Orchestra | Von Renold Quade

Fettes Potpourri von Querbeat und Raoul Vychodil

Querbeat
Querbeat (Foto: Jan Holo)

Vier Titel – „Hück oder Nie“, „Nie mehr Fastelovend“, „Tschinderassabum“ und „Dä Plan“ – werden Medleyim „Fettes Potpourri“ von Querbeat vereint. Jedes Stück bringt eigene thematische Höhepunkte. Raoul Vychodil hat das Werk für Blasorchester arrangiert.

»Brasspop-Bands«, so mittlerweile die gängige Bezeichnung für Bläserensembles, die mit Jazz-, Rock- und Pop-Elementen neue Wege gehen, sind nicht erst seit gestern am Start. Mutige und pfiffige Bläsernaturen hatten schon immer Ideen, sich ihre eigenen Gedanken über etablierte Stile zu machen. Stets fanden sie individuelle Wege, aus Bläsersicht mit eigenen Energien, Musik neu zu beleuchten und neu zu interpretieren. Kreative Bläser werden wohl, das volle Spektrum der Musikgeschichte auslotend, diesbezüglich nie müde. Und sie machen erst recht keinen Bogen um Grooves der Gegenwart. Dabei erreichen besondere Triebkräfte dann beileibe nicht nur die Lippen und die Ohren. Sicherlich, schon das reine Musizieren und Zuhören elektrisiert, aber hinzukommt ganz automatisch und ab­solut gewollt, dass Musiker und Zuhörer auch ihre Füße nicht mehr stillhalten können.

Die »Dirty Dozen Brass Band« aus New Orleans, die »Riot Jazz Brass Band« aus Manchester, die »Lucky Chops« aus New York City oder »Moop Mama« und vor allem »LaBrassBanda« aus Deutschland – allein bei dieser kurzen Auflistung klingelt es bei mir, auch wenn ich kein intimer Kenner ihres jeweiligen Repertoires bin. Mir ist bei der Recherche noch einmal deutlich geworden, was da in den vergangenen Jahren so alles in Bewegung gekommen ist. Und wenn auch der Ansatz von Gruppen wie »Da Blechhauf’n«, »Viera Blech«, oder »Mnozil Brass« sicher ein ganz anderer ist, weht der Geist deren Spielfreude aus der gleichen Richtung. Natürlich mit stilistisch anderen Schwerpunkten, aber mit eindeutig ähnlich kesser und innovativer Bläserintention.

Querbeat

Als »radikal positiv« beschreibt die 13-köpfige Brasspop-Band ihre Aktivitäten. Querbeat wurde im Jahr 2001 in Bonn gegründet, als Schulband im Kardinal Frings Gymnasium im Bonner Ortsteil Beuel. Regional schnell populär und öffentlich sehr präsent, motivierten sie ihre Erfolge, im Jahr 2007 in den Kölner Karneval einzusteigen.

Rückblickend erinnert sich Raoul Vychodil: »Bis Anfang der 2010er-Jahre waren wir teilweise mit bis zu 25 Musikerinnen und Musikern gleich­zeitig auf der Bühne. Vor 2010 zudem auch noch ohne Gesang und ohne eigene Lieder. Unseren jetzigen ›Sound‹ haben wir eigentlich erst so richtig nach dieser Zeit gefunden, als sich die Band noch mal deutlich verkleinert hatte, weil viele das Tempo nicht mehr mitgehen wollten oder konnten. Am Ende sind nur noch die dabeigeblieben, die auch bereit waren, alles auf die Karte ›Musik‹ zu setzen.

Wir hatten uns dann hingesetzt und noch einmal frisch und neu überlegt: Wie wollen wir denn eigentlich klingen? Wie muss sich die Musik anfühlen, dass wir uns langfristig damit identifizieren können? Was ist letzten Endes das, was auch diese Band ganz persönlich repräsentiert? Da hat sich dann viel getan. Von ›Hück oder Nie‹ und ›Nie mehr ­Fastelovend‹ über ›Randale‹ und ›Hurra‹ bis hin zu den aktuellsten Songs wie ›Eisbär‹ oder ›OK Ciao‹ haben wir uns konsequent weiterentwickelt.« 

Was also zunächst mit Karnevalsliedern, Pop- und Samba-Rhythmen begann, fand zu ganz neuen und eigenen Herangehensweisen und wird mittlerweile nicht nur im Rheinland als frische, freche und innovative neue Stimme im Unterhaltungsgeschäft geschätzt. Sendungen im WDR- Fernsehen und im WDR-Radio blieben nicht aus, was enorm half, den Bekanntheitsgrad der Band zu steigern.

Querbeat

kurz& knapp 

  • Querbeat begann 2001 als Schulband und entwickelte sich zu einer innovativen Brasspop-Band. Die Band experimentiert mit kreativen Arrangements, um ihren einzigartigen Stil zu verfeinern. 
  • Vier Titel – »Hück oder Nie«, »Nie mehr Fastelovend«, »Tschinderassabum« und »Dä Plan« – werden in einem Medley vereint. Jedes Stück bringt eigene thematische Höhepunkte.
  • Das Werk überzeugt durch die klare Struktur, mitreißende rhythmische Akzente und geschickt platzierte Höhepunkte, die den Hörer durchgehend in den Bann ziehen.

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Heute nun feiert die Band einerseits erstaunliche Erfolge im Karneval, darüber hinaus aber auch längst in der vom Karnevalstreiben unabhängigen allgemeinen Party- und Feierszene und, noch weitreichender, sehr erfolgreich auf Konzertbühnen in der Szene der Jazz- und Rockfestivals. Querbeat sind absolut in der Lage, auf Basis ihres ureigenen Groove- und Soundempfindens ihre jeweiligen Adressaten zu unterhalten und wissen stets geschickt ihre »genreübergreifenden Hits« in ihren Programmen zu platzieren. Auftritte in ganz Deutschland und darüber hinaus sind beredt Zeuge davon.

»Querbeat schafft einen Soundtrack für gute Momente?« Diese Sichtweise, als Frage formuliert in einem Vorabbericht zu einem Konzert in einem Zeitungsartikel des Aachener Zeitungsverlages, gefällt Jojo Berger, Sänger von Querbeat, sehr gut: »Wir entwerfen unsere Musik nicht am Reißbrett, damit sie irgendeine Funktion erfüllt. Aber gleichwohl merken auch wir, dass sich weltweit eine gewisse Lethargie in die Leben von uns allen einschleicht. Unsere Festplatten sind einfach vollgepackt mit Alltags­problemen. Uns geht es da nicht anders als anderen Menschen. Das Leben ist schwermütiger geworden. Schöne Momente hallen nicht lange nach. Wir sind bemüht, vor allem im Konzert, konstruktiv dagegenzuhalten«.

Vier Trompeten, zwei Posaunen, zwei Saxofone, eine Helikontuba, ein Mellophon, E-Gitarre, E-Bass und Schlagzeug und dazu wechselnder Gesang aus eigenen Reihen – das ist die Basis für den Soundmix. Auf die doch eher ungewöhnliche Besetzung angesprochen lächelt Raoul: »Ja, das knüpft ein bisschen an unsere Weichenstellung Anfang der 2010er-Jahre an. Die Besetzung ist natürlich schon lustig, wenn man sie so liest. So würde man ja kein Orchester aufbauen, wenn man es neu zusammenstellt. Das ist einfach dadurch entstanden, dass das halt die Leute waren, die dabeigeblieben sind.

Sicherlich hatte das auch Einfluss auf den Sound und das ›Wie‹, wie wir die vorhandenen Instrumente einsetzen. Man braucht manchmal kreative Lösungen, wenn etwa eigentlich gewollte Registerfülle im Holz fehlt. Aber wir sahen und sehen es positiv. Not macht erfinderisch und kreativ. Natürlich auch ein Grund, warum wir immer wieder mit synthetischen Klangmodulationen, Vocodern, Verzerrern usw. experimentieren. Wenn man immer die gleiche Besetzung zur Verfügung hat, neigt man manchmal dazu, ähnliche Lösungen für wiederkehrende musikalische Aufgaben zu finden. Da tut es dem Gesamtsound (nicht nur) über eine Konzertlänge einfach gut, solche Systeme immer wieder einmal aufzubrechen und immer wieder andere Klangwelten zu öffnen.«

Heute haben die umtriebigen Musikerinnen und Musiker ihren Proberaum und ihr Studio im Herzen Kölns. Die Band hat seit 2021 eine eigene Immobilie in der Südstadt. Sie ist ihr Hauptquartier und ihre Kreativschmiede. In einem alten Fabrikgebäude haben sie alle ihre Gewerke untergebracht. Probe- und Besprechungsraum, Übe­räume, Studio- und Aufnahmeräume und den Merch-Bereich. Mittlerweile spiegeln vier Studioalben und etliche Singleauskopplungen die ganze Bandbreite der Band wider.

Der Arrangeur

Querbeat

Raoul Vychodil, Jahrgang 1987, studierte von 2007 bis 2012 Jazz-Saxofon an der Folkwang Universität der Künste in Essen bei Prof. Hugo Read und Matthias Nadolny. Der mit Auszeichnung abgeschlossene Kompositionsmaster »Artistic Producer« bei Prof. Peter Herborn folgte 2013. Während seiner Studienzeit sammelte er mit seinen Kompositionen schon eifrig lokale Jazzpreise. 2014 gründete er in Köln mit drei Freunden sein erstes Projektstudio für Audio- und Videoproduktionen. Derzeit ist er rege und umtriebig als Saxofonist, Arrangeur und Produzent mit der Brasspop-Band »Querbeat« unterwegs. 

Die Idee

Getreu einer Leitlinie der Band, »Randale«, spielen Querbeat »Blasmusik, einmal anders gedacht«. Dabei übernehmen die einzelnen »Register« des Ensembles durchweg wechselseitig alle Aufgaben, die sich so anbieten. Neben der Präsentation von melodischen Gedanken imponiert vor allem die Art und Weise, wie sie ihre energetischen Grooves umsetzen. Das Credo: »Der Groove ist immer Trumpf. Wenn der wackelt, dann sind auch die schönsten Texturen umsonst.« Da wird jeder Bläser auch einmal zum »Perkussionsinstrument, mit anteiliger Verpflichtung zum harmoniestiftenden Synthesizer«. Augenzwinkernd formuliert die Band ganz allgemein über sich und über ihre wuchtigen Schöpfungen: »Aus Brasspop wird Future Brass Punk«.

Der Klappentext des Arrangements informiert über die Zusammenstellung der Titel: »Im Medley trifft ›Nie mehr Fastelovend‹ auf ›Hück oder Nie‹, wird ›Tschingderassabum‹ zu ›Dä Plan!‹ Hymnen an das gute Leben und die richtigen Leute.« Dieses Arrangement für Blasorchester verspricht in knapp sechs Minuten maximales Festivalfeeling, nicht nur für den Proberaum. Raoul ergänzt dazu: »Ich habe auch hier bewusst versucht, ausschließlich unsere Live-Stimmen zu verwenden. Das Blasorchester spielt im Grunde die Grundkonzeption unserer Arrangements. Abgesehen natürlich von dem notwendigen Übel der gespielten Vocal-Lines, die wie bei jedem Arrangement mal besser, mal schlechter ins Brass-­Universum zu übersetzen sind.«

Der Aufbau

Sofort geht es energisch los. Über zweimal vier Takte stürmt im Blechgewand als Erstes ein einleitender »Vorschlag-Nachschlag«-Rhythmus in Tempo 175 auf die Bühne. Lediglich mf, aber treibende Kraft gewinnt man ja nicht in erster Linie mit Lautstärke. Die treibende Kraft kommt unmissverständlich aus der klar und präzise hämmernden Energie, die hier erst einmal aufgebaut wird. Auf diesen Rhythmus setzt sich, im piano beginnend und zum mezzoforte sich weiter auswachsend, also quasi sich anschleichend, ein erster melodischer Gedanke. Im Arrangement hat er einleitenden Charakter, ähnlich wie auch die Textstelle im Song: »Hätte, wenn und aber, ist alles nur Gelaber«. Ab A sind dann aber endlich alle Bläser am Start und wir sind mittendrin, mittendrin in »Hück oder nie«. 

Der Song »Hück oder nie« datiert bereits aus dem Jahr 2013: »Heute oder nie«. Wie vergleichsweise dröge klingt doch der Versuch, den Textinhalt kurz auf Hochdeutsch zusammen­zufassen: »In 20 Jahren möchte man sich nicht vorwerfen müssen, Dinge nicht probiert zu haben und daher ist die Devise: Sei mutig, denk positiv, setze alles auf eine Karte.« Wieviel stärker in Emotion und Bildhaftigkeit ist doch das kölsche Zitat: »Hück, hück oder nie – Setz alles op ein Kaat – Hück, hück oder nie – Als wör et die letzte Naach – Hück, hück oder nie – Wat do aanpacks weed zo Jold – Hück, hück oder nie.« 

Zwei Takte vor B leitet eine Motivstauchung des bisherigen gezielt über auf ein erstes großes reines Riffmoment. Nun wollen eigentlich alle, auch die, die spielen, nur noch »abtanzen«. C greift, zum kurzen Durchatmen als kleines Zwischenspiel, den Bassgroove der Einleitung noch einmal auf und würzt ihn, ganz wie im Original, mit einem Kuhglocken-Solo. D greift »wenn und aber«, E »Hück oder nie« wieder auf. F, im Tempo ein wenig verzögert und dabei gefühlt als »half-time-beat«, lässt noch einmal »abtanzen« und verspielt sich, nach dreifacher Motivwiederholung, in einen ausnotierten langen Ton, einer gefühlten Fermate, die zur Vorbereitung eines erneuten Tempowechsels sehr nützlich ist.  

In G, im neuen Tempo, nicht viel langsamer, aber doch deutlich unter dem bisherigen Tempo, baut sich ein neues prägendes Riff auf. Und dieser Groove »schiebt« auch nur so richtig, wenn man ihn nicht überhastet und, verbunden mit guter Artikulation, sein originäres Tempo ohne Vorbehalte annimmt.

Der Song »Nie mehr Fastelovend« trat seine bis heute andauernde Erfolgsgeschichte bereits 2014 an. Es ist die immer wiederkehrende Geschichte über eine Karnevalsliebe, die, aus Sicht des verliebten Mannes, ihren Anfang mit einem »Schneeleoparden-Kostüm« und der damit verbundenen, im Karneval ausgelebten, Persönlichkeitsnuancen der Kostümträgerin nahm. Man feierte zusammen ausgelassen, zog durch die Kneipen und, was für ein Unglück, verlor sich leider aus den Augen, im Getümmel auf einem der beliebtesten Kölner Feierplätze, dem Altermarkt. Diese Karnevalsliebe nicht vergessend, macht »Er« sich in jedem Jahr zu Karneval wieder auf den Weg, ausgestattet mit einer »Trumm«, einer großen Trommel, und hofft »Sie« wiederzufinden. Soweit, auf dieser Erzählebene, dieser Teil der augenzwinkernd erzählten Geschichte. Augenzwinkernd vielleicht auch deswegen, weil die Definition der zu suchenden »Sie« schon recht allgemein gehalten ist.

Nun wäre der Kölner im Karneval aber nicht der Kölner im Karneval, wenn er die Sache nicht stets mit einem weiteren Schalk im Nacken angehen würde. Auf einer anderen Erzählebene macht das Lied nun noch ein weiteres Fass auf. Der Suchende gibt hier augenscheinlich vor, dass er mit Karneval wohl eher nichts mehr zu tun haben möchte: »Nie mih Fastelovend, nie mih rud on wieß«, nie mehr »rot« und »weiß«, symbolisch prägende Farben Kölns. Unauffällig folgt aber im nächsten Absatz eine Bemerkung, die das zuvor gesagte mit einem Schlag infrage stellt und quasi ins Gegenteil verwandelt: »ohne dich«. Da sind wohl die Hoffnung auf ein Wiedersehen auf der einen Seite und die damit verbundene Freude an der Suche auf der anderen Seite durchaus gleichwertige Partner.

Raoul schwärmt ergänzend dazu: »Wir sind immer noch überrascht, was dieser Song für ein Eigenleben entwickelt hat. Und das weit über die Grenzen des Rheinlandes hinaus. Da stehst du auf einem Festival in Hamburg auf der Bühne und die Leute singen textsicher selbst die zweite Strophe mit, komplett ohne einen Karnevals­hintergrund. Magic. Für NMF haben wir 2024 eine goldene Schallplatte erhalten. Wir spielen den Song in C-Dur, also einen Ganzton höher. Dass er im Arrangement in B steht, hat einerseits Modulationsgründe, andererseits aber auch den Vorteil, dass gerade das Blech ein paar Körner für den Rest des Arrangements sparen kann.«

Die Verse vernachlässigend bringt H dann die »Trumm«, die große Trommel ins Spiel. Über den treibenden Grundgroove nehmen sich etliche Bläser des Bildes »große Trommel« an und auch das Schlagwerk gestaltet deutlich pointiert. Wie auch im Song ist das die Stelle, die den Refrain unmittelbar vorbereitet. In I, bewusst eher suchend und choralartig, scheinen die Klänge des Refrains zu schweben. Wenn eine kleine Marschtrommel, bei wieder leicht reduziertem Tempo, die Sache nicht zusammen und in Form halten würde, könnte man die Aussage »nie mehr Fastelovend« glatt für bare Münze nehmen. J und K lassen es dann mit dem prägenden Riff aber noch einmal richtig krachen und die »Gefahr« scheint gebannt, denn man hangelt sich, das Tempo wieder ein wenig steigernd, weiter ins »Tschingderassabum«.

Mit »Tschingderassabum« setzte Querbeat 2015 einen weiteren Akzent im Universum der nie versiegen wollenden Liebeslieder auf »et hillije Kölle«. Die lokal mit Augenzwinkern gern be­nutzte Überhöhung der geliebten Heimatstadt, das »heilige« Köln, ist eine Anspielung auf Kölns Bedeutung im Mittelalter.

»Tschingderassabum« ist zunächst einmal schlicht und ergreifend eine umgangssprachliche Beschreibung von Becken und Trommelklang. Es kann am Rhein aber auch philosophisch weiter gedeutet werden und wird gerne als Platzhalter für ein Lebensgefühl genommen, das die Kölner gerne für sich in Anspruch nehmen: »Wenn wir auch nicht reich an Geld sind, haben wir aber immer das Partymolekül im Blut. Der Takt des Rheines bestimmt pulsierend den Beat unseres Lebens. Unser Leben ist wie ein Feuerwerk. Da, wo es laut ist, ist unser Garten Eden. Wir brauchen keine Wohnung, wir haben unser ›Veedel‹, unseren Stadtteil. Kölsch ist unser Benzin. Unser Herz schlägt ›Tschingderassabum‹«. Der Titel war im Februar 2023 auf Platz 12 der deutschen Single-Trend-Charts. 

Ein neuer »Lockruf-Groove«, hier im Arrangement zunächst vom Holz dominiert, bestimmt die neue Stimmung ab L. Auch hier die Verse, im Sinne eines Hitmedleys, definitiv auslassend, steigen wir bei M wieder in den Songverlauf ein und nutzen, genauso wie im Song selber, ein kleines Interludium als eher lyrisches Sprungbrett zum Refrain. Dem Refrain vorgeschoben ist zudem noch N, die Spannung der Vorfreude noch einmal ein wenig auskostend. Die hier zweimal viertaktig fragende Melodie ist mit dynamisch auf- und abwallenden Akkorden unterlegt und nur minimal rhythmisch gestützt.

Im Song wird hier die Frage gestellt, was denn wäre, wenn das Radio verstummt. Was bleibt dann an Musik noch im Herzen? Die Antwort kommt zwei Takte vor O, mit einem synkopierten »Tschingderassabum«. In O dann der launige Refrain, der sich in P noch einmal steigert. Es folgt Q, ein kleiner Zwischenhöhepunkt, der obwohl, oder gerade deshalb, sich das Geschehen rhythmisch bescheidet, mit knackigen Vor- und Nachschlägen. Für mich hat diese Reduzierung auf das Wesentliche an dieser Stelle eine eher verstärkende, um nicht zu sagen ekstatische Wirkung. Dem Sog dieser Klänge kann sich niemand entziehen.

Die fragende Achtelbewegung, drei Takte vor R, mündet in eine lange Note. Der Beckenwirbel, einen Takt vor R, mit Glockenspiel und E-Bass, gibt Gelegenheit, das neue Tempo ab R vorzubereiten.

Der Song »Dä Plan«, aus dem Jahre 2016, ist der vierte Titel im Bunde. Er beschreibt die Stimmung nach einer eher überbesuchten und eigentlich auch schon längst beendeten Zimmerparty, eine Stimmung, die überlegt, was man den nun mit der angebrochenen Nacht noch so anfangen kann, im »Veedel«, am »Kiosk«, in der »Stadt«, an den angesagten Plätzen, zusammen mit internationalen Gästen. »He man wat is dä Plan? Ich kenn ene der ene kennt der sät da jeht noh jet. Da jonn ma hin. Der Avend is dout. Lang leev der Avend. Da jeht noch jet« – »He, was ist der Plan? Ich kenne jemanden, der jemanden kennt, der weiß wo noch was geht. Da gehen wir hin. Der Abend ist tot. Lang lebe der Abend. Da geht noch was!« »Dä Plan« war im Februar 2024 Platz 9 der deutschen Single-Trend-Charts. 

Die Posaunen beginnen bei R mit einer launigen Melodie, lediglich gestützt von langen Noten in den begleitenden Weichklingern und einer unauffälligen Schlagzeugbegleitung. An dieser Stelle besteht sicher die Notwendigkeit, das Posaunenregister dynamisch ein wenig einzufangen, wenn man den Charm des Originals treffen möchte. Im Original spielt das nur eine Posaune. Hier ist nun auch einmal der Vers Teil des Medleys und wird ab S, über acht Takte, als erstes von den Hölzern erzählend präsentiert. Darunter lassen Trompeten- und Bassinstrumente einerseits unauffällig, andererseits aber auch »gnadenlos«, den Groove (gemeinsam mit dem Schlagwerk) pulsieren. T wiederholt eben dies nuanciert, erweitert aber um einen Takt und stellt rufend, im Orchester ausnotiert und einzelnen Stimmen klar zugewiesen, die Frage: »Hey Mann! Wat is dä Plan?«

U markiert den Refrain. V denkt die Idee von U weiter. Es reduziert sich die Anzahl der Noten, die die Melodie führen, und wohl gerade deshalb steigert sich die »Beatwirkung«. Das Ganze wächst sich folgerichtig konsequent zu einem neuen »Tanz-Groove« aus. In W beruhigt sich einerseits die Szenerie mit einem kurzen fragenden Zwischenspiel, andererseits baut sie aber gleichermaßen wieder Spannung auf, bleibt definitiv rhythmisch nicht uninteressant, und führt, wie erwartet, noch einmal zum Refrain U und dem abschließenden Riff V. Eine kurze Schlusswendung, angesetzt an die abschließende Achtelkette der Melodielinie beendet das Arrangement mit knackigen Akzenten.

Die Instrumentation

Grundsätzlich: Rhythmus und Groove sind Trumpf. Der einzige Weg ist hier: nach vorne. Vor- und Nachschlag, eigentlich von je her Träger des Voranschreitens, werden hier quasi noch einmal neu erfunden. Mit viel Energie ersetzen sie so nicht nur klanglich die in dieser Stilistik harmonisch wichtigen synthetischen Keyboardklänge, sie entwickeln, genregerecht artikuliert, darüber hinaus mit enormer Vitalität diesen enormen Mehrwert der Vorwärtsbewegung. Einen Mehrwert, der nicht nur »auf den Ansatz der Musiker geht«, einen Mehrwert, der jedem Zuhörer direkt auch in die Gliedmaßen schießt.

Unisono findet im Original, wie im Arrangement, häufig seinen Einsatz und das ist hier ganz und gar nicht vom Teufel. Über den Grooves entwickeln sich, im unisono von Schichtungen wechselnder Instrumentenkonstellationen, Klangfarben, die eine erstaunliche Klangfülle abstrahlen. 

Das Arrangement bietet einem gut ausgebauten Blasorchester genügend Stimmen und jeder wird seinen Spaß daran haben, auch wenn der ein oder andere gelegentlich Gefahr laufen wird, mit seiner Klangfarbe ein wenig unterzugehen. Es gilt zudem grundsätzlich und extrem wichtig: Vorsicht, Lautstärke ist auch hier nie der Schlüssel zum Groove. Artikulation und Stilempfinden, verbunden mit umsichtiger Dynamik, die auch einmal fordern kann, dass es zur selben Zeit drei verschiedene »Forte-Schattierungen« gibt, macht diese Musik erst interessant.

Diese Musik will auch immer atmen und diese Musik braucht Steigerungsmechanismen, die schlicht und ergreifend beinhalten, dass es dynamisch auch einmal etwas ruhiger zugehen kann, ohne die Energien zu verlieren. »Hier sprichst du einen wichtigen Punkt an«, unterstreicht Raoul. »Generell glaube ich, ist es wichtig, dass sich das Blech in den Begleitmotiven und Nachschlägen lautstärketechnisch unterordnet und sich nicht gehen lässt, besonders bei vorrangigen Motiven im Holz.« Stimmen für E-Bass und E-Gitarre werden mitgeliefert und tun, nur wenn gut eingepasst, sicher ihren Dienst. Es funktioniert im geneigten und ausgewogen besetzten Blas­orchester, aber auch ohne.

Fazit

Im Schwierigkeitsgrad 4 sollte man schon zu Hause sein. Und nein, ausgelassene Party­grooves sind keine Spaziergänge. Das ist harte Arbeit und fordert strenge Ensembledisziplin. Die Musik von Querbeat ist ohne Frage vergleichbar mit Ausdauer- und Kraftsport. Da braucht es definitiv »kontrollierte Kraft«, aber genauso auch »sensibles Einfühlungsvermögen«. Jeder muss zu jedem Zeitpunkt wissen, wo er in der jeweiligen »Szene« seinen Platz hat.

Zum Thema »abtanzen« sei noch angemerkt, dass es mir absolut im Sinne der Erfinder scheint, wenn man sich, im Rahmen von umsetzbaren Möglichkeiten, als sitzendes Blas­orchester eine kleine Choreografie – also gruppenweises aufstehen und hinsetzen – für die Aufführung gönnt. Potenzial dafür ist offensichtlich.  

Von der Straßenmusik zu den großen Festivals, das ist die Story, die Querbeat schreibt und das ist der Geist, der Querbeat vorantreibt. Die VollblutmusikerInnen leben für die Live-Momente auf der Bühne. Ein Feuer, das sicher auch jeden im Blasorchester erfassen wird, der gewillt ist, sich klug darauf einzulassen.