Brass | Von Andreas Michel

Instrumentale Fitness trotz wenig Zeit. Jupiter-Workshop für Blasmusik

Krafttraining
Der Vario LipTrainer unterstützt den Muskelaufbau.

Es gibt Phasen im Leben, wo nur wenig Zeit zum Üben bleibt – genau dann ist eine gute Zeit-Ökonomie bzw. eine gute Zusammenstellung der Übungen notwendig. Zeit hat man ja bekanntlich nie, oder? Aber wo ein Wille ist, da ist auch ein Weg, sagt der Volksmund. Denn Üben kann schließlich auch bedeuten, sich endlich einmal Zeit für sich zu nehmen und zur Ruhe zu kommen, sobald sich die Türe zum Übezimmer schließt. 

In jedem Fall ist eine gute Übe-Ökonomie wichtig, sodass man in kurzer Zeit möglichst alle Themenfelder des Musizierens mit ausgewählten und intelligenten Übungen anspricht. Nur so erhält man sich eine allgemeine instrumentale Fitness. Dazu gehören auch Übungen, die man im Auto (ohne die Kontrolle über den Verkehr zu verlieren!) oder am Arbeitsplatz für sich und ohne Instrument machen kann, wie zum Beispiel das Training der Zunge. 

Übungen ohne Instrument

1. Sprechübungen in Triolenartikulation mit den Silben ü-a-ö-a-ü-a-ö-a etc. Düdügü düdügü düdügü – dadaga dadaga dadaga –  dödögö dödögö dödödgö – dadaga dadaga dadaga und wieder von vorne. Bitte gleichmäßig und ohne Stimme, wie geflüstert; viele Wiederholungen machen. Mein Dank an Solo-Trompeter Walter Scholz für seinen Übetipp vor vielen Jahren.

Übeziel: Geläufigkeit, Koordination und Kraft der Zunge, Artikulation.

2. Übungen mit einem Lippentrainer wie
zum Beispiel dem Vario LipTrainer (www.varioliptrainer.de) mit individuell einstellbarem Gewicht; ideal für unterwegs oder im Job; klein und praktisch.

Übeziel: Gezielter Aufbau der Lippen-, Atem- und Stützmuskulatur und damit der Ausdauer; Schutz vor Verletzung durch Anpressdruck.

3. Übungen der Mund-Muskulatur durch Grimassen schneiden (macht man am besten alleine). Durch extremes Ziehen der Mundwinkel nach außen und das Spitzen der Lippen im schnellen Wechsel kann die Muskulatur um den Mund herum gestärkt werden (Musculus buccinatorius = Trompetenmuskel oder Backenmuskel und kreisförmiger Mundmuskel). Auch diese Übung kann jederzeit nebenbei trainiert werden.

Übeziel: Kräftigung der äußeren Stützmuskulatur von Mund und Backen

4. Luftzirkulation: Einatmen und langsam die Luft auf »ssssssssss« komplett ausatmen. Entspannt Luft holen und Übung wiederholen. Beim Ausatmen: Brust- und Halsbereich bewusst lo­cker lassen. Übungen mehrere Male wieder­holen. 

Übeziel: Kontrolle des Einatem-Reflexes und des Luftflusses

Übungen mit Instrument

5. Flexibilität: Terzen innerhalb einer bestimmten Tonart acht Mal binden und acht Mal mit Einfach- und Doppelzunge anstoßen (siehe Notenbeispiel 1).

Übeziel: Flexibilität, Fingerfertigkeit, Zungentraining, Umschalten zwischen Legato und Anstoß

Jupiter
Notenbeispiel 1: Flexibilität

6. Wechsel von Doppelzunge und einfacher Zunge auf einem Ton – möglichst ohne hörbaren Unterschied von »T« und »K«. Tonhöhe steigern: TKTK   TTTT   TKTK   TTTT   TKTK   TTTT   TKTK   TTTT usw. 

Übeziel: Technik, Technik, Technik… gemäß dem Leitsatz »Wer eine gute Zunge hat, hat auch eine gute Höhe«

7. Bindungen, Stütze und Flexibilität: Tonleiter zum Beispiel von c¹ bis d² im Legato spielen, dabei jeden vierten Ton aufwärts mit Akzent (Luftschub) betonen, abwärts auch unbetont möglich. Das Ganze auch über zwei Oktaven machen. Tempo: Viertel = 132 (siehe Notenbeispiel 2).

Übeziel: Kontrolle, Aktivierung und Ansteuerung der Stütze; tolle Bläsergymnastik

Jupiter
Notenbeispiel 2: Bindungen, Stütze und Flexibilität

8. Weite Bindungen,auch chromatisch abwärts; Griffe: 0 / 2 / 1 / 12 / 23 / 13 / 123 (siehe Notenbeispiel 3)

Übeziel: weite Bindungen, Legatospiel, Luft­führung, Virtuosität

Jupiter
Notenbeispiel 3: Weite Bindungen

9. Pianospiel: Töne decrescendieren bis zum “morendo” – fünf Minuten lang. Damit lernt man die Grenze kennen, an welcher der Ton entschwindet. Sehr wichtig!

Übeziel: “Laut kann ja jeder”

Yoga-Übung ohne Instrument für die Luftröhre und das Zwerchfell 

Luft komplett ausatmen, Kopf waagerecht halten und Bauch einziehen. Dabei Nase und Mund geschlossen halten. Diese Stellung einige Sekunden halten. Es entsteht im Bereich von Luftröhre und Hals ein Unterdruck, der die Luftröhre zusammenziehen möchte. Dadurch wird die Muskulatur der Luftröhre und des Halses trainiert. Das ist gerade bei hohen Tönen wichtig, denn der hohe Luftdruck im Fortissimo darf die Halsmuskulatur nicht dehnen. Eine sehr effek­tive Übung – auch für die hohe Lage. Muskel­kater stellt sich schnell ein. 

Übeziel: Kräftigung der Muskulatur der Luft­röhre und des Rachens. Unterstützt die hohe Lage.

Fazit

Ein gut zusammen gestellter Mix von Übungen verschiedenartiger Bereiche des Blechblasens kann die Fitness auch bei knappen Zeitressourcen erhalten. Im Laufe der Zeit habe ich von vielen Lehrmeistern Übungen gelernt und aufgeschrieben. Daraus habe ich mir meinen eigenen “Übe-Cocktail” gemixt. Es würde mich freuen, wenn er anderen Musikerinnen und Musikern weiterhilft.

Viel Freude beim Musizieren!

Andreas Michel

Infos:

info@andreas-michel-musiker.de 

www.jupiter.info

Andreas Michel

Andreas Michel

ist JUPITER-Coach für hohes Blech. Er ist ein hochgeschätzter klassischer Trompeter und absolvierte sein Studium an der Musikhoch­schule in Heidelberg-Mannheim mit dem Abschluss Dipl.-Orchestermusiker.

Er nahm unter anderem Konzerttätigkeiten in folgenden ­Orchestern an: Nationaltheater Mannheim, Freie Kammersinfonie Baden-Württemberg, Trompetenensemble ARTA, Philharmonie Baden-Baden, Staatstheater Stuttgart, Staatstheater Karlsruhe, Württembergische Philharmonie Reutlingen, Orchesterakademie unter Professor Helmuth Rilling. Darüber hinaus ist er Musikschulleiter der Jugendmusikschule Pforzheim.