor­horn – ich bin aber eben auch Posaunist. Diesen Verlust hätte ich glaube ich nicht gepackt. Jetzt bin ich 63, da sieht die Sache wieder anders aus.

Was ist denn so faszinierend an der Big Band? 

Das gesamte Paket. Mit dieser Musik, diesem Sound und mit Improvisation bin ich genauso aufgewachsen wie mit der Egerländer Musik. Im Studium habe ich dann auch die Klassik schätzen gelernt und daraus meinen eigenen instrumentalen Weg definiert. 

Ich war damals die wenigste Zeit bei Ernst Mosch – eigentlich nur auf den Tourneen oder bei CD- und TV-Produktionen. Bei der Big Band traf ich die restliche Zeit andere großartige Musiker wie zum Beispiel Sammy Nestico. Sammy war eine lebende Enzyklopädie. Das war eine unglaublich bereichernde Zeit für mich. Die hat meinem Wirken für die Egerländer enorm viel gebracht.

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Bei der SWR Big Band spielte Ernst Hutter 35 Jahre lang. (Foto: Lena Semmelroggen)

Sammy hat mich als Bandleader geprägt. Ge­nauso wie etwa Max Greger oder Paul Kuhn, mit denen ich über zehn Jahre ca. 30 Konzerte pro Jahr gespielt habe. Das waren sehr erfahrene alte Hasen, von denen konnte ich unglaublich viel lernen. Wenn die abends noch in der Bar gesessen und erzählt haben, saßen wir natürlich mit großen Ohren dabei. Mit Sammy Nestico und der SWR Big Band habe ich vier CDs aufgenommen. Die Art und Weise, wie er die Mannschaft immer mitgenommen hat, hat mich sehr begeistert.

Waren das auch Menschen, die man mal um Rat gefragt hat?

Ich wollte tatsächlich immer deren Sicht der ­Dinge, deren Expertise hören – gerade, weil sie aus einem anderen Genre kamen. Von musikalischen Respektspersonen Bestätigung zu erfahren, ist sehr wertvoll für das eigene Tun. Zwei kleine Anekdoten dazu: Beim Kaffee habe ich Sammy mal eine aktuelle Egerländer-CD vorgespielt. Je länger er hinhörte, desto breiter wurde sein Grinsen: “Hey Ernst, this is pretty music.” Ich habe einmal mit dem Radiosinfonieorchester als Eufonium-Solist gespielt. Auf dem Flug haben wir Roger Norrington einen Walkman mit Egerländer-Musik hingelegt. Er sprach dann nicht über die Musik als Stil oder über seinen ­Geschmack, sondern meinte nur: “Fantastisch musi­ziert!” So habe ich für mein eigenes Tun ­immer etwas herausgezogen. 

Waren Sie Ihrer Zeit voraus, als Sie Genregrenzen einfach nicht beachtet haben?

Vielleicht schon… Heute scheint das bei vielen jungen Musikern eher Normalität zu sein. Es gab während des Studiums etliche Lehrer, die mir weismachen wollten, dass ich mich auf eine ­Sache konzentrieren müsse. Die einen wollten, dass ich nur Jazz spiele, die Klassiker sagten mir eine fantastische Soloposaunenstelle voraus. Aber die wollte ich ja gar nicht! Ich wollte meinen Weg gehen. Ich konnte nicht das eine für das andere aufgeben. Mir war das einfach viel zu wichtig: der Sound der Bigband genauso wie die Klänge der Egerländer oder die einer Bruckner-Sinfonie. Ich bin der glücklichste Mensch, dass ich mit den Original Egerländern und bei der SWR Big Band, zwei wirklichen Welt­klasse­orchestern, arbeiten darf.

Und jetzt der Abschied von der SWR Big Band nach 35 Jahren. Das ist eine lange Zeit. Tut das auch ein bisschen weh?

Natürlich. Loslassen ist nie leicht. In diese Entscheidung musste ich reinwachsen. Und natürlich hat das mit der Gegenwart zu tun. Nicht nur mit meinem Alter, sondern vor allem mit dem eingeschlagenen Weg von HutterMusic. Ich habe immer auf mein Inneres gehört, auf das, was sich für mich richtig angefühlt hat. 

Muss man da auch ein Stück weit egoistisch sein?

Darüber habe ich immer wieder nachgedacht. Auch in den Jahren, als ich noch mit Ernst Mosch gearbeitet habe. Einige seiner Entscheidungen konnte ich im Rückblick immer mehr nachvollziehen, als ich dann selbst in der Verantwortung war. Damals habe ich einige Erlebnisse teilweise als egoistisch empfunden. Egoismus ist aber wahrscheinlich zu negativ. Ich würde es eher Selbstbewusstsein nennen, unerschütter­licher Glauben an sich selbst, Beharrlichkeit, Standhaftigkeit. 

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Ernst Hutter (Foto: Steffen Österle)
Die Entscheidung, HutterMusic zu gründen, war ja auch keine egoistische, sondern eher eine zukunftsweisende. Inwiefern ist die Entscheidung für HutterMusic auch eine für die Zukunft der Egerländer Musikanten?

Natürlich ist das mein Ziel. Der Unternehmer oder Bandleader ist mit ganz anderen Dingen konfrontiert als der Musiker. Mit dieser Entscheidung konnte ich die nächste Musikergeneration noch fester in die Egerländer integrieren. Da habe ich vermutlich ein ähnliches Interesse wie ein CEO, der sein gewachsenes Unternehmen in die Zukunft führen will. Das geht nur dann, wenn man das dafür geeignete Personal hat. Das muss fachlich gut und menschlich integer sein. Das ist gerade heute sehr wichtig. 

Inwiefern speist sich die Identifikation mit den Egerländer Musikanten noch über das Thema Heimat? Damals war das sozusagen der rote Faden…

Flucht und Vertreibung sind leider auch heute noch allgegenwärtig. Und natürlich verstehen die jungen Musiker das auch. Das ist ein wichtiges Thema. In den ersten Jahren der Egerländer hat die Gründergeneration das beschrieben, was sie gefühlt hat. Die Hits liefen jeden Tag im Radio und im TV, weil es damals viele Menschen gab, die dasselbe empfunden haben. Früher war “Egerland Heimatland” natürlich aktuell für die Leute, die das gesungen haben. Für mich ist diese Komposition heute ein Statement für jeden Menschen, der seine Heimat verliert. 

Ist es für einen Musiker oder Bandleader, der so in der Öffentlichkeit steht und so viele Menschen erreicht, auch ein Stück weit Pflicht, auf solche Zusammenhänge aufmerksam zu machen? 

Für mich ist es eine Pflicht, ja. Ich werde oft danach gefragt und dann mache ich mich stark für Dinge, die mir wichtig sind. Es geht dabei nicht immer um Missstände, sondern auch um Unterstützung von positiven Aspekten. 

Die Zeit, in der man sagt »Ich bin ja nur Musiker, kein Politiker!«, ist vorbei?

Ja, die ist vorbei. Es gibt so viele Menschen, die meinen, sie müssen ihre Meinung bei jeder Gelegenheit kundtun, zu diesen zähle ich sicherlich nicht. Ich verfüge aber über genügend Erfahrung, genügend Erkenntnisse – vielleicht auch das Standing –, dass ich hin und wieder meine Meinung öffentlich sagen darf.

Wenn Sie an Ihre eigene Zukunft denken – ist die Nachfolge eine Sache, über die man sich Gedanken macht? 

Natürlich. Das liegt ja auf der Hand. Diese Frage wird draußen sicherlich oft thematisiert und auch intern ist das schon Thema. Natürlich mache ich mir persönliche Gedanken dazu. Es muss auch nach mir weitergehen. Ich will das vorher möglichst so in die Wege geleitet haben, dass ich glaube, dass das möglich sein wird. Und wenn ich mal nicht mehr aktiv dabei bin, dann könnt ihr euch sicher sein, dass ich das von außen weiter emotional und professionell betrachte.

Es geht also darum, das Erbe weiterzugeben und in guten Händen zu wissen, oder?

Ja, genau dafür bin ich im Jahre 2000 angetreten. Ich bin jemand, der gerne seine Entscheidungen vorbereitet. Genauso werde ich mich dafür einsetzen. HutterMusic ist jetzt das Management der Egerländer, dort wird die Zukunft vorbereitet. Sicherlich werden wir die richtigen Entscheidungen fällen, um dies zu erreichen.

Für mich ist “Egerland Heimatland” heute ein Statement für jeden Menschen, der seine Heimat verliert. 

Eine Sache, auf die Sie auch heute schon genau schauen, sind die Leute, die sich mit fremden, mit Ihren Federn schmücken… Wie ermüdend ist dieser Kampf gegen…

…gegen diese Windmühlen? (lacht) Das ist so wie mit anderen Problemen im Leben auch. Es ist abhängig von der Gemütslage. Ich habe mich schon dabei ertappt, dass mir solche Dinge wesent­lich mehr an die Nieren gegangen sind, wenn ich selbst etwas angeschlagen oder gestresst war. Aus größerer Distanz betrachtet war es dann aber nicht mehr so schlimm. Grundsätzlich aber ist das erst einmal Lob für unsere Arbeit. Als ich die Egerländer übernommen habe, habe ich mir gesagt: “Eine ganz wichtige Aufgabe ist, diese Originalität für die Nachwelt zu erhalten.” Es ist ja völlig normal und nachvollziehbar, dass Hits wie die “Fuchsgraben Polka” oder die “Vogelwiese” auch von anderen gespielt werden. Ich bin darauf stolz, dass wir die Branche wieder richtig mit angeschoben haben. Das freut mich einfach. Es gibt aber – wie in anderen Geschäftsfeldern auch – kapitalistische Entwicklungen, die nicht gut sind. Über manche Begleiterscheinungen oder Vorgänge in diesem Geschäft wundere ich mich schon. Da sind meist gar nicht die Musiker schuld. Oft sind es Veranstalter oder sonstige Geschäftemacher, die dann einfach “copy and paste” machen, weil es “beim Hutter” funktioniert. Es ist dann sehr, sehr ärgerlich, wenn bei uns Anrufe eingehen von Kunden, die denken, sie gehen zu Konzerten von uns. Ich habe mich zum Beispiel letztes Jahr über die Bewerbung einer neuen Band in Österreich geärgert. Dort spielen sehr gute Musiker, Freunde und auch sogar Egerländer Kollegen mit. Aber das Projekt wird so vermarktet, dass darin die “einzig wahren” Musiker vereint seien. Das ist nicht kollegial, nicht zielführend und ­meiner Meinung nach auch moralisch zweifelhaft. 

Trotzdem schafft dies zusätzliche Öffentlichkeit für die Blasmusik. Würden Sie mir zustimmen, dass Blasmusik im weitesten Sinne wieder salonfähiger geworden ist in den vergangenen Jahren? 

Uneingeschränkt ja. Ich bin ein totaler Fan dieser Entwicklung. Früher habe ich zu meinen Kollegen in der Staatsoper oft gesagt: “Okay, wenn ihr meint, ich soll keinen Jazz spielen und lieber jeden Tag den Walkürenritt üben, dann ist das eure Meinung. Es kommt die Zeit, in der das anders sein wird!” Und in genau der sind wir jetzt! Es gibt viele sehr gute Musiker, die in klassischen Orchestern gute Stellen haben, für die es selbstverständlich ist, auch andere Musik zu spielen. Solche Musiker haben wir bei den Egerländern auch. Das habe ich immer gefördert, weil das letztlich auch gut für das Orchester ist. 

Diese Entwicklung wurde auch von den Egerländern mit angeschoben und ist im Umkehrschluss auch die Basis dafür, dass die Zukunft der Egerländer Musikanten ge­sichert ist?

Die Zukunft der ganzen Musik wird dadurch gesichert. Nicht nur der Egerländer. Wir haben fantastische klassische Musiker dabei, super Jazzer, Musiker, die in anderen Bands eine wichtige Position haben. Klarinettisten etwa schauen zum Beispiel zu Matthias Schorn auf. Auch, weil er bei den Wiener Philharmonikern spielt. Aber manche kennen ihn vielleicht nur vom Woodstock der Blasmusik. Apropos: Vor einigen Jahren beim Woodstock spielten zuerst Moop Mama, dann die Egerländer und dann Fättes Blech. Das war ganz bewusst so inszeniert, dass Peter Laib und mein Sohn Martin nur kurz die Klamotten wechseln und von der Egerländer-Musik zur Hip-Hop-Mucke wechselten. Offenheit für andere Genres und Musikrichtungen bereichert doch nur! Die Blasmusik ist auf einem guten Weg. Puristen beantworten diese Frage vielleicht etwas anders. Puristen sollen auch gerne das hören und spielen, was sie wollen. Aber dann sollen sie doch verdammt noch mal die Leute nicht verurteilen, die das vielleicht anders sehen.

Dieses Interview erschien in der April-Ausgabe der BRAWOO – Brass Wood Orchestra.