Orchestra, Schwerpunktthema | Von Stefan Fritzen

Hierarchie in der Musik: Zwischen Konkurrenz und Freude am Musizieren

Das Thema Hierarchie wird allgemein unterschiedlich bewertet. Viele Musiker lehnen Unterstellungsverhältnisse generell ab, meinen sie doch, sie hätten, wie jeder Mitspieler oder Dirigent, auch Musik studiert und könnten dadurch alles sinnerfüllt interpretieren. Andere Musiker vertreten gut begründet die Ansicht, die Musik böte so viele Interpretationsansätze, dass – um sämtliche Meinungen und Überzeugungen zu koordinieren – eine orchestrale Hierarchie vonnöten sei. 

Was bedeutet Hierarchie eigentlich?

Bevor ich auf künstlerische Fragestellungen näher eingehe, möchte ich den Begriff »Hierarchie« aus dem allgemeinen Sprachgebrauch heraus erläutern. Im Duden liest man zu diesem Begriff: 1. Pyramidenförmige Rangfolge, Rangordnung. 2. Gesamtheit der in einer Rangfolge Stehenden.

Folgende ergänzende Synonyme gibt der Duden dem Leser noch an die Hand: Rangfolge, Rangordnung, Stufenleiter, Stufenordnung; Hühnerhofpsychologie (aus der Verhaltensforschung stammend), Hack­abstand und Hackordnung.

Etymologie des Begriffs

Das Wort »Hierarchie« stammt aus dem Griechischen »hieros (heilig)« und »archē (Führung, Herrschaft)«. Ursprünglich bezog sich der Begriff nur auf die Religion und bezeichnete die Zugehörigkeit zu den verschiedenen Priesterrängen. 

Die Priester waren in 24 sogenannte Klassen eingeteilt, die für unterschiedliche Dienste verantwortlich waren. Es galt jedoch bei der Klassifizierung bereits im 6. Jahrhundert nach Christus noch eine demokratische Auswahl in die jeweiligen Klassen, da die Priester durch Losentscheid in die jeweilige Kate­gorie aufgenommen wurden. 

Hierarchie und Gesellschaft

Hierarchie strukturiert pyramidal oder stufenmäßig generell die Regularien im Zusammenleben einer Gesellschaft. Sie soll jedem Einzelnen seine Rolle zuweisen, den Aufstieg oder Abstieg begründen oder vornehmen und für innergesellschaftlichen Frieden sorgen. 

Sie schafft Überordnung und Unterordnung beziehungsweise Herrschaft und Unterwerfung und sichert dadurch eine bestehende Herrschaftsform unabhängig davon, ob es sich um eine Diktatur oder eine parlamentarische Demokratie handelt. 

In einer hierarchischen ­Ordnung muss man immer auch zwischen Entscheidungsmacht und Kompetenz (Sachverstand) unterscheiden. Letztere ist Voraussetzung für erstere. Oft erleben wir es auch in der Musik anders.

Leider wird mit der hierarchischen Klassi­fizierung immer auch eine Wertigkeit impliziert, obwohl diese weder durch die Position noch durch die Kompetenz begründet wäre. Eine wertende Rangordnung widerspricht meiner Ansicht nach jedoch unserem christlichen Weltbild von der Gleichwertigkeit eines jeden Menschen – unabhängig von seiner Position in der Gesellschaft.

Die Urform hierarchischer Verhältnisse finden wir bereits in den Urgesellschaften, in denen entweder das Matriarchat herrschte, in denen die Frau und Mutter den höchsten gesellschaftlichen Rang einnahm oder im Patriarchat, in dem das Vaterrecht oder die Männerherrschaft galt.

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