Ob Automobilfabrikant oder Waschmittelproduzent: In allen Produktbranchen setzt man auf ständige Neuerungen, Änderungen, Anpassungen. Auch der Instrumentenbau macht da keine Ausnahme – und das nicht erst in den Zeiten des modernen Kapitalismus.
Schon in der vorchristlichen Antike veränderte man Blasinstrumente laufend, in zunehmend mehr Varianten gebaut und mit immer wieder neuen ästhetischen und technischen Raffinessen ausgestattet. Beim Aulos zum Beispiel, dem wichtigsten Rohrblattinstrument im alten Griechenland, erprobten die Hersteller ständig neue Materialien. Ursprünglich wurde der Aulos aus einem Schilfrohr oder Bambusrohr gemacht, später nahm man dafür Holz vom Buchs-, Lorbeer- oder Lotosbaum. Es gab aber auch Exemplare aus Knochen (Hirsch, Adler, Esel, Geier), Elfenbein, Kupfer oder Bronze. Gebaut wurde der Aulos in vier hauptsächlichen Stimmlagen. Man kannte dabei viele verschiedene Modelle, wahlweise in gestreckter, einfach gekrümmter oder mehrfach gekrümmter Form.
Die Produktpalette reichte von zwei, vier, fünf, sechs Grifflöchern bis hin zu 16. Darüber hinaus erfanden die Aulos-Produzenten dann ein Mittelstück zwischen Zunge und Rohr, ein Überblasloch, Grifflochkapseln, metallene Seitenklappen, drehbare Umstimmvorrichtungen usw. Auch die Zubehörhersteller hatten immer wieder neue Ideen. Um beim Aulosspielen die Lippen- und Wangenmuskeln zu entlasten, entwickelten sie eine Mundbinde (Phorbeia). Zum Schutz der Rohrblätter gab es kleine Aufbewahrungs-Futterale, für die Instrumente selbst spezielle Behälter und Felltaschen.
Damals stellten sich bei vielen technischen Neuerungen dieselben Fragen wie heute: Ist das nun eine Verbesserung oder nur ein modischer Gimmick? Ist das Design hier wichtiger als die Funktionalität? Gibt es überhaupt einen klanglichen Effekt? Oder wurde vielleicht nur ein Alleinstellungsmerkmal gesucht, um sich gegen Konkurrenten abzusetzen? Solche Fragen sind selten eindeutig zu beantworten. In den einschlägigen Bläserforen im Internet werden Neuerungen heute lebhaft und kontrovers diskutiert.
Saxofon: Finish, Polster, Kunststoff
Das Saxofon zum Beispiel ist ein Instrument, das mit seiner Optik protzt. Aspekte des Designs gehören quasi zu seinem Wesenskern – deshalb sind bunte Saxofone aus Kunststoff so beliebt. Noch immer legendär ist das Acryl-Saxofon von Grafton, das allerdings sehr zerbrechlich war. Heutige Kunststoff-Saxofone sind meist aus ABS (Acrylnitril-Butadien-Styrol), Polycarbonat oder einer Mischung aus beiden. Sie sind leicht und widerstandsfähig – und sie sehen toll aus (wenn man’s mag).
Die herkömmlichen „Blech“-Instrumente konkurrieren dafür untereinander mit immer fantasievolleren Finishs (Oberflächenbearbeitungen). Da wird vergoldet, versilbert, verchromt, gebürstet und mattiert, was das Zeug hält. Der Trend geht dabei eindeutig zur Mehrfarbigkeit – schwarz lackiert mit versilberten Klappen, schwarz vernickelt mit Goldlackklappen, goldlackiert mit Silbermechanik. Es gibt auch S-Bögen aus Kupfer oder Silber und vergoldet oder vernickelt. Sogar beim Blech dürfen es gerne verschiedene Messing-Legierungen sein. Hauptsache zweifarbig.
An der Tasten- und Klappenmechanik des Saxofons wird seit den Tagen von Adolphe Sax fleißig herumgebastelt. Nach dem Zweiten Weltkrieg war die Hoch-Fis-Klappe der neueste Schrei, jetzt ist es die Hoch-G-Klappe. Immer wieder neue Mechanik-Tricks versucht man bei der launischen Gis-Klappe. Auch der harte Übergang vom mittleren Cis zum D beschäftigt die Saxofonmacher. Ein Dauerthema sind außerdem die Klappenpolster. Die üblichen Polster aus Leder neigen ja manchmal zum Festkleben oder Schmatzen. Die Alternative: Metallscheiben mit einer Neopren-Ummantelung, die sich beim Schließen dem Tonloch flexibel anpassen. Wie immer gehen die Meinungen auseinander. Manche Saxofonspieler hören da ein metallisches Geräusch, andere haben beim Schließen ein schwammig-ungefähres Gefühl.
In Mode gekommen sind auch Verstärkungen im S-Bogen, die angeblich den Blaswiderstand und damit die Lautstärke erhöhen. Und bei manchen Bauteilen des Saxofons ist jetzt zunehmend Flexibilität angesagt: verstellbare Daumenhaken, verstellbare Klappenöffnungen, abnehmbarer Schallbecher. Ein Hauch von Do-it-yourself.
Mundstück – das ewige Thema!
Dann die Zubehörfrage. Mundstücke – ein ewiges Thema! Solche aus Holz, Kautschuk oder Metall kennt man ja. Früher gab es auch experimentelle Materialien wie „Crystallite“ (transparent) oder „Silverite“ (aus Hartzinn). Relativ neu ist Acetal, ein milchig-weißer Kunststoff, angeblich unkaputtbar. Auch Saxofonblättchen werden aus Kunststoff gemacht und sollen sehr unempfindlich sein und sich außerdem im Mund angenehm anfühlen. Man muss sie auch nicht einwässern und einspielen. Die Liste der Vorteile – hygienischer, haltbarer, preisgünstiger usw. – ist ellenlang. Darf man alles glauben?
Alltägliche Probleme mit Klang und Ansprache, so heißt es, entstehen manchmal einfach aus einer schlechten Körperhaltung. Das Zauberwort hier heißt „Balancer“. Das Ding wird meist ans Saxofon angeschraubt und bietet dem Nackengurt einen neuen Platz zum Einhaken. Damit lässt sich vieles variieren, von der Mundstückposition bis zum Daumendruck.
Trompete: Ventile, Stützen, Booster
Die Trompete kommt nicht so dick daher wie das Saxofon, aber ein Blickfang ist auch sie. Sind die verschiedenfarbigen Materialien nur optisches Design oder haben sie Einfluss auf den Klang? Kunststoff immerhin ist beim Trompetenkorpus kein Thema. Dafür gibt es eine breite Palette an möglichen Beschichtungen: Klarlack, Goldlack, Farblack (schwarz? rot? blau?), Silber, Neusilber, Gold oder Nickel. Auch bei der Trompete sind Mehrfarbigkeit und Materialdiversität angesagt. Der Schallbecher: Messing, das Mundrohr: Neusilber, der Stimmbogen: rötliches Goldmessing – oder in anderer Verteilung. Trompeten werden immer häufiger nach Kundenwunsch zusammengebaut. Mundrohr, Schalltrichter, Material – wie hätten Sie’s denn gerne? Nach dem Kauf bleiben manche Teile auswechselbar.
Was beim Saxofon die Klappen sind, sind bei der Trompete die Ventile. Dazu gehören dann noch Ventildeckel, Ventilführung, Ventilfedern. Die Dinger selbst machte man früher aus Messing, Neusilber oder Edelstahl. Heute ist Monel-Metall der Favorit, eine Nickel-Kupfer-Legierung, die als besonders feuchtigkeitsresistent gilt. Einige Hersteller empfehlen schwere Ventildeckel, bevorzugt vergoldet. Andere Deckel gleichen Perlmutt. Auch bei den Spiralfedern: zahlreiche Möglichkeiten, angefangen beim Material (Stahl, Kupfer, Messing). Und dann stellen sich noch Fragen wie diese: Gibt es eine Wasserklappe am 3. Ventilzug? Einen einstellbaren Fingerring? Einen Daumensattel? Unendliche Varianten!
Die Diskussion um das Gewicht der Trompete
Ein Dauerthema bei der Trompete ist die Stütze. Gemeint ist jetzt nicht die berüchtigte Atemtechnik, sondern eine Querstrebe, zum Beispiel am Schallrohr, am Mundrohr oder am Stimmzug. Die Hersteller unterscheiden zwischen Krallenstützen und Plattenstützen. Manche Trompete hat überhaupt keine Stütze, manche hat gleich drei davon. Eigentlich soll sie der Stabilität des Instruments dienen und Verbiegungen verhindern. Viele Trompeter glauben aber, dass so eine Stütze auch den Klang verändert. Um das auszutesten, gibt es variable Stützen, die man beliebig platzieren und auch wieder entfernen kann.

Diskutiert wird auch das Gewicht der Trompete. Schließlich muss man sie beim Spielen ja mit ausgestreckten Armen halten – die Saxofonisten haben es da besser. Hersteller bieten „Light-weight“-Trompeten an – meist sparen sie das Material bei der Glocke ein. Umgekehrt gibt es dann Metallgewichte, mit denen man der leichten Trompete wieder einen Schwerpunkt verleihen kann. Zum Beispiel am Mundstück durch einen „Booster“ – es geht bei den Trompetern eben immer um den kraftvollen Ton. Eine weitere Variante für kraftvollen Ton ist die „reversed leadpipe„. Umgekehrt als üblich weitet sich hier das Mundrohr kurz vor dem Stimmzug – die Blasluft soll dadurch weniger verwirbelt werden. Zumindest ein interessantes Akustikkonzept.