Orchestra | Von Klaus Härtel

Ernst Hutter hört auf. Wechsel bei den Egerländer Musikanten

Egerländer
Alexander Wurz und Ernst Hutter (Foto: Steffen Österle)

Ernst Hutter hört auf. Seit 25 Jahren leitet er die Egerländer Musikanten – Das Original. Nun, kurz vor dem 70-jährigen Jubiläum des Orchester hat er seinen Rücktritt verkündet. Wir haben mit ihm über die Zukunft, die Entwicklung der Egerländer und seine Art, ein Orchester zu leiten, gesprochen.

»Mit 66 Jahren fängt das Leben an«, sang Udo Jürgens. Du hörst in diesem Alter auf. Warum?

Um etwas Neues anzufangen. Das Lied wird mittlerweile von vielen zitiert. Und auch ich gehe davon aus, dass jetzt das Leben so richtig anfängt. Und, dass es noch vieles bereithält.

Aber der eine Abschnitt als Egerländer-Chef ist dann beendet. Was waren die Gründe dafür?

Einige davon habe ich teilweise beim Podcast »Tour Vielfalt« thematisiert. Die größte Spekulation ist, ich sei krank. Das stimmt nicht, mir geht es gut. Ich habe viele Erfahrungen gesammelt bei Kollegen, die auf der Bühne waren, bis sie nicht mehr konnten. Das habe ich oft beobachtet. Für meine Karriere habe ich mir aber vorgenommen, den Staffelstab weiterzugeben, solange ich noch fit bin.

Ist dir die Entscheidung trotzdem schwergefallen?

Ich treffe Entscheidungen immer gut überlegt. Diese hier fiel mir nicht leicht. Es geht um eine große Leidenschaft. So etwas loszulassen, ist immer schwer.

Wie sehr war deine Familie in den Entscheidungsprozess involviert?

Ich habe zuerst für mich selbst überlegt. Dann habe ich es meiner Familie vorgeschlagen. Wir sind ein Team. Nach und nach kamen dann alle weiteren Teammitglieder und die Musiker dazu.

Welches waren in deinen 25 Jahren als Leiter der Egerländer die besonderen Herausforderungen?

Die schwierigste war, die Egerländer zu einem Zeitpunkt zu übernehmen, als Ernst Mosch nicht mehr da war. Da haben viele Faktoren hineingespielt: meine persönliche Stimmung, die der Musiker, des Publikums. Ich hatte meine bisherige Lebensplanung nicht darauf ausgerichtet, Egerländer-Chef zu werden. Und natürlich gab es ständig Entscheidungen, die Egerländer so zu leiten, dass sie beim Publikum Anerkennung erfuhren. In 25 Jahren gibt es viele Entscheidungen. Personell, bei Tour-Planungen, Produktionen.

Wie haben sich die Egerländer über die Jahre verändert und entwickelt?

Ein Orchester zeitgemäß zu halten, ist nicht immer einfach. Trends sind schnelllebig. Ich wollte die Tradition und unser Repertoire nicht vernachlässigen und bin daher vorsichtig mit schnellen Erneuerungen gewesen. So ein Orchester in die Zukunft zu führen bedeutet, nicht gleich jeder Strömung hinterherzujagen. Aber Veränderungen gab es dennoch. Ich habe angefangen, Solos ins Programm aufzunehmen. Und den Sound haben wir weiterentwickelt, in erster Linie auf technischer Seite. Die Besetzung habe ich ebenfalls verändert. Somit habe ich unseren Stil angepasst.

Trotz des Erfolgs bringen Veränderungen oft Skeptiker hervor. Gab es bei euch solche?

Sowas bleibt nie aus. Das gibt es in allen Branchen. Menschen machen sich eigene Gedanken und ziehen manchmal andere Schlüsse als ich. Ernst Mosch hat das Orchester über 40 Jahre geleitet. Viele Fans waren skeptisch. Ich auch. Ich habe viel gezweifelt. Es hat lange gedauert, bis wir uns erneut bewiesen haben. Man wird verglichen und es wird alles Mögliche auf die Waagschale gelegt. Auch Alexander Wurz wird sich vergleichen lassen müssen. Aber so ist der Lauf der Dinge. Das ist eine der schwierigeren Aufgaben eines Orchesterleiters.

Wie würdest du deinen Führungsstil beschreiben?

Ich bin erstmal pädagogisch. Wenn ich aber sehe, dass etwas nicht funktioniert, kann ich durchaus hartnäckig sein und Durchsetzungsvermögen zeigen. Und ich weiß, dass man als Leiter Entscheidungen treffen muss. Auch wenn sie manchmal weh tun.

Welche Hoffnungen und Erwartungen hast du für die zukünftige Entwicklung der Egerländer?

Es soll gelingen, die Arbeit der Egerländer in die Zukunft zu führen. Das geschah vor mir 43 Jahre lang und mit mir 25 Jahre. Gute Inhalte müssen an neue Generationen weitergegeben werden. Diese Vorstellung habe ich und dieselbe hat Alexander Wurz auch. Damit das funktioniert, muss man die eigene Arbeit immer wieder hinterfragen. Solange wir junge Leute inspirieren, sind wir auf dem richtigen Weg.

Würdest du sagen, dass die Vorbildfunktion der Egerländer eine große Rolle spielt?

Natürlich. Da gibt es viele Parameter wie Stilistik oder Phrasierung. In meinen 15 Jahren unter Mosch habe ich viel gelernt. Der Leiter muss wissen, wie ein Orchester funktioniert, wie so ein Klang entsteht, welche Typen es braucht, damit eine Tour läuft. Es braucht Loyalität, Professionalität und Empathie von allen Seiten.

Was machst du, wenn die Abschieds-Tournee vorbei ist?

Ich gehe nicht in Rente. Im Hintergrund bin ich nach wie vor bei Hutter Music – als Berater, Helfer, Unterstützer.

Wie wird die Entscheidungsmacht aufgeteilt?

Das ist ein wichtiger Punkt. Wir als Team müssen uns einig sein. Wir hatten viele Gespräche, um das zu klären. Alexander Wurz wird musi­kalischer Leiter sein und Hutter Music ist die Produktionsfirma. Inhaltliche und musikalische Punkte im Orchester liegen bei ihm. Wir unterstützen ihn, indem wir die Dinge drumherum übernehmen: Organisation, Tourplanung, einzelne Wehwehchen.

Egerländer
Foto: Steffen Österle
Wann war euch bewusst, dass Alexander Wurz der Richtige für diesen Job ist? Und warum übernimmt nicht einer deiner Söhne?

Meine Söhne waren bei vielen Leuten oft Thema. Es wurde spekuliert, ob sie für die Egerländer überhaupt gut genug sind. Oder ob sie nur dabei sind, weil sie meine Söhne sind. Dass sie gut genug sind, haben sie mittlerweile bewiesen, obwohl die Anfänge durchaus schwierig waren. Stephan hat damals gar nicht damit gerechnet, als ich ihn für ein Konzert anfragte. Den musste ich erst überzeugen. Aber ich habe es ihm zugetraut. Bei Martin war das anders. Er wollte schon immer bei uns mitspielen. Und er hat dementsprechend dafür gearbeitet, hat viel Unterricht genommen und sich stilistisch breit aufgestellt. Die Frage, ob sie die Egerländer überhaupt leiten wollen, konnten wir schnell verneinen. Bei mehreren Gesprächen haben wir beschlossen, dass es niemand aus der Familie macht. Dann habe ich die jungen Kollegen beobachtet und über die Jahre gesehen, wie sie sich entwickeln. Die kleine Egerländer Besetzung, Workshops, Egerländer Sommer-Akademie – bei all diesen Projekten ist mir irgendwann Alexander Wurz aufgefallen.

Da dachte ich, er könnte der Richtige für diesen Job sein. Auf vielen Wegen hat er sich ähnlich entwickelt wie ich. Als Solist, als Dozent, als anerkannter Musiker in der Szene. Mir war klar: Wer neuer Egerländer Leiter wird, muss die höchste Autorität in seiner Generation mitbringen. Nachdem ich diese Gedanken ausformuliert hatte, habe ich es mit meiner Familie besprochen und es wurde schnell als richtige Entscheidung akzeptiert. Irgendwann haben wir ihn zu uns nach Amtzell eingeladen, um ihm unsere Entscheidung mitzuteilen. Er war völlig ahnungslos. Natürlich war er erstmal überrascht. Dann haben wir uns intern einen Plan überlegt. Alle möglichen Absprachen, wie der Übergang zwischen uns beiden läuft und organisatorisches. Und ebenso wie es bei mir damals eine lebensverändernde Entscheidung war, wird sich für ihn viel ändern. So etwas muss gründlich überdacht werden. Umso erfreulicher war es, als er zugesagt hat, neuer Leiter der Egerländer Musikanten zu werden.

Bedeutet es für Alexander Wurz Druck, dass du ihm über die Schulter schaust, oder ist es eine Erleichterung, zu wissen, dass der »Mentor« eine Hilfestellung gibt?

Ich gehe davon aus, dass er weiß, worauf er sich einlässt. Er kennt mich und meine Art gut. In der Vergangenheit ging er immer gut damit um, da­rum habe ich ihn auch stets gefördert. Er kann sich auf mich verlassen. Und ich mich auf ihn.

Gab es in deiner Zeit als Egerländer Chef Entscheidungen, die Du heute anders treffen würdest?

Ich würde aus heutiger Sicht nicht mehr so lange warten, mich auf der Bühne vor das Orchester zu stellen. Bis 2010 habe ich ausschließlich Tenorhorn gespielt und wir hatten keinen Dirigenten. Aber damals war ich dafür noch nicht bereit. Ich wollte eine optische Abgrenzung zum großen Orchester und Ernst Mosch als Dirigent. Heute weiß ich aber: Es ist wichtig, einen Übergang zwischen Publikum und Orchester zu schaffen. Dem Orchester ein Gesicht zu geben, eine Identifikationsfigur. 

Hattest du in deiner Zeit als Leiter manchmal das Gefühl, dass sich das Orchester in eine falsche Richtung entwickelt? Wie bist du damit umgegangen?

Bei unserer Live-Aufnahme 2006 in der Alten Oper Frankfurt bekam ich erstmals das Gefühl, dass ich bestimmte Dinge in der Konstellation ohne Dirigent nicht umsetzen kann. Schon damals wollte ich die große Besetzung wieder auf die Bühne bringen. Da braucht es zwingend einen Dirigenten. So habe ich mehr musikalischen Einfluss. Als ich dann tatsächlich nach vorne gestanden bin, gab es natürlich Kritik. Aber bis heute stehe ich zu dieser Entscheidung.

Anfangs hießen wir »Die Egerländer Musikanten – Das Original«, auch das habe ich dann in »Ernst Hutter & die Egerländer Musikanten – Das Original« abgeändert. Damit ist die Identifikation besser. Und nach meiner Abschieds-Tournee wird das Orchester »Alexander Wurz & die Egerländer Musikanten – Das Original« heißen.

Der Spagat zwischen Tradition bewahren und neue Dinge wagen ist bei diesem reichhaltigen Orchester schwierig. Wie hast du das Gleichgewicht gehalten?

Ich habe für mich definiert, dass das Repertoire der Egerländer die Basis ist. Darauf aufbauend können wir manches entwickeln. Manche alten Stücke, die ich unter Mosch nie spielen konnte, habe ich wieder rausgekramt. Selbst »Auf der Vogelwiese« habe ich unter ihm nie gespielt. Heute ist sie aus den meisten Konzertprogrammen nicht mehr wegzudenken. Bis heute habe ich unser Repertoire in AAA-Hits und AA-Hits eingeteilt. Bestimmte Stücke sind immer fix. Die, die unseren Charakter ausmachen – »Böhmischer Wind« beispielsweise. Das ist für mich das wichtigste Werk der Egerländer, durch die Idee und die Aussage, die ihm innewohnt. Drumherum habe ich Solos, ganz alte oder neuere Stücke untergebracht. So habe ich versucht, Tradition und Moderne gleichermaßen zu berücksichtigen.

Denkst du, dass es in der Szene für Alexander Wurz heute einfacher ist als bei Dir damals?

Viel einfacher. Ich war damals in der Szene als Jazz-Musiker bekannt. Nur wenige kannten mich, weil ich ein paar Tourneen mit Ernst Mosch gespielt habe. Er war damals nur alle zwei Jahre auf Tournee. Alexander Wurz ist schon lange als Dozent und Solist anerkannt. Durch Social Media sind solche Dinge heute wesentlich einfacher. Wir beide kennen uns mittlerweile gut. Ich schätze ihn sehr als Mensch. Jetzt ist er dran, ein Vorbild zu sein. Ich habe meine Funktion als solches erfüllt. Der Staffelstab wird weitergegeben.

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Foto: Steffen Österle
Gab es außerhalb von Social Media Trends, die ihr beeinflusst habt?

Wir haben sicherlich viele junge Musiker mit unserem Auftreten beeinflusst, mit diesem Mut, voranzugehen. Manchmal wird mir gesagt, dass wir Vorbilder sind. Das freut mich jedes Mal. Ich will dem Publikum zeigen, was für eine Energie in dieser Musik steckt. Mein bisher bestes Erlebnis als Egerländer-Chef war die Unplugged-Tour dieses Jahr. Eine solche Unverfälschtheit und Direktheit kann mit Mikrofonierung nicht erzeugt werden. Das war ein fantastisches Gefühl. Die Reaktion vom Publikum war ebenfalls überwältigend. Die Differenzierung zwischen lautem Blech und leisem Holz hat problemlos funktioniert. Alle Details waren hörbar.

Welchen Rat würdest du jungen Musikern und Orchesterleitern geben?

Bleibt euch treu. Wenn ihr ein Gefühl und ein Ziel habt, lasst euch nicht davon abbringen. Und habt keine Furcht davor, euch Herausforderungen zu stellen.

Interview: Klaus Härtel, Christian Schick