Riva del Garda, ein Ort, der nach See, Gebirge, Sonne, Eis, Pizza, Pasta und Urlaub klingt, war am Wochenende vor Ostern klingendes Beispiel für das, was die Blasmusik ausmacht: begeistert musizierende Menschen, eine große freundschaftliche Gemeinschaft und eine problemlose Verständigung über Grenzen und Sprachen hinweg. 36 Blasorchester reisten aus zehn verschiedenen Ländern an. Die Musiker bevölkerten nicht nur den Veranstaltungsort Palazzo dei Congressi, sondern waren in der ganzen Stadt anzutreffen. Schon morgens um 7 Uhr hörte man leise Blasorchesterklänge durch die Stadt schweben.
In Riva del Garda können Blasorchester perfekt zwei Ziele erreichen: Durch die Teilnahme an einem internationalen Wettbewerb – mit der gezielten, intensiven vorausgehenden Probenarbeit – wird die Qualität des Orchesters gesteigert. Die Reise an sich, kombiniert mit Ausflügen in die anderen sehenswerten Orte am Gardasee, nach Verona, ins Gardaland oder zu den Weingütern mit Weinprobe, stärkt die Gemeinschaft.
Hohes Niveau
Den Wettbewerb an sich sollte man allerdings nicht auf die leichte Schulter nehmen. Das Niveau ist hoch. Und den Zusatz »International« trägt der Flicorno d’Oro zu Recht, obwohl 16 der insgesamt 36 angereisten Orchester aus Italien kamen.
Die anderen 20 kamen aus Deutschland (5), Österreich (3), Belgien (3), Kroatien (2), Slowenien (2), Spanien (2), Ungarn (1), Tschechien (1) und Frankreich (1). Ebenfalls »international« und wie gewohnt hochkarätig war die Jury besetzt. Durchweg wettbewerbserfahrene Juroren mit einem großen Rucksack an Fachwissen und eigenen Erfolgen.
Den härtesten Job hatte der Jury-Vorsitzende Hardy Mertens (NL). Er hat wirklich alle Orchester gehört und bewertet. Er bewertet den Flicorno d’Oro wie folgt: »Die Blasmusik hat glücklicherweise noch immer eine Zukunft. In Riva del Garda gab es viele junge Musiker, die stolz und begeistert musizierten.
Inspirierende Dirigenten
Im Allgemeinen war das Niveau hoch und die Leistung der Dirigenten inspirierend. Die beiden Juryteams haben, zusammen mit dem Publikum, ein buntes und farbenreiches Musikfest genossen. Apropos ›genießen‹: Auch der Wein und die Küche sind noch immer spitze. Ein großes Dankeschön und ›tanti auguri di buon lavoro‹ an die künstlerische Leitung und die Organisation des Flicorno d’Oro.«
Für Isabelle Ruf-Weber war der Wettbewerb sehr spannend. Gleichzeitig empfand sie die Arbeit als Jurorin sehr anspruchsvoll. Vor allen Dingen die unterschiedlichen Klangfarben der verschiedenen Orchester machten es sehr schwierig, zu hören und zu vergleichen.
Kevin Houben erstmals in der Jury
Erstmalig in der Jury des Flicorno d’Oro saß Kevin Houben aus Belgien, der meinte: »Der Empfang und die Betreuung der Jury durch die Verantwortlichen waren umwerfend! Dank einer sehr guten Planung und obwohl der Vorsitzende Hardy Mertens bei jedem Beitrag anwesend war, blieb die Jury sehr frisch und aufmerksam. Ich habe die kollegiale und professionelle Arbeitsatmosphäre sehr genossen. Das Niveau der Blasorchester war durchweg hoch, am meisten hat mich die Qualität der Orchester in der Superiore- Kategorie erstaunt. Sehr schade, dass nur ein Orchester in der Eccellenza, der höchsten Kategorie, angetreten ist.«
Die Jury war weiter besetzt mit Walter Rescheneder aus Österreich, Geir Ulseth aus Norwegen und den beiden Italienern Maurizio Managó und Leonardo Laserra Ingrosso.
Das Pflichtstück der Kategorie 3, »Faber Suite« von Michele Grassani, war sehr abwechslungsreich. Auch das Pflichtstück der 2. Kategorie war ein gutes Stück: »Land of Freedom« von Marco Somadossi – leider nicht oft gehört, denn in der 2. Kategorie traten nur fünf Orchester an. In der 1. Kategorie traten mit dem Pflichtstück »Old Folksongs from Iceland« von Luciano Feliciano insgesamt neun Orchester an.
Wohltuende Musik
Ganz wunderbar klang in der Superiore »Il Giudizio Universale« von Camillo De Nardis (transkr. Franco Cesarini). Wohltuende Musik, schwierig für die großen Orchester zu spielen. Es wurde oft sehr gut dargeboten, aber es kommen dabei auch alle Schwächen des Orchesters zum Vorschein. »Bei ›Il Giudizio Universale‹ zeigt sich die Qualität des Orchesters«, so Isabelle Ruf-Weber im Gespräch in einer kurzen Spielpause.
In der Kategorie Eccellenza startete leider nur ein Orchester. Die Kategorie Eccellenza überragte die Superiore, die eigentlich darunter liegen sollte, überhaupt nicht. Weder im Orchester noch in der Wahl des Selbstwahlstücks. Leider war durch die Selbstwahlstücke der Orchester die jeweils gewählte Kategorie, in der die Orchester angetreten sind, nicht so klar erkennbar.
Zum Beispiel stand »Hymn of the Highlands « zwei Mal auf dem Programm, einmal beim Bezirksjugendorchester Gmunden in der Kategorie 1 und einmal von der Swarovski Musik Wattens in der Superiore. »Satiric Dances« von Norman dello Joio erklang in der 2. Kategorie, dabei ist es ein Werk, das eher in die 1. Kategorie oder in die Superiore gehört.
Ein wunderbar erfrischend und mit Herzblut gespieltes »Music for a Festival« von Philip Sparke, gespielt vom Pihalni Orkester Zagorje (Slowenien), sorgte für deren Sieg in der 1. Kategorie.
Den schwierigen Anfang am Samstagmorgen um 8 Uhr machte der Musikverein Freiburg-Tiengen. Nach langem Überlegen hatte man sich entschlossen, in der Freien Kategorie anzutreten. Sehr wertvoll in dieser Kategorie: Es gab ein Jury-Gespräch und einen dreiseitigen Bericht für das Orchester.
Gleich nach Freiburg-Tiengen, aber immer noch zu einer Zeit, die Musiker nur als »unchristlich « bezeichnen können, folgte das Bezirksjugendblasorchester des Bezirks 13 im Allgäu-Schwäbischen Musikbund unter der Leitung von Jörg Seggelke. Das Orchester überzeugte durch einem warmen, kompakten Orchesterklang (obwohl Projektorchester!).
Gutes Gemeinschaftsgefühl erreicht
Der Jury war dieser Vortrag der zweite Platz in der 3. Kategorie wert. Dirigent Jörg Seggelke meinte: »Wir sind ohne Erwartungen nach Riva angereist, außer dass wir uns so präsentieren möchten, dass wir mit einem guten Gefühl von der Bühne kommen und sagen können, wir haben gespielt, was wir können. Vor allem ging es um den gemeinsamen Moment, die Musik auf der Bühne gestalten und erleben zu können. Erreichen wollten wir ein gutes Gemeinschaftsgefühl, ein spannendes Erlebnis mit Musik und Menschen und andere Orchester zu hören. Und natürlich auch Riva mit seinem tollen Klima und Freizeitwert genießen!«
Für Orchester, die mit dem Gedanken spielen, einmal zum Flicorno d’Oro zu fahren, hat Jörg Seggelke folgende Empfehlungen: »Man sollte sich nicht zu sehr unter Druck setzen: Es geht um die Gemeinschaft und um schöne Musik. Eine wirklich gute Vorbereitung schützt vor zuviel Druck. Einen Wettbewerb vorbereiten heißt vor allem, dass jeder seine eigene Stimme kann. Wenn man den Erfolg sucht, sollte man sich nicht in der Kategorie überschätzen.
Wenn man die Herausforderung sucht und in eine höhere Kategorie geht, muss man seine Musiker auf eine mögliche harte Bewertung vorbereiten. Ich empfehle, viele andere Orchester in allen Kategorien anzuhören! Da kann man viel lernen! Aber man sollte sich bewusst sein, dass es ein internationaler Wettbewerb ist. Das heißt auch, dass alle Musiker an einem Strang ziehen müssen und der Dirigent gewisse Entscheidungen treffen muss. Dafür braucht er die Rückendeckung der Vorstände und Musiker! Und vor allem: genießt das Land und die Menschen und den See!«
Das Junge Blasorchester an der Marienschule Saarbrücken unter der Leitung von Alexander Degel hat sich für den Wettbewerb in Riva etwas ganz Besonderes ausgedacht: Es beauftragte Thomas Doss mit der Komposition »Wings to fly«. Aus Kaufbeuren war das Bezirksorchester des Bezirks 5 im ASM mit seinem Dirigenten Sebastian Schwarz angereist.
Außerdem kam aus dem Allgäu die Jugendkapelle Iller tal/Rottal unter der Leitung von Petra Springer. Ihre Truppe hat aus Riva ein Fest gemacht – allein die Party der Jungs und Mädels bei der Preisverleihung war erfrischend.
Das Projektorchester Mittelbregenzerwald spielte unter der Leitung von Stefan Meusburger in der Superiore. Die Musiker wagten sich an das musikalisch wirklich anspruchsvolle »Il Giudizio Universale«. Das Selbstwahlstück war sehr klug gewählt: »East Coast Pictures« von Nigel Hess. Sehr viel Freude bereitete die Swarovski Musik Wattens unter der Leitung von Stefan Köhle mit »Hymn of the Highlands« dem Publikum. Ganz hervorragend mit Gänsehaut der Satz »Alladale« mit sehr begabten Saxofonisten und mit einer herausragenden Sopransaxofonistin. Die Musiker erspielten sich einen hervorragenden dritten Platz in der Superiore – und das bei dieser Konkurrenz!
Das dritte Orchester des Wettbewerbs aus Österreich spielte in der 1. Kategorie: das Bezirksorchester Gmunden unter der Leitung von Hannes Dobelmair und Yvonne Gschwandtner. Die großartige »Bartok Concert Wind Band« aus Budapest erspielte sich den 2. Platz in der Kategorie Superiore, und das unter erschwerten Bedingungen: Der Dirigent Zoltan Kiss dirigierte mit einem komplett eingegipsten linken Arm und mit einem rechten Mittelfinger in einer Schiene. Von der Jury wurde ihm ein besonderer Preis für seine herausragende Dirigierleistung verliehen.
Die Gewinner
Bemerkenswert schließlich die Gewinner des Flicorno d’Oro 2019: die Banda Unión de Meaño (Pontevedra/Spanien). Haben Sie schon einmal Mühe gehabt, in einem Blasorchesterstück die Tränen zurück- und Ihre Emotionen im Griff zu behalten? Haben Sie bei einem Wettbewerb schon einmal Musiker von der Bühne kommen sehen, denen die Tränen in den Augen standen? Schon das Pflichtstück »Il Giudizio Universale« wurde nahezu perfekt und vor allem sehr emotional gespielt.
Aber was dieses Orchester dann noch mit »El Jardín de Hera« von José Suñer-Oriola abgeliefert hat… Unbeschreiblich. Die Banda Unión de Meaño war das einzige Orchester, das begeisterte Standing Ovations bekam. Es hat damit nicht nur den (fiktiven) Publikumspreis gewonnen, sondern überaus verdient den Gesamtsieg und somit den Flicorno d’Oro 2019 ge wonnen. Was für ein Fest bei der Preisverleihung.
Der nächste Flicorno d’Oro in Riva del Garda findet vom 3. bis 5. April 2020 statt. Die komplette Ergebnisliste gibt es unter www.flicornodoro.it