Kein typisches „Frauending“ sollte die Talkrunde „Dirigentinnen in der Blasmusik“ werden. Das hatte sich Moderatorin Jutta Mettig im Vorfeld überlegt. Im Rahmen des Internationalen Blasmusik-Kongresses in Neu-Ulm sollte eine Expertenrunde zustandekommen, mit der nicht die üblichen Gender-Fragen besprochen werden sollten oder warum es Frauen am Dirigierpult gibt und vor allem ohne die Frage, was sie am besten anziehen sollen! Das Ziel: Austausch, Dialog und kritische Betrachtung. Kann man die Frage klären, warum man 2020 überhaupt noch über Dirigentinnen in der Blasmusik sprechen muss, als ob es etwas Exotisches wäre? Ist es eigentlich nicht eine Selbstverständlichkeit und die Normalität? Scheinbar eben nicht so ganz…
An der Gesprächsrunde nahmen teil: Petra Springer, Susanne Bader, Isabel González Villar, Evelyn Majewski, Marianne Halder, Isabelle Gschwend und Irene Anda.
Was ist für euch der schönste Augenblick als Dirigentin?
Susanne Bader: „Wenn die Zuhörer die Spielfreude, das positive Miteinander, die Motivation und die Sympathie füreinander in der Musik hören und bemerken – das sind wunderbare Augenblicke.“
Petra Springer: „Der Blick in freudestrahlende, lichterloh glühende Gesichter meiner Musikerinnen und Musiker nach einem gelungenen Auftritt oder auch nur in der Probe nach der Bewältigung einer kritischen Stelle.“

Petra Springer dirigiert die Stadtkapelle Bad Wurzach und leitet dort seit 2019 die Städtische Musikschule sowie die dazugehörigen Jugendorchester.
Evelyn Majewski: „Die schönsten Augenblicke für mich als Dirigentin sind Gänsehautmomente mit meinen Orchestern. Dabei spielt es überhaupt keine Rolle, ob es in der Probe oder in einem Konzert passiert, allerdings ist es am schönsten, wenn der Gänsehautmoment nicht nur bei mir oder den Musikern auftritt, sondern auch das Publikum mitnimmt und bewegt. Wenn die Musik Menschen berührt und dabei auch noch gut gespielt wird, sind das für mich die schönsten Momente.
Gelungene Darbietungen
Ebenfalls zu meinen schönsten Augenblicken gehören gelungene Darbietungen beim Konzert, die das Publikum mit spürbar begeistertem Applaus honoriert. Einmal gab es bei einem Konzert vom Publikum Standing Ovations und als ich das Orchester nach dem Stück aufstehen ließ, sah ich bei einem Klarinettisten in der ersten Reihe Tränen in den Augen. Ihn hatte die Musik und unsere Darbietung sichtlich berührt, und das ist dann einer dieser unvergesslichen Momente, die man erlebt.“
Marianne Halder: „Im Konzert ans Pult zu gehen, in die Augen der gespannten und erwartungsvollen Musiker zu schauen, die Atmosphäre zu spüren: jetzt leisten wir das, was wir erarbeitet haben und machen das, wofür wir all die Probenstrapazen auf uns nehmen – tolle Musik in einem tollen Konzert!“
Isabel González: „Ich glaube, dass es diese besonderen Augenblicke sind, wenn man gemeinsam die Musik fühlt. Sie einem sagt, ich bin bei dir und mit dir und die Musiker einem spiegeln: ›Ich fühle die Musik, die du mir zeigst.‹ Wenn ich dies dann in ihren Augen sehe und in der Art wie sie musizieren, dann fühle ich, dass mich die Musik umarmt.“
Welchen Herausforderungen steht man als Dirigentin heute im Blasorchester/beim Verein gegenüber?
Marianne Halder: „Die Gesellschaft hat sich verändert: sie hat eigentlich keine Zeit mehr, sie hat alle Möglichkeiten sich abzulenken, sie will Spaß haben, sie darf, sie muss nicht (…in die Probe), wenn sie nicht will. Letzteres aber geht nicht, wenn man wirklich gute Musik machen will. Und das ist der Spagat, den wir als professionelle Dirigentinnen machen müssen: unsere Ansprüche, um bestmögliche musikalische Qualität mit denen genannter Gesellschaft zu kombinieren.“

Marianne Halder studierte Blasorchesterdirektion bei Prof. Felix Hauswirth in Basel. 1993 wurde sie Stadtkapellmeisterin in Meßkirch. Von 1995 bis 2002 war sie Städtische Musikdirektorin in Albstadt, von 2010 bis 2020 Dirigentin der Stadtkapelle Meersburg.
Dem pflichtet Susanne Bader kopfnickend bei: „Die Angebote an Freizeitbeschäftigung sind immens, der Musikverein muss etwas ›zu bieten‹ haben und die Jugendlichen wollen ›das Besondere‹. Und auch die Zuhörer wollen begeistert werden durch immer neue Ideen, Crossover-Projekte und spezielle Themenkonzerte. Es reicht nicht mehr, schöne, gut gespielte Musik zu präsentieren. Und auch der Anspruch an uns als Dirigenten ist größer geworden. Wir müssen Motivator, Ideengeber, Pädagoge, Psychologe und Projektmanager sein.“
Die richtige Balance sei hier gefragt, ergänzt Petra Springer: »Die Balance bei der Auswahl der Musikstücke und beim Umgang mit meinen Musikern. Die Balance mit den Vorständen, die eigene Balance finden – für etwas brennen, aber nicht ausbrennen. Und bitte nicht zu vergessen: Nachwuchsgewinnung, Probenbeteiligung, Umgang mit ›schwierigen‹ Musikern. Jedoch sehe ich das als Aufforderung, das Problem anzupacken, und nicht als Herausforderung“, fügt sie noch lachend hinzu.
Balance ist wichtig
Evelyn Majewski fügt ihre Sichtweise hinzu: „Generell als Dirigent – ob m/w/d ist dabei egal – muss man sich heutzutage der Herausforderung stellen, dass unsere Gesellschaft immer kurzlebiger wird und man oftmals eine Zusammenarbeit schneller beendet als noch vor 20 oder 30 Jahren. Das kann in meinen Augen allerdings auch etwas Positives bedeuten, da man dadurch als Dirigentin deutlich mehr Orchester kennenlernt und sich auch häufig der Situation stellen muss, vor einem unbekannten Orchester zu stehen und sich rasch auf die Musiker und die Anforderungen des Vereins einzustellen.
Besonders als weibliche Dirigentin erlebe ich es leider immer noch recht häufig, dass manche konservativ eingestellten Menschen es befremdlich finden, eine Frau am Dirigentenpult stehen zu sehen. So erlebe ich es leider noch recht häufig, dass bei Auftritten oder Ähnlichem besonders herausgestellt wird, dass ich eine Frau bin. Mir persönlich missfällt diese Herausstellung abseits der eigentlichen Leistung, unabhängig ob es nun positiv oder negativ gemeint ist.“
Isabel González sieht das auch mit einem eher selbstkritischen Blick auf die Dirigentinnen: „Jeder hat hier natürlich andere Erfahrungen gesammelt. Ich finde jedoch, dass wir Frauen uns manchmal zu viel infrage stellen, wir überlegen zu lange und genau das kann dann schnell umschlagen und man stellt uns damit infrage. Vielleicht müssen wir am Anfang einfach mehr Selbstbewusstsein und auch Selbstvertrauen zeigen. Zeigen, dass wir die Kraft, den Mut und den Charakter haben, ein – auch großes – Orchester leiten zu können. Wenn man das geschafft hat, finde ich, dass wir die gleichen Herausforderungen haben wie die männlichen Dirigenten.“
Ist es ein typisches „Frauending“, eher die Jugendorchester zu dirigieren? Ist der Weg nach oben immer noch verschlossen?
Petra Springer: „Kinder- und Jugendorchester brauchen nicht irgendwelche Dirigenten oder Dirigentinnen – sie brauchen die Allerbesten! In diesem Zusammenhang benutze ich gerne ein Zitat von Walt Disney: ›Für die Kleinsten nur die allerbesten Zeichner.‹ Er wurde mit dieser Idee einer der erfolgreichsten Filmproduzenten. Ich habe sehr lange ein Jugendorchester dirigiert – mit großer Leidenschaft! Die ›pädagogische Arbeit‹ ist intensiver als bei Erwachsenen. Ansonsten gelten aber die gleichen Prinzipien wie bei Erwachsenenorchestern.“
Isabel González ergänzt: „Die Arbeit in einem Jugendorchester ist sehr wichtig, da helfen gute und gut ausgebildete Dirigenten am meisten. Allerdings finde ich nicht, dass das ein Frauending sein soll! Ich glaube, es kommt darauf an, auf was Wert gelegt wird. Traditionell haben Frauen auch das Thema Familienplanung auf dem Schirm, deshalb sieht man vielleicht nicht so häufig Dirigentinnen vor einem Höchstufenorchester. Es gibt viele, die dieses Talent und die Ausbildung dazu haben, es kommt aber auch darauf an, ob man eben unbedingt auch Höchststufenorchester dirigieren möchte oder seine Prioritäten woanders liegen hat.“

Isabel González Villar ist Flötistin und Dirigentin des Musikvereins Östringen, der Stadtkapelle Bad Rappenau und des Jugendorchesters Bad Friedrichshall sowie musikalische Leiterin des Kammerorchesters Medea.
Jugendorchester als Entwicklungsschritt
Susanne Bader hat ihre klare Meinung dazu: „Jeder Dirigierstudierende sollte den Weg über die Jugendorchester als Entwicklungsschritt nehmen. Wenn die Leistung stimmt, steht uns Dirigentinnen der Weg nach oben inzwischen zum Glück genauso offen wie den männlichen Kollegen auch. Was sicher noch vor wenigen Jahren anders war.“
Hier pflichtet Marianne Halder bei: „Ich glaube nicht, dass der Weg verschlossen ist wie zu meiner Ausbildungszeit – vielleicht aber war er das ja gar nie, vielleicht haben wir früher einfach nicht genug darum gekämpft. Irgendwann hat alles seinen Anfang. Wir mussten damals und müssen bis heute Qualität liefern, um in den oberen Orchestern anzukommen. Ich wurde 1995 zur hauptamtlichen Städtischen Musikdirektorin in Albstadt ernannt – soweit ich weiß, war ich die erste Frau in Deutschland überhaupt auf solch einer Position. Dennoch war ich nicht die erste Blasorchesterdirigentin!“
Auch Evelyn Majewski empfindet das so: „Ich denke, es liegt durchaus und evolutionär bedingt in der Natur der Frau, dass sie sich vermehrt um Kinder kümmert. Das gilt natürlich nicht stereotyp für alle Frauen. Viele Frauen finden in der Ausbildung der Jugend ihre Erfüllung, zumal dies meiner Meinung nach der wichtigste Teil der musikalischen Stufe ist. Denn: ohne Nachwuchs keine Musikvereine, keine Profis, keine weiteren Lehrer usw. Bezüglich des weiteren Weges nach oben denke ich nicht, dass er tatsächlich verschlossen ist, aber für Frauen in der heutigen Zeit immer noch schwieriger. Wie auch schon in der Talkrunde herausgefiltert wurde, müssen Frauen derzeit doch immer noch mehr leisten als ihre männlichen Kollegen, um dasselbe zu erreichen.“
Was macht für Dich eine gute Dirigentin aus?
Isabel Gonzalez meldet sich als erste: „Das sind für mich vor allem gute Vorbereitung, Ehrlichkeit, Persönlichkeit und Vertrauen an das Orchester und an sich selbst.“
Susanne Bader ergänzt: „Fachlich sehr gut, menschlich offen, fähig sein, Gefühle zu zeigen, emphatisch und verständnisvoll zugleich.“ Ganz pragmatisch kommt es von Petra Springer: „Ganz simpel auf zwei Punkte konzentriert: Kompetenz und Leidenschaft.“ Marianne Halder betont dazu noch: „Die Weiblichkeit darf auf gar keinen Fall im Vordergrund stehen (so geschehen bei Kolleginnen, die ich von früher her kenne). Sie darf Beiwerk sein. Qualität und Professionalität müssen wir genauso abliefern wie unsere männlichen Kollegen.“
Und Evelyn Majewski ergänzt noch: „Ein guter Dirigent / eine gute Dirigentin ist für mich zunächst einmal fachlich qualifiziert; das heißt konkret: gutes Partiturstudium und damit verbunden eine ausgeprägte Klangvorstellung des Werkes und ein klares Dirigat, das die Partitur abbildet. Zur fachlichen Qualifizierung zählen für mich auch unter anderem Wissen in Tonsatz und Harmonielehre. Zusätzlich zur fachlichen Qualifikation ist meiner Meinung nach die Persönlichkeit des Dirigenten ebenfalls sehr entscheidend.
Viele verschiedene Facetten
Da es sehr viele verschiedene Emotionen und Charaktere in den Musikstücken gibt, soll man diese Facetten als guter Dirigent auch wiedergeben und ausdrücken können. Zur Persönlichkeit zählt für mich auch, dass man als Dirigent viele verschiedene Funktionen einnehmen können muss, wie die eines Vermittlers oder Therapeuten. Da man als Dirigent mit vielen unterschiedlichen Menschen im Orchester zusammenarbeitet, ist es wichtig, ein offenes Ohr für die Probleme der Musiker zu haben und im Laienbereich Verständnis dafür zu haben, dass die Menschen im Orchester auf freiwilliger Basis in der eigenen Freizeit musizieren. Gerade in der Zusammenarbeit mit vielen Menschen halte ich Humor für einen wichtigen Faktor und Vorteil. Auch sich selbst als Dirigent nicht immer ernst zu nehmen, kann viele Situationen erleichtern.“

Evelyn Majewski studierte in Mannheim Blasorchesterleitung. Sie ist als aktive Dirigentin in verschiedenen Oberstufen-
orchestern tätig.
Wenn ihr zurück denkt an das Studium oder auch aus der heutigen Sicht, was ist heute anders an den Hochschulen?
Susanne Bader bemerkt lachend: „Eine Frau, die Posaune, Tuba oder Dirigieren studiert ist nicht mehr so ein Exot wie ich es das damals noch war.“ Marinne Halder: „Meine Studienzeit liegt schon sehr lange und weit zurück; insofern bin ich aktuell nicht unbedingt im Bilde um die Vor- oder Nachteile eines Diploms oder eines Bachelor-/Masterabschlusses. In Bezug auf die Blasorchesterausbildung muss man heutzutage aber nicht mehr unbedingt ins Ausland; es sei denn man bevorzugt einen ganz bestimmten Professor / Hochschule. Ich selbst würde sofort wieder bei Felix Hauswirth studieren, denn ich halte ihn bis heute für einen der allerbesten auf diesem Gebiet; Voraussetzung wäre allerdings, dass ich fürs/als praktische/s Studium ein Probeorchester zur Verfügung habe. Das habe ich damals schon sehr vermisst.
Auch Petra Springer ergänzt: „Als ich Blasorchesterleitung studieren wollte, gab es das in Deutschland noch gar nicht. Wir mussten nach Österreich oder in die Schweiz. Hier hat sich in Deutschland sehr viel zum Positiven verändert.“
Nun wende ich mich an Evelyn und Isabel, die beide erst vor kurzem den Abschluss gemacht haben oder aktuell noch studieren. Wie seht ihr das aus der Gegenwartsperspektive?
Evelyn Majewski: „Nun, obwohl ich erst letztes Jahr meine Abschlussprüfung gemacht habe, habe ich die Veränderungen schon hautnah mitbekommen. Als ich 2015 mit dem Studium in Mannheim begonnen habe, gab es noch keine Professur für Blasorchesterleitung. Dies hat sich im Laufe meiner Zeit an der Musikhochschule Mannheim geändert und der Studiengang wurde enorm ausgebaut. Eben diese Entwicklung habt mich sehr in meiner Entscheidung, Dirigentin zu werden, bestärkt.“
Isabel Gonzalez: „Aktuell studiere ich noch auf meinen Master in Mannheim weiter und der Studiengang hat mehr Struktur bekommen, was ich sehr wichtig finde und zu Beginn etwas vermisst habe. Gerne hätte ich auch in Spanien Blasorchesterleitung studiert, jedoch wird das dort überhaupt nicht angeboten. In meiner Heimat gibt es die größte Anzahl an professionellen Blasorchestern in Europa, jedoch keinen eigenen Studiengang – nur das Angebot in der klassischen Ausbildung. Deswegen bin ich u.a. nach Deutschland gekommen.“
Was muss sich in der Ausbildung zur Dirigentin ändern? Was vermisst ihr?
Evelyn Majewski meldet sich direkt: „In der allgemeinen Ausbildung zum Dirigenten habe ich oft die intensivere Behandlung mancher Themen vermisst, wie zum Beispiel der Umgang mit den Menschen innerhalb des Orchesters, die Anwendung und Verbesserung der Intonation eines Orchesters oder auch eine Übersicht und Anleitung für die vielen Verwaltungstätigkeiten eines Dirigenten, die mit der Probenarbeit an sich nichts zu tun haben. Ebenfalls ist ein wichtiger Punkt das Zusammenstellen eines guten Konzertprogramms ein sehr schwieriges Thema, das man aber kaum lehren kann, sondern sich durch eigene Erfahrungen aneignen muss.“
Petra Springer fügt ergänzend hinzu: „Was in meinen Augen jedoch immer unterschätzt wird, ist die Persönlichkeitsbildung , das Selbstmanagement und die Vorbereitung des Dirigenten auf Führungs- und Leitungsaufgaben. Sonst ist die Ausbildung denke ich auf einem hohen Niveau.“
Und auch Isabel Gonzalez stimmt dem zu: „Selbstmarketing, und Media. Schön fände ich es auch, wenn es mehr Praktikumsstellen geben würde in der professionellen Blasmusik sowie auch in Oberstufen und Höchststufenorchestern im Laien-Bereich.“
An die Blasmusikverbände gerichtet – gibt es Wünsche, um die Position der Dirigentin in der Blasmusik zu stärken?
Marianne Halder, die bereits in den frühen Neunzigern für den Blasmusikverband als Dirigentin tätig war meldet sich: „Ich behaupte, wir Dirigentinnen sind inzwischen etabliert. Was auch immer dazu führt, dass bei gleicher Qualität der Mann-Dirigent bevorzugt wird, werden wir ohnehin nie erfahren. Und da kann auch ein Verband Nichts machen.“ Petra Springer pflichtet ihr bei und fügt hinzu: „Hier in Oberschwaben gibt es bereits einige Dirigentinnen. Ich bin da guter Dinge, dass es immer mehr werden.“
Evelyn Majewski ergänzt: „Mein Wunsch wäre es, dass die Gleichstellung der Leistung besser ausgebaut und verinnerlicht wird. So würde beispielsweise die in diesen Zusammenhang der Gleichstellung oft genannte Einführung einer Frauenquote eher hinderlich sein, da hier auf das Geschlecht und weniger auf die Leistung Bezug genommen wird. Ich möchte in meiner Funktion als Dirigentin nicht als Frau gesehen werden, sondern als neutrales Medium, das der Musik dient.“
Isabel Gonzalez: „Vielleicht könnte man ein modernes Netzwerk mit Dirigentinnen und Komponistinnen gründen, denn ich glaube wir haben viele sehr Kolleginnen, mit denen ich gerne in Kontakt treten würde zum gemeinsamen Austausch oder auch der Zusammenarbeit. Jedoch muss ich diese erst einmal finden – daher wäre eine Netzwerkplattform ideal. Und Bundesweite Aktionstage fände ich großartig, beispielsweise gekoppelt mit dem internationalen Frauentag – in anderen Ländern gibt es das bereits. Damit zeigen wir auch, dass wir ein wichtiger Bestandteil der Blasmusikszene sind.“
Die Dirigentenausbildung ist ja an sich neutral zu sehen und vereint sowohl die Attribute des maskulinen wie auch des femininen. Was fällt Euch leichter zu lernen und umzusetzen?
Evelyn Majewski: „Mir persönlich fällt es meistens leichter eher ruhige und empfindsame Musik, also sprich feminine Attribute, umzusetzen. Aber natürlich habe ich auch die maskulinen in mir. Zu Beginn meiner Karriere als Dirigentin fiel es mir allerdings noch schwer, auf die maskuline Seite in mir zuzugreifen. Inzwischen habe ich das gelernt und habe keine Hemmungen, aggressiv oder männlich zu dirigieren, wenn die Musik ein solches Dirigat erfordert.“
Petra Springer fügt hinzu: „Ich bin ein absolut melodiöser Mensch und sehe die Musik gerne als ‚Ganzes‘. Penibel an einzelnen Noten zu arbeiten ermüdet mich (und auch meine Musiker) sehr schnell. Hier hilft mir, dass ich mittlerweile eine Stelle auch „unfertig“ stehen lassen kann. Manchmal löst sie sich von selbst. Ansonsten trifft man sich in der nächsten Probe ein paar Minuten früher.“
Susanne Bader erzählt: „Gefühle in Musik umzusetzen, ausdrucksstark zu dirigieren, Stimmungen zu generieren und dabei aber auch die Ohren überall zu haben. Das fällt mir leicht.“

Susanne Bader unterrichtet an der Musikschule Bretten. Sie leitet im Dirigententeam das Sinfonische Jugendblasorchester Karlsruhe. Dazu ist sie musikalische Leiterin des Musikvereins Oßweil Stadtkapelle Ludwigsburg.
Isabel Gonzalez ergänzt: „Ich finde, dass die leichten Bewegungen und die luftigen Klänge uns, oder mindestens mir (und manchen Kolleginnen), persönlich besser liegen. Aber vor allem sollten wir einfach keine Angst haben, kritisiert zu werden. Perfekt sein zu wollen ist ein hoher Anspruch, den ich auch immer wieder versuche zu erreichen, es aber auch immer beim Versuch bleibt. Ich kann mich aber stetig verbessern.“
Marianne Halder schließt diese Frage mit einer für mich wunderbaren Aussage ab: „Die Musik selbst sagt uns was wir zu tun haben, das hat mit dem Geschlecht nichts zu tun.“
Warum gibt es nur so wenige Komponistinnen oder Arrangeurinnen in der Blasmusik? Ist das immer noch eine Männerdomäne oder trauen sich die Frauen einfach nicht? Bei dieser Frage kommen die beiden Komponistinnen und Arrangeurinnen zu Wort.
Marianne Halder: „Mit dem Komponieren, Arrangieren ist es für mich so wie mit dem Dirigenten-Sein: man muss es wollen, können und müssen. Komponieren oder wenigstens Arrangieren ist eines der Geschenke, die wir auf diese Welt mitbekommen. Beides ist eine zeitaufwendige Sache und erfolgt nicht einfach so „nebenher“. Was mich betrifft, so habe ich mich Zeit meines Musikerinnendaseins auch nie von meinen Instrumenten, der Klarinette und dem Gesang ganz losgelöst.
Deshalb habe ich mich dem Komponieren oder zumindest Arrangieren nie intensiver gewidmet. Dennoch bin ich froh und dankbar über meine bisherigen Werke und Arrangements (Pie Jesu/Lloyd Webber, Gladiator/Zimmer, Intermezzo Sinfonico/Leoncavallo, das Posaunenkonzert von Erich Reiche im Rahmen meiner Diplom-Prüfung; Weihnachtslieder aus aller Welt für Blasorchester eingerichtet; aber auch Unterhaltsames und Spontanes wie That’s a Plenty – Christmas Version; Wir lieben den Bodensee u.a.m. Und für mein bescheidenes Dasein als Konzertklarinettistin sind es Arrangements u.a. von Klezmer-Musik für Klarinette und Orgel)“
Evelyn Majweski sieht es für sich persönlich so: „Ich denke das liegt hauptsächlich in der Natur der geschichtlichen Entwicklung des Blasorchesters. Erst sehr spät wurden die Blasorchester von ihrem Militärcharakter entkoppelt und für weibliche Musikerinnen geöffnet. Dementsprechend war Blasmusik lange Zeit Männersache. Die Entwicklung zur Emanzipation – ob am Dirigentenpult oder am Schreibtisch – verläuft nur langsam. Ein weiterer Aspekt könnte auch sein, dass Frauen meist eher selbstkritisch sind. Vielleicht gibt es ja diverse Kompositionen von Frauen, die in Schubladen verschwunden sind? Ich persönlich komponiere selbst sehr gerne und hoffe sehr, demnächst von einem Verlag veröffentlicht zu werden.“
Was ratet ihr einer jungen Frau, die sich für den Beruf der Dirigentin interessiert, oder jemandem, der aus dem Studium kommt?
Susanne Bader, die viele Schüler in ihrer instrumentalpädagogischen Tätigkeit begleitet hat, erläutert: „Meinen Schülern, die sich für eine musikalische Laufbahn entschieden haben, egal ob männlich oder weiblich, habe ich immer geraten, sich breit, aber trotzdem sehr fundiert aufzustellen. Ein Dirigent mit hervorragenden Leistungen am Instrument profitiert davon in seiner Arbeit ähnlich wie der Instrumentalist, der dazu noch eine gute Dirigierausbildung genossen hat. Dazu zeigt sich gerade in diesen aktuell so schwierigen Zeiten, wie wichtig es ist, nicht nur ein Standbein zu haben.“
Isabel González fügt an: „Denke selbst, lerne alles was du kannst und genieße den Prozess.“
Petra Springer: „Learning by doing – nur Mut. Je steiniger der Weg, umso mehr kann man lernen.
Marianne Halder: „Sie soll es dann machen, wenn sie das Gefühl hat: ich kann es, ich will es, ich muss es tun.“
Evelyn Majewski schließt diese Frage ab mit: „Viel zu lernen, hart zu studieren und alles zu geben, um den Traum vom Dirigieren zu verwirklichen. Und vor allem: sich niemals einreden zu lassen, dass man es nicht kann – vor allem nicht von konservativen Menschen.“

Moderatorin Jutta Mettig ist Trainerin, Dozentin und Business Coach sowie seit März 2020 kommissarische Vorsitzende der Landesmusikjugend Rheinland-Pfalz. Als Trainerin und Business Coach begleitet sie Menschen, Unternehmen und Vereine dabei, ihr volles Potenzial zu entfalten.