Die Corona-Pandemie hat die Kulturszene weltweit in eine tiefe Krise gestürzt. Die Schließung von Institutionen und das Verbot von Veranstaltungen fügen der Festivalszene und den beschäftigten Künstlerinnen einen schweren, zum Teil irreparablen Schaden zu. Die Folgen für die kulturellen und kreativ wirtschaftlichen Bereiche sind derzeit für alle Beteiligten in ihrem Ausmaß nicht absehbar. Die von Bund und Ländern eingeleiteten vielfältigen Hilfsmaßnahmen nimmt das FORUM MUSIK FESTIVALS als noch zu wenig koordiniert wahr.
Sie kommen derzeit zu selten bei den Adressaten an. Nachdem Künstlerinnen in existenzielle Not geraten sind, droht nun auch der Veranstalterbranche ein Kahlschlag. Die unterschiedlichen Maßgaben in den einzelnen Bundesländern erschweren zusätzlich die Arbeit sowohl in der aktuellen Krisenbewältigung als auch in der Planung von Maßnahmen für einen Wiedereinstieg in den Veranstaltungsbetrieb.
Das FORUM MUSIK FESTIVAL schlägt daher erstens einen Zukunftssicherungsfonds Musik Festivals vor. Dieser soll kurzfristig von der Bundesbeauftragten für Kultur und Medien gemeinsam mit den Kulturminister*innen der Länder aufgelegt werden.
Zweitens unterbreitet das FORUM MUSIK FESTIVAL konkrete Vorschläge für ein Zweistufenmodell für die Rückkehr zu einem öffentlichen Konzert- und Veranstaltungsbetrieb. Schrittweise kann so der Veranstaltungsbetrieb wieder aufgenommen werden. Zugleich können alle Maßnahmen zum Schutz für Mitwirkende und Publikum an die spezifischen Anforderungen des Bereichs der Musikfestivals angepasst werden. Das FORUM MUSIK FESTIVAL fordert belastbare Kriterien und eine klare Strategie, in welcher Form es nach der Lockerung der bundesweiten Kontaktsperre bzw. der Eindämmungsverordnungen weitergehen soll.
Fonds für wirksame und schnelle Krisenhilfe
Die größten Herausforderungen der gegenwärtigen Krise werden die mittel- und langfristigen Auswirkungen sein. Voraussetzung für ein Überleben der vielfältigen Festivallandschaft sind jedoch auch schnelle wie wirksame, für den Bereich der Festivals passgenaue Maßnahmen zur Soforthilfe. Bereits jetzt zeichnen sich die ersten Verwerfungen in der kommunalen Kulturfinanzierung ab: Zuwendungen werden nach Absage von Festivals zum Teil einbehalten bzw. sollen für die nahe Zukunft zusammengestrichen werden.
Die Soforthilfen sollen für einen Zeitraum von drei Monaten vergeben werden. Darüber hinaus besteht ein erheblicher Handlungsbedarf, um das kulturelle Leben in Deutschland in seiner Vielfalt zu sichern. Ein Großteil der Festivals in diesem Jahr ist bereits ausgefallen, einige wenige Veranstaltungen können eventuell durch Umplanungen oder aufwendige und teure Anpassungen an neue Vorschriften wenigstens teilweise gerettet werden.
Die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien arbeitet bereits mit dem Finanzministerium an einem Strukturfonds. Hinsichtlich der konkreten Ausgestaltung für den Bereich der Musikfestivals sollen die folgenden Punkte Grundlage sein.
Um finanzielle Notlagen der Veranstalter zu vermeiden bzw. im Interesse einer fortgesetzten Arbeitsfähigkeit auszugleichen, sollten die Regelungen der jeweils geltenden Haushaltsordnungen in ihren Ermessensspielräumen ausgeschöpft werden. Eine ergänzende temporäre Modifikation des Zuwendungsrechts zur Bewältigung der Krisensituation sollte u.a. folgende Punkte umfassen:
- Umwandlung der Fehlbetragsfinanzierungen in Festbetragsfinanzierungen
- Kompensierung von krisenbedingt entstehenden Einnahmeausfällen
- temporärer Verzicht beim Verwendungsnachweis auf Einnahmen/Eigenanteile1 der Veranstalter.
Kosten, die nachweisbar, unabdingbar und nachvollziehbar sind, müssen gesichert zuwendungsfähig sein. Im Besonderen gilt dies unabhängig von Trägerschaft und institutioneller Form für:
- Auszahlung von Honoraren für erbrachte Teilleistungen; bis 25 % des vereinbarten Honorars ohne gesonderten Nachweis in Anerkennung, da jedes Konzert einer umfangreichen Vorbereitung bedarf.
- Anteilige Honorierung von bereits erbrachten Leistungen trotz abgesagtem Konzert (Recherche, Notenerstellung, Sonderproben, Proben, besondere Aufwendungen etc.) bis max. 60 % der Gesamthonorarsumme mit gesondertem Nachweis.
- Erstattung von Reisekosten/Übernachtungskosten bei Inklusivhonoraren – mit Nachweis der verbliebenen Stornokosten/Auslagen und dem Nachweis für alle notwendigen Bemühungen, die Aufträge rückabzuwickeln/Aufträge zu stornieren etc.
- Förderunschädliche Zahlung von Ausfallhonoraren ohne realisierte Veranstaltung bis 60 %.
Maßnahmen für eine Zukunftssicherung
Entsprechend dem vom Deutschen Kulturrat geforderten Kulturinfrastrukturfonds, der der gesamten kulturellen Infrastruktur Möglichkeiten zur Fortsetzung der Arbeit unter den Bedingungen der Corona-Pandemie ermöglichen soll, schlägt das FORUM MUSIK FESTIVALS vor, folgende Maßnahmen zu ergreifen:
- eine pauschale Verlängerung der Projekt- und Abrechnungszeiträume bis 31.12.2021
- Ausstehende Bewilligungen von allen im Haushalt vorgesehenen Projektmitteln sollten ohne zeitliche Verzögerung vorgenommen werden – auch wenn Projekte verschoben werden müssen.
- grundsätzliche Anerkennung der Zuwendungsfähigkeit von Alternativprogrammen (Modifikationen der Veranstaltungsformen, Transformationen in den digitalen Raum) einschließlich einer ggf. nachweisbar notwendigen Mittelerhöhung
- Duldung der Nutzung von Spenden für die Zahlung von Ausfallgagen.
Des Weiteren empfiehlt das FORUM MUSIK FESTIVALS, folgende Maßnahmen zu ergreifen, die es den Festivals ermöglichen, ggf. auch ohne zusätzliche Mittel aus dem Nothilfefonds ihre Arbeit fortzusetzen:
- zeitnahe verbindliche Festlegung von Vorgaben z. B. zu Personenbeschränkungen, Abstandsregelungen und Hygienevorschriften für den Veranstaltungsbetrieb
- Definition von Veranstaltungsgrößen und -formaten in ihrer Unterschiedlichkeit unter Berücksichtigung der vorgegebenen Mindestanforderungen der zuständigen Ämter
- anwendbare Verfügungen in Bezug auf Hygieneregelungen
Voraussetzungen für Zuwendungen aus dem Zukunftssicherungsfonds
- Vorhandene Erlöse aus Ticketverkäufen, nicht zweckgebundenen Spenden, Zuschüssen und Sponsoring reichen nicht aus, um die laufenden Kosten zu decken.
- Es wurden nachweislich alle Anstrengungen unternommen, zu einen zugesagte und in Aussicht gestellte Zuwendungen und Spenden zu erhalten, zum anderen Rückabwicklungen von Aufträgen, Stornierungen bestehender Verträge etc. einzuleiten.
- Anträge an bestehende Nothilfefonds der Städte, Länder oder des Bundes wurden gestellt.
- Bei Teams mit über 5 Vollzeitstellen wurde für mindestens 50 % der Belegschaft Kurzarbeit angemeldet. Eine Aufstockung auf 90 % bzw. 95 % des Nettolohns/Honorars bleibt zuwendungsfähig.
Umfang der Förderung
Die Beauftragte des Bundes für Kultur und Medien und die Kulturminister*innen der Länder stellen den Trägern/Organisationsstrukturen der Festivals bis zu 10 % des durchschnittlichen Jahresumsatzes der vergangenen drei Festivaljahrgänge zur Verfügung, maximal bis zu 250.000 Euro. Die Mittel werden unabhängig von bereits bewilligten anderen Mitteln additiv gewährt. Eventuelle Überschüsse werden im Zuge der Nachweisführung in den Zukunftssicherungsfonds zurückgezahlt. Die Antragstellung sollte im jeweiligen Bundesland beim Ministerium für Wissenschaft und Kultur erfolgen.
Zweistufenmodell für die Rückkehr zu einem öffentlichen Konzert- und Veranstaltungsbetrieb
Grundvoraussetzung ist ein diszipliniertes Verhalten von Veranstalterinnen und den verbundenen Dienstleisterinnen, von Künstler*innen und dem Publikum.
FORUM MUSIK FESTIVALS fordert deshalb die Einführung eines Zweistufenmodells zur Durchführung von Veranstaltungen.
Stufe 1: Gesundheits- und Sicherheitskonzept
Stufe 2: Gefährdungsbeurteilung in Bezug auf Künstler*innen und Publikum
Stufe 1: Gesundheits- und Sicherheitskonzept
Gemeinsam mit den zuständigen kommunalen Ordnungsämtern entwickeln die Veranstalter*innen ein Gesundheits- und Sicherheitskonzept.
Als Grundlage dient das Positionspapier des Europäischen Verbands der Veranstaltungs-Centren e. V. für eine schrittweise Wiederinbetriebnahme der Veranstaltungswirtschaft vom 22. April 2020, dem sich das FORUM MUSIK FESTIVALS grundsätzlich anschließt.
Ergänzend sind festivalspezifische Aspekte zu berücksichtigen. Dies betrifft vor allem die Internationalität des Publikums, die Spielstätten in historischen Gebäuden oder den Umgang mit historischen Instrumenten. (Ergänzungen im Detail: s. u.) Im engen Austausch mit den zuständigen Ämtern wird eine Bewertung von 5 (höchste Sicherheitsansprüche erfüllt) bis 1 (nicht mehr genehmigungsfähig) vorgenommen.
Für Kirchen, Sportstätten und Veranstaltungszentren sind außerdem vom Gesetzgeber bzw. den Behörden einheitliche Regelungen zu schaffen in Bezug auf:
- den Umgang mit Personen im selben Hausstand (Belegung von nebeneinanderliegenden Plätzen möglich? Kontrollmechanismen?)
- Abstandsregelungen für Musikerinnen/Sängerinnen/Personal für Bühne und Backstage-Bereich
- zugelassene Größe der Künstlergarderoben, Aufenthaltsräume für Mitarbeiter*innen etc.
- Festlegung von Haftungsfragen
Stufe 2: Gefährdungsbeurteilung in Bezug auf Künstler*innen und Publikum
Ein eintägiges Festival im ländlichen Raum mit hauptsächlich lokalem Publikum bietet ein deutlich niedrigeres Gefährdungspotential als ein mehrwöchiges Festival mit internationalem Publikum mit langer Verweildauer und internationalen Künstler*innen.
Gemeinsam mit den zuständigen Behörden prüft der Veranstalter folgende Parameter anhand einer Gefährdungsmatrix:
- Erwartete Anzahl der teilnehmenden Personen insgesamt (Publikum und Künstler*innen) und pro Einzelveranstaltung
- Erwartete Zusammensetzung Publikum: lokal/regional/national/international
- Erwartete Teilnahme von Personen aus staatlich definierten Risikogebieten
Im engen Austausch mit den zuständigen Behörden wird eine Bewertung von 5 (Gefährdungslage aufgrund der Struktur von Publikum und Künstlern minimal) bis 1 (nicht mehr genehmigungsfähig) vorgenommen.
Um ein Festival durchzuführen, muss die Summe der Bewertungen von Gesundheits-/Sicherheitskonzept und Gefährdungsbeurteilung mindestens 7 ergeben.
Die Durchführung des Zweistufenmodells erfolgt zum frühestmöglichen Zeitpunkt, um eine professionelle Durchführung zu gewährleisten. Wesentliche Änderungen sind vom Veranstalter anzuzeigen. Bei Verschlechterung der Infektionsraten kann die genehmigende Behörde eine Nachbesserung fordern.