Ein Jahr Corona. Und immer noch kein „Normalzustand“ in Sicht – keine Proben wie vor Corona, keine Blasorchesterkonzerte, wie wir sie kannten. Das soziale Leben ist immer noch eingeschränkt. Ein Jahr, in dem sich viele Musikvereine immer wieder aufgerappelt haben. Und viele wurden wunderbar kreativ.
Dafür mussten sie die bekannten Wege verlassen, sich vom Gedanken verabschieden, dass nur Proben in vollzähliger Besetzung im angestammten Probenlokal das zurzeit angestrebte Ziel sind. Und auch für den so wichtigen geselligen Teil lassen sich Alternativen finden!
Viele Musikvereine haben erkannt, dass es momentan vor allen Dingen auf eines ankommt: die Gemeinschaft zu stärken und den Laden zusammenzuhalten. (Lesen Sie hierzu auch den Beitrag über die Umfrage der BMCO.) Neben dem gemeinsamen Musizieren, dem Spaß an der Musik, der Liebe zum Repertoire und zu den Konzerten ist uns in den Musikvereinen auch die Gemeinschaft, die Kameradschaft und Geselligkeit wichtig. Eine Erkenntnis, die uns hilft, die Zeit bis zum „Normalzustand“ zu überstehen – und als Verein zu überleben.
Mut, Neugierde, Motivation
Dieser Beitrag soll Mut machen. Er soll Neugierde wecken und all jene motivieren, die auf der Suche nach Ideen für die Stärkung von Gemeinschaft und Geselligkeit sowie das Musizieren unter Pandemie-Bedingungen sind. Es geht um Ideen, wie wir Corona trotzen, gegen den Corona-Blues ankämpfen und Kontakt zu unseren Musikerinnen und Musikern halten können. Dafür haben wir hier ein paar Beispiele zusammengetragen.
Bereits seit einem Jahr spielen ein paar Musikerinnen und Musiker in Metzingen (Baden-Württemberg) Sonntag für Sonntag abends um 18 Uhr in ihren Vorgärten. „Wir würden ja damit aufhören, aber Corona lässt uns nicht“, so eine der Musikerinnen. Es haben zwar viele Musikvereine bei der Aktion „Balkonkonzerte“ mitgemacht, aber die meisten machen das leider schon lange nicht mehr.
Eine Erkenntnis, die hilfreich für uns alle ist: Auch in kleineren Ensembles zu spielen macht Spaß! Für viele von uns ist das ungewohnt – aber unglaublich lehrreich. Das hat auch der Musikverein Wäldenbronn erkannt. Hier gibt es seit Februar die Aktion „Ensemble-Führerschein“. Uwe Eberspächer aus dem Vorstand dazu: „Aus dem Orchester und Jugendorchester heraus haben wir vier Ensembles zusammengestellt: Klarinetten, Saxofone, Blechbläser und ein gemischtes Holzbläserensemble, bestehend aus vier Querflöten, einer Oboe und einem Fagott. Zudem erwarten unsere Schlagwerker fundierte Einzeltrainings in allen Bereichen des modernen Schlagwerks.“
Musik in kleinen Ensembles
„Unser Jugendorchester ist ebenfalls im Projekt als eigenständiges Ensemble integriert. Die Ensembles proben wöchentlich unter der Leitung von unserem Dirigenten Alexander Theiler zum Kennenlernen der für viele ungewohnten Kammermusik-Arrangements und Einstieg in die Ensemblewelt. Für die Probenarbeit konnten wir namhafte Dozenten aus dem Musikkorps Ulm, wo unser Dirigent als Konzertmeister arbeitet, gewinnen. Auch freie Dirigenten und Instrumentalspezialisten gehören zu unserem Dozentenstab. Zunächst erfolgen die Proben ausschließlich online, dabei ist Skype für uns die Kommunikationsplattform. Während der Probe ist maximal ein Musiker lautgeschaltet, alle anderen sind stumm.“

„Unser Dirigent gibt jeweils vor, wer hörbar ist, und die ›Zuhörer‹ spielen natürlich ihre Stimme mit – eben nicht hörbar für die anderen. Das ist zunächst sehr ungewohnt, aber mithilfe eines gut hörbaren Metronoms oder einer Play-Along-Einspielung lässt sich für alle der richtige Beat einrichten. Wichtig ist, dass unsere Musiker damit eine bleibende Erinnerung erhalten, um stolz auf eine erfolgreiche, außergewöhnliche Zeit zurückblicken zu können mit der Gewissheit, etwas Außergewöhnliches geleistet zu haben.“ Ziel ist ein Outdoor-Ensemble-Konzert im Sommer, bei dem dann auch die Urkunden verliehen werden.
Aktivitäten im Internet
Sehr schnell haben wir gelernt, viele Aktivitäten ins Internet zu verlegen. So wie die Ensembles im Musikverein Wäldenbronn „proben“ viele via Skype, Zoom & Co. Wobei man sich momentan allerdings noch davon verabschieden muss, dass online gemeinsam „echt“ geprobt werden kann. Die Dirigentinnen und Dirigenten sind bei diesen Online-Übeformaten sehr gefragt. Es gibt einiges mehr bzw. anders vorzubereiten. Neben den zu probenden Stücken erstellte man zum Beispiel Übematerialien, bereitete Theorieblocks vor und vieles mehr.
Auch in Lockdown-Zeiten muss niemand ganz allein vor dem Bildschirm sitzen und musizieren. Wir haben viele Musiker-Familien in unseren Vereinen. Die sitzen gemeinsam davor und spielen somit als Ensemble. Im harten Lockdown durfte sich eine weitere Person noch dazugesellen. So war wenigstens eine kleine Gemeinschaft gebildet. Auch Musizierenden, die mit dem Internet nicht so vertraut sind, half man auf diese Weise (Stichwort „Online-Paten“).

Die Stammtischrunden, die man in normalen Zeiten nach den Proben so schätzt, fanden selbstverständlich ebenfalls in den Online-Meeting-Räumen statt. Auch hier wurde andere Wege gesucht und gefunden. Mittlerweile spielt man (Montagsmaler, Stadt-Land-Fluss, Bingo, Escape-Room, Galgenmännchen), quizzt (mit der App Kahoot), veranstaltet Wein- und Bierproben, lädt Persönlichkeiten zum Talk ein (Komponisten, Profimusikerinnen, Verbandsfunktionäre usw.), veranstaltet Challenges, schaut gemeinsam Videos von vergangenen Konzerten, zeigt Fotos aus alter Zeit, veranstaltet Online-Seminare (Notenschreibprogramm, Atemworkshop, Theoriekurse usw.), bespricht Werke usw. Es gab auch einen Verein, der ein gemeinsames Kochen veranstaltet hat.
Musik in der Gemeinschaft
Online-Meetings sind das eine. Wir haben jedoch erkannt, dass wir auch andere gemeinsame Aktionen brauchen. Zur „Klopapier-Challenge“ aus dem ersten Lockdown haben sich viele andere Video-Ideen gesellt: „Kachelvideos“ wurden produziert. Ein sehr gelungenes Beispiel dafür und gleichzeitig auch eine vorbildliche Aktion, wie Musikerinnen und Musiker über den eigenen Verein hinaus zusammengebracht werden können, ist das Video „Joined Apart“ des Komponisten Dominik Wagner. Das Sinfonische Blasorchester Flutissimo Bardowick hat seine Aktivitäten seit Beginn der Pandemie unter das Motto „Wir üben zuhause“ gestellt und im ersten Lockdown bereits über 100 Einzelvideos der Musikerinnen und Musiker gemacht. Im zweiten Lockdown wurden über 130 Videos erstellt und veröffentlicht.
Eine neue Video-Challenge wurde von den BML Talents, der Jugendformation der Brass Band Bürgermusik Luzern, ins Leben gerufen: den Internet-Hype „Jerusalema“ tanzen und selbst spielen! Die Noten dafür gibt es sowohl für Brassband als auch für Blasorchester. Und die BML Talents mit ihrem Dirigenten Patrick Ottiger würden sich riesig freuen, wenn es hierfür viele Nachahmer gibt! Bei Online-Videos muss man allerdings immer auch die Urheberrechte, GEMA und Co. im Hinterkopf behalten!
Gemeinsame Aktionen
Gemeinsame Aktionen wurden nicht nur im Bereich Video gestartet. Auch kreative Foto-Challenges fanden statt. Eine niederländische Brassband hat ihren Mitgliedern die Aufgabe gestellt, sich selbst mit Instrument und einem Accessoire oder in Verbindung mit einem weiteren Hobby oder im Arbeitsumfeld zu fotografieren. Einige Vereine stellen ihre Register oder die einzelnen Instrumentalisten vor. Eine schöne Idee ist auch „Maskottchen auf Reisen“ – vor allen Dingen für Kinder- und Jugendorchester geeignet. Die Maskottchen reisen von einem zum anderen, was die Kontakte stärkt, denn die Maskottchen müssen persönlich an die nächste Musikerin bzw. den nächsten Musiker überbracht werden.

Einige fordern ihre Musikerinnen und Musiker auch einfach nur auf, sich in Uniform bzw. Tracht zu fotografieren. Daraus entstehen dann ganz tolle Collagen. Oder sie nutzen die Vorlage des Nordbayerischen Blasmusikverbandes und erstellen daraus ein großes Banner (Größe: 3,40 x 1,73 m) mit dem Slogan „WIR starten wieder durch – und DU?“, „WIR sind spielbereit – IHR auch?“, „Blasmusik geht immer – bald auch wieder live!“, „Blasmusik – 3 2 1 – los!“, „Musikverein XY – läuft wieder!“, „Der Countdown läuft – wir starten durch!“ oder „Der Countdown läuft – wir sind spielbereit!“. Dieses Banner wird prominent an der Gemeinde-Einfahrt oder vor das Probenlokal gestellt. Diese Foto-Aktionen eignen sich prima als Social-Media-Post-Serien für die musikvereinseigene WhatsApp-Gruppe und für Facebook, Instagram und Co. Der Musikverein bleibt somit auch im Internet sichtbar.
Kleine Aufmerksamkeiten erhalten die Freundschaft. Seit Mitte Januar macht die „Musikprobe-to-go“-Idee in vielen Vereinen die Runde. Zu neuen Noten, die man für die Zeit nach dem Lockdown übt, gibt es Snacks, Vesper und ein Kaltgetränk.
Wie lange ohne Einnahmen?
Neben dem Zusammenhalt unserer Musikvereinsgemeinschaften hat ein weiterer Problemgedanke Einzug gehalten: Wie lange können die Musikvereine ohne Einnahmen überleben? Wie können die Fix-Kosten weiterhin gedeckt werden? Schnell wird klar, dass alternative Einnahmequellen gesucht werden müssen. Diverse To-go-Angebote haben sich bereits etabliert: Kuchen to go, Schnitzel to go, Vesperplatte to go. Es gibt keine kulinarischen Einschränkungen für die Abhol- oder Bring-Spezialitäten der Musikvereine. Eine schöne Idee kommt vom Musikverein Niederhausen: Man stellte eine sogenannte „Spendentasche“ mit dem Motto „Musik verein(t) Hüse“ zusammen verkaufte sie vor einem Supermarkt verkauft. Am ersten Tag war die Tasche bereits ausverkauft. Der Musikverein Steinberg-Deckenhardt hat ein „MV-Rettungspaket“ mit Kaffee einer kleinen Rösterei, einer MV-Kaffeetasse, der CD des Musikvereins und weiteren Kleinigkeiten gefüllt.

Die Musikvereine dürfen sich von diesem Virus nicht unterkriegen lassen. Nicht alle Vorschläge dieses Beitrags müssen umgesetzt werden, sie sollen als Anregung dienen. Die Musikvereine, die auch in dieser schwierigen Zeit aktiv sind und bleiben, werden einigermaßen schadlos aus dieser Pandemie herauskommen. Lasst euch nicht demotivieren! Mit einer kleinen Corona-Aktions-Arbeitsgruppe lassen sich tolle Aktionen auf die Beine stellen. Nehmt euren ganzen Mut zusammen und probiert etwas aus! Diese Zeit ist für alle eine große Herausforderung. Und wir wissen genau, dass wir sehr viel Energie und Kraft dafür aufbringen müssen, um wieder zu dem zu gelangen, was wir einmal in unseren Blasorchestern hatten. Fangt am besten gleich damit an!
Auch nach dem Lockdown werden wir lange Zeit nur mit Abständen zueinander musizieren dürfen. Das Ensemble-Spiel und die Outdoor-Proben sind dafür die Schlüssel-Ideen. Bleibt aktiv! Und vor allen Dingen gesund.