Brass | Von Kristin Thielemann

Helmut Fuchs mit neuen Werken für Trompete und Klavier

Helmut Fuchs

Es ist Hochsommer. Die heiße Augustsonne lacht vom Himmel, als ich mit meinem Auto bei Bad Reichenhall über die österreichische Grenze in Richtung Salzburg fahre, um dem Trompeter Helmut Fuchs und der Pianistin Lilly Zhang-Sowa bei ihrer neusten CD-Aufnahme zuzuhören. 

Gerade habe ich eine Woche als Dozentin für Trompete auf der Rekkenze Brassweek in Oberfranken hinter mir, habe unterrichtet, Konzerte gespielt und Vorträge gehalten – einen davon über den Trompeter und Komponisten Oskar Böhme (1870 bis 1938), welchem das Duo Fuchs und Zhang-Sowa ihre letzte CD gewidmet hatte. Im Rahmen dieses Vortrags hatte ich nicht nur das Buch »Der Trompeter von St. Petersburg« des SPIEGEL-Korrespondenten und Russland-Experten Christian Neef vorgestellt, sondern auch das charmante Video gezeigt, in dem Helmut Fuchs und Lilly Zhang-Sowa über ihr CD-Projekt zu Oskar Böhme sprechen. 

Helmut Fuchs

Die neue CD von Helmut Fuchs und Lilly Zhang-Sowa soll »erstanden« heißen. »Musst die Sachen echt mal hören! Sehr coole Musi! Die Fantasie über den Osterchoral hat Jakob Gruchmann für uns komponiert.«, leuchtet in meinem WhatsApp-Chat mit Helmut Fuchs auf. Zunächst einmal kann ich mir nichts darunter vorstellen. »Christ ist erstanden«, Osternacht – das weiß ich wohl. Aber es ist Hochsommer, lieber Helmut, und Ostern ist ganz weit weg für mich. Zudem bin ich nur wenig begeistert, weil Neue Musik für die Trompete nicht unbedingt ein Ohrenschmaus sein muss. Auch von der Idee, eine Französische Suite von Altmeister Johann Sebastian Bach für Piccolotrompete zu arrangieren, bin ich noch nicht wirklich angetan, obwohl ich mir vorstellen kann, wie viel Spaß es macht, dieses unfassbar schöne Werk, was im Original für Cembalo oder Clavichord geschrieben ist, auf der Trompete zu spielen. Vielleicht kann ich eine Kopie der Noten von Helmut bekommen, denke ich. 

Kraftvoller Klang der Trompete

Ich beschließe aus meinem Abstecher nach Salzburg nur einen Kurzbesuch werden zu lassen und treffe Harald Sowa, Trompetenlehrer und Komponist vor dem Kultursaal Odeïon, einem Komplex der Waldorfschule, in dem diese Aufnahme stattfindet. Gemeinsam sitzen wir im verwaisten Saal und lesen die Noten mit, aus denen Lilly und Helmut auf der Bühne musizieren. An Lillys Spiel fasziniert mich immer wieder, wie brillant die Töne perlen, wie sie mit den vielen verschiedenen Farben des Flügels spielt und wie gekonnt und differenziert sie begleitet. Bei Helmut schmelze ich jedes Mal dahin, wenn ich den kraftvollen Klang seiner Trompete höre und seine Kraft erlebe, von der er scheinbar unendlich viel besitzt. Ganz klar: Er ist einer der ganz großen Solo-Trompeter der Orchesterszene.

Auch wenn auf der Bühne unendlich hart gearbeitet wird, um die Schönheit der Musik in ihren kleinsten Details aufzunehmen, wenn Stellen noch und nöcher wiederholt werden, kommen Harald Sowa und ich hier auf den schön gepolsterten Stühlen des Odeions ins Genießen. 

Helmut Fuchs hat nicht nur musikalisch etwas zu sagen

Mittag geht es in ein nahegelegenes Einkaufszentrum. Die Stimmung ist gelöst, Helmut Fuchs und Lilly Zhang-Sowa haben sich nicht nur musikalisch etwas zu sagen. Die ganze Szenerie mutet wie ein Ausflug mit Freunden an, die gerade dabei sind, neue Pläne zu schmieden. Es wird gelacht und gerangelt, Cola schwappt auf den Tisch. Tempi und Übergänge werden diskutiert, die Flügelstimmung und die neuesten Trompeten. Auch Oskar Böhme ist wieder ein Thema. Dieser Mensch, der Menschen mit seiner Musik die Tränen in die Augen treiben kann und man muss wirklich schwer schlucken, wenn man von seiner Hinrichtung 1938 in Orenburg liest. Dies ist erst kürzlich durch die Freigabe von Akten der Orenburger Behörden publik geworden. 

Helmut Fuchs

Während wir unsere Pizza essen, schwärmt Helmut Fuchs vom Ahlgrimm’schen Trompetenkonzert in den ebenso höchsten Tönen wie von dem Concertino des 1810 in Königsberg geborenen Komponisten Otto Nicolai. Fuchs, der Solo-Trompeter der Staatskapelle Dresden, sammelt Manuskripte und Ausgaben vergriffener Werke, die er wieder zum Leben erwecken möchte. Wie etwas neu entstehen kann, ist sein Thema. Dabei spielt es für den Ausnahmetrompeter keine Rolle, ob es nun eine völlig neue Komposition ist, wie bei »erstanden« von Jakob Gruchmann oder eine Wiederentdeckung, die über viele Jahre im Dornröschenschlaf gelegen hat, oder sogar verschollen war.

Apropos verschollen. Kurz vor Weihnachten 2022 wartete Helmut Fuchs mit einer großen Überraschung auf: Eine Kiste mit bis dato unbekannten Kompositionen von Oskar Böhme war wieder aufgetaucht. Ein Verwandter Oskar Böhmes hatte sie bei seinen Nachfahren mit dem Vermerk »Wichtige Dokumente!« eingelagert. Diese Kiste des in der Zwischenzeit verstorbenen Nachfahren wurde von ihrem neuen Besitzer geöffnet, nachdem dieser die ersten Seiten von »Der Trompeter von St. Petersburg« gelesen hatte und im Geiste die Zusammenhänge zu den Handschriften in dieser Kiste herstellte. 

Atmosphäre

Ob das Duo Helmut Fuchs und ­Lilly Zhang-Sowa die Gelegenheit bekommen wird, auch diese Werke aufzunehmen und der Öffentlichkeit zu präsentieren? Man darf gespannt sein. Genießen Sie doch auch in der Zwischenzeit zunächst einmal den Tonträger “erstanden – Werke für Trompete und Klavier”, auf dem auch Sie garantiert die Atmosphäre der wunderbaren Augusttage des Sommers 2022 hören werden.