Mit seiner aktuellen CD »Contrechant« geht der Klarinettist Reto Bieri an die technischen Grenzen des Instruments. Die Musik, die er gewählt hat, verlangt komplexe Spieltechniken wie Mehrklänge, Mikrointervalle, Flatterzunge, Zirkularatmung, Glissandi, Luftgeräusche. Ganz neue Perspektiven eröffnen sich da auf den »magischen Bereich« zwischen Ton und Nicht-Ton.
Geboren wurde Reto Bieri in Zug (Schweiz), wo er mit der heimatlichen Volksmusik aufwuchs. Später studierte er Klarinette in Basel und New York und arbeitete mit renommierten Orchestern und Kollegen: Sol Gabetta, Heinz Holliger, Gidon Kremer, Anja Lechner, Roger Norrington, Kurt Masur und Peter Sadlo. Zu seinem Repertoire gehören Mozart, Schubert, Bernstein, Standardwerke der Klarinetten-Literatur. Doch mit seiner neuen CD »Contrechant« (ECM) geht Bieri bis zum Äußersten: Diese sieben Stücke für Klarinette solo haben das Zeug, die Möglichkeiten des Instruments neu zu definieren. Geschrieben wurden sie zwischen 1982 und 2008 von so renommierten Komponisten wie Luciano Berio, Elliott Carter oder dem auch als Oboisten berühmten Heinz Holliger. Es sind Stücke, die die Seele der Klarinette erforschen, das Geheimnis des anspringenden und des ersterbenden Tons. Stücke, die auch den Einsatz der Stimme verlangen, Tanzschritte und Gesten – den ganzen Menschen.
Clarino: Erfordert Neue Musik eine andere Spielhaltung als – sagen wir – klassische Klarinettenwerke des 18. und 19. Jahrhunderts?
Reto Bieri: Nein, ich bin nicht dieser Ansicht. Ich konnte die Neue Musik noch nie von der Alten Musik trennen. Ich bin immer für das Ganzheitliche gewesen, von Kindesbeinen an. Da verknüpft sich der sportliche Ehrgeiz mit der meditativen Versenkung, weil schlicht und einfach in guten Musiken fast alles vorkommt. Steckt in einer Sonate von Johannes Brahms nicht ebenso viel Welt wie in einem Solostück von Heinz Holliger? Beides erfordert größte Hingabe und eine Art Demut.
Infos: www.retobieri.ch