Brass, Orchestra, Wood | Von Jürgen K. Groh

In welchem Umfeld soll ich üben? Üben üben!

Übekultur

Herzlich willkommen zur neuen Serie “Üben üben!” bei der in jeder BRAWOO-Ausgabe ein Satz zur Gestaltung bzw. Planung des Übens im Mittelpunkt steht. Die Artikel sind nach Barbara Mintos “Pyramiden-Prinzip” gestaltet: zuerst der Grundgedanke, dann nähere Erläuterungen dazu. Das hat nebenbei auch den Vorteil, dass Sie, liebe Leser, selbst bei schnellem Durchblättern die Kernaussage wahrnehmen.

Das oben stehende Lied trällerte 1962 ­Liselotte Pulver im Film-Schwank “Kohlhiesels Töchter”. Ganz unter diesem Motto betrachten wir diesmal die unumstößliche Tatsache, dass es verschiedene “Übekulturen” gibt. Denn so, wie Ihr bester Freund, Ihre beste Freundin oder Ihr Vorbild üben, muss das nicht unbedingt auch für Sie passen!

Hier ein paar absichtlich gegensätzliche Bei­spiele für Übekulturen, in denen Sie sich einerseits vielleicht ganz oder teilweise wiedererkennen oder denen Sie andererseits sogar ablehnend gegenüberstehen.

  1. Elvira übt gerne in einer sozialen Umgebung mit anderen zusammen, auch wenn sie ihre Stimme noch nicht perfekt beherrscht.
  2. Sven übt gerne allein, solange, bis er das Musik­stück gut kann. Erst dann will er mit anderen zusammenspielen.
  3. Finja braucht die wöchentliche Stunde mit der Lehrerin, damit ihr Übeerfolg kontrolliert und ihr immer wieder ein neues Ziel vorgestellt wird.
  4. Ben möchte selbstständig üben und ohne Lehrer vorankommen.

In welchem Umfeld üben Sie bevorzugt?

Üben Sie bevorzugt in einem sozialen Umfeld ­zusammen mit anderen oder finden Sie mehr Gefallen an der Einsamkeit des Übens, wobei Sie für sich sind und sich auf Ihre Lernwünsche konzentrieren können? Üben Sie gerne unter kompetenter Anleitung oder möchten Sie das selbstgesteuerte Üben für sich entdecken?

Diese Art von Selbstreflexion ist nichts, was Sie automatisch oder mal eben nebenbei machen sollten, denn es ist kein Kinderspiel, sich selbst ohne Schminke, Schmeichelei und Schönfärberei kennenzulernen. Es erfordert viel Zeit, Mühe, Ehrlichkeit und Mut.

Finden Sie jetzt Ihr persönliches “Deckelchen” und suchen Sie sich aus den angebotenen Übetipps in dieser Artikelserie oder aus anderen Quellen ganz bewusst die für Sie passenden ­heraus. Und scheuen Sie sich vor allen Dingen nicht davor, im Sinne von Heraklits panta rhei (“alles fließt”), dieses “Deckelchen” auch von Zeit zu Zeit auszuwechseln. Denn Ihre Erfahrungen werden Sie im Lauf der Zeit verändern: Sie sind nicht mehr dieselbe Person, die Sie vor Jahren waren, und werden in Zukunft auch nicht mehr dieselbe Person sein, die Sie jetzt sind.

Wenn Ihnen diese Sätze etwas zu rational und technologisch daherkommen, dann wird Sie vielleicht dieser Ausschnitt aus Johann Wolfgang von Goethes Gedicht »Dauer im Wechsel« auf einer tiefergehenden und emotionalen Ebene erreichen, wobei auch dieser Dichterfürst sich offensichtlich von Heraklit hat beeinflussen lassen:

»Gleich, mit jedem Regengusse
Ändert sich dein holdes Tal,
Ach, und in demselben Flusse
Schwimmst du nicht zum zweiten Mal.«

Der Autor Jürgen K. Groh ist Master of Arts, Dirigent, Moderator und Vizepräsident der WASBE Sektion Deutschland. Er ist unter der E-Mail Adresse juergenkgroh@brawoo.de zu erreichen.