Innovativ sind sie ja alle, die Instrumentenbauer. Zumindest wenn man der Eigenwerbung glauben schenken darf. Und das will CLARINO auch gar nicht infrage stellen. Auf eine Firma trifft das jedenfalls hundertprozentig zu: Die Firma Friedrich Arthur Uebel. So ist zum Beispiel die heute noch als Standard im Profibereich geltende Becher-Mechanik Friedrich Arthur Uebel zuzuschreiben. Eine aktuelle Innovation des Klarinettenbauers: die Klarinette 621KH.
In einem früheren Test lag der Redaktion eine B-Klarinette »621« von F.A. Uebel vor. Und dieses Instrument schnitt im Test überzeugend ab. Die Testerin Martina Beck, Klarinettistin an der Staatsoper in München, attestierte dem Instrument damals »eine sehr angenehme Haptik, für Spieler mit breiten Fingern ebenso wie für schlanke und zierliche Hände. Dazu ist die Anordnung der Mechanik sehr spielerfreundlich.« Allerdings, merkte Martina Beck an, dürfte die Klarinette für junge bzw. kleine Anfänger (im Alter von acht bis zehn Jahren) mit dementsprechend kleinen Fingern nicht empfehlenswert sein. »Für die kleinen Schüler könnten teilweise die Löcher zu groß oder der Höhenunterschied von zwei nebeneinander liegenden Klappen zu hoch sein.« Hier wäre zu überlegen, meinte sie, zu einer C-Klarinette zu greifen.
Doch die Firma F.A. Uebel und in Person Michael Dürk, seit 2009 zuständig für die Bereiche Forschung und Entwicklung, technische Produktionsleitung und Qualitätssicherung bei F.A. Uebel, hatte da eine andere, eine bessere Idee. Die »621« wurde sozusagen »umgebaut«. Aus der »621« wurde die »621KH«. Das KH steht dabei schlicht und ergreifend für »Kleine Hände«. Denn die Anmerkung von Martina Beck war nicht neu. Aus seiner Zeit bei der Firma Fischer Holzblasinstrumentenbau in Bremen war dem heute 37-Jährigen aufgefallen, dass viele Klarinettenanfänger »keine richtigen Klarinetten bekamen«. Es habe dann immer geheißen: »Du bekommst jetzt erst mal eine Kinderklarinette und später gibts dann eine richtige.« So gut die Kinderklarinetten auch gewesen sein mögen – die Motivation der Instrumentalanfänger bekam schon vor dem ersten Ton den ersten Dämpfer.
Ebenso geht es unter Umständen erwachsenen Spielern, deren Hände verhältnismäßig klein sind. Deshalb bedeutet das »KH« eben nicht, wie man anfangs vermuten könnte, »Kinderhände« – auch wenn natürlich Kinder von der vorliegenden Innovation ganz besonders profitieren. Doch die »621KH« ist nicht »nur« eine Kinderklarinette, sondern ein vollwertiges Instrument.
Die Mechanik ist ergonomisch für kleine Hände ausgetüftelt. Sie ist nämlich deutlich enger gesetzt (siehe Vergleichsbild) und das Loch für den Ringfinger ist seitlich etwas versetzt. So simpel das auf den ersten Eindruck wirken mag, war es allerdings nicht. »Denn es ist bekannt: je länger die Luftsäule, desto tiefer der Ton«, erklärt Michael Dürk. Natürlich werde schlichtweg die dargestellte Problematik beseitigt, indem man die Grifflöcher einfach näher zueinander bohrt, aber da hört es mit der Einfachheit auch schon auf. »Wenn ich an einer Stelle anders bohre, muss ich das an anderer Stelle ja wieder ausgleichen.« Die Arbeit hat etwas von Mathematik – und brachte »viel Rechnerei« mit sich, wie Dürk sich erinnert. Doch Michael Dürk hat die Tüftelei offenbar Spaß gemacht. Er wirkt geradezu begeistert. Und wenn die Löcher passen, ist ja die Mechanik noch lange nicht fertig… Doch allzu viel Ausschuss hat Dürk während des Dreivierteljahres Entwicklungszeit nicht produziert. »Ich habe scheinbar nicht so schlecht gerechnet – natürlich mussten schließlich noch Kleinigkeiten modifiziert werden«, lacht er verschmitzt.
Besonders wichtig war es F.A. Uebel, die guten klanglichen Eigenschaften der »621« beizubehalten. Übernommen wurden so der angenehme Blaswiderstand, der sich bei dieser Klarinette »in einen runden, vollen Klang umsetzt. Schön und weich – typisch deutsch eben – und ausgewogen über alle Register. Mit diesen Klangeigenschaften und dem angenehmen Spielgefühl wird die »621KH« die meisten Schüler lange begleiten. Im Preis sind »621« und »621KH« identisch. Mit 1195 Euro (UVP) weisen beide ein sehr gutes Preis/Leistungs-Verhältnis auf.
Die Firmal F.A. Uebel fertigt ihre Klarinetten übrigens in der Provinz Shandong (China). Die Fertigung ist ein hundertprozentiges Tochterunternehmen der F.A. Arthur Uebel GmbH in Wiesbaden. Somit geht FAU den Weg, der in der Automobilindustrie schon seit langem beschritten wird. »Die ›621KH‹ wie auch alle anderen FAU-Klarinetten sind zu 100 Prozent unsere Produkte«, sagt Dürk. Er spielt darauf an, das einige Importeure aus Europa Ware aus Fernost einkaufen und ihr Firmenlogo anbringen, ohne wirklich Einfluss auf die Qualitätsstandards zu haben.
Ganz im Gegensatz zu der weit verbreiteten Maxime »Quantität geht vor Qualität« wird bei FAU zuallererst Wert auf Qualität gelegt. Und das beginnt schon bei der Wahl der verarbeiteten Materialien. Diese stammen ausnahmslos aus Europa: das Holz wird fünf Jahre in Deutschland gelagert und natürlich getrocknet, die Säulchen stammen aus Nauheim, die Federn aus dem Vogtland und Frankreich, die Klappen aus dem Schwabenland. Und dass zum Schutz der Umwelt, der Mitarbeiter und nicht zuletzt der Musiker kadmiumfreies Silberlot eingesetzt wird, ist bei F.A. Uebel eine Selbstverständlichkeit. Das alleine seien die Voraussetzungen, um Klarinetten in höchster Qualität zu fertigen.
»Es ist auch nicht so, dass ich ab und zu hier herüberfliege und nach dem Rechten sehe«, erzählt Dürk. »Wenn ich Ende Dezember nach Deutschland fliege, werde ich in 2011 über 200 Tage in China verbracht haben.« Natürlich, gibt der Instrumentenentwickler zu, »ist die Manpower in China etwas günstiger, aber gute qualifizierte Mitarbeiter sind auch im Land der aufgehenden Sonne nicht einfach zu finden und müssen wie überall entsprechend finanziell honoriert werden. »Zudem gibt es noch Arbeitsschritte, die wir hier aus Qualitätsgründen in Handarbeit erledigen, die in Europa schlicht nicht mehr bezahlbar wären.« In den höchsten Tönen lobt Dürk vor allem das Know-how seiner Mitarbeiter. Das sei wirklich fantastisch und zudem sei ein hohes Maß an Konstanz in Entwicklung und Produktion gewährleistet, weil die Mitarbeiter-Fluktuation bei Uebel sehr gering sei.
Über die Anmerkung, dass Markenpiraten aus Fernost im konkreten Fall auch nicht so eine weite Anreise hätten, lacht Michael Dürk. Aber er kennt natürlich das Problem. Er selbst hat schon auf der Musikmesse in Shanghai Kopien der F.A.-Uebel-Klarinetten entdeckt – doch dies sieht man im Hause Uebel nicht weniger entspannt als in der Schweizer Uhrenindustrie. Der Schein bestätigt auch da nicht die Realität.
Welchen Stellenwert hat denn die »621KH« im Gesamtportfolio der Firma F.A. Uebel? Dieses neue Modell ist eine logische Ergänzung zu den bestehenden Instrumenten und bezieht seine Legitimation aus den Bedürfnissen der Musiker. Denn alle Musiker wollen eine gute Klarinette. »Und das gilt für die achtjährige Schülerin genauso wie für den Profiklarinettisten.« Deshalb höre die Innovationsfreudigkeit auch bei der »621KH« nicht auf. Auf der Frankfurter Musikmesse wird FAU übrigens auch die neuen Boehm-Klarinetten-Modelle vorstellen. Auf der »Music China« in Shanghai war die Resonanz bereits hervorragend, denn auch im Boehm-Bereich wird zukünftig die volle Modellpalette vom Schüler-Instrument bis zum Profi-Satz in A und B angeboten.
Übrigens legt Dürk Wert darauf, dass nicht nur neue Modelle entwickelt werden, sondern dass stetige Neuerungen und Verbesserungen in das bestehende Modellportfolio einfließen. Man ist also nicht nur innovativ bei F.A. Uebel, sondern auch nie voll und ganz zufrieden. Auch das ist eine gute Eigenschaft – die der Musiker spürt, wenn er diese Klarinetten in der Hand hält.