»Integration gelingt nur über Sprache« – hört man oft. Ist das wirklich so? Gehört zu einer gelungenen Integration nicht noch viel mehr? Was kann beispielsweise die Musik im Zusammenhang mit Integration leisten? Wir sprachen darüber mit dem Musikpädagogen Gert Balzer.
Das kreative Klassenzimmer
Vier Köpfe stecken hinter dem Verlag »Das kreative Klassenzimmer«: Gert Balzer, Axel Eickhoff, Axel Rees und Raphael Schlotter sind alle hauptberuflich in der Lehrerausbildung tätig. 2013 gründeten sie ihren eigenen Verlag, der hauptsächlich kreative Arbeits- bzw. Unterrichtsmaterialien für die Bereiche Kunst und Textil, Musik, Sport und Bewegung, Naturwissenschaften sowie Soziales und Natur herausgibt. Balzer erklärt: »Unser Fokus liegt auf dem musisch-ästhetischen Bereich, weil wir alle aus dieser Ecke kommen.«
Noch bis vor kurzem waren alle am Seminar für Didaktik und Lehrerbildung in Lörrach tätig – und wurden hier in den letzten Jahren immer wieder mit dem Thema Flüchtlinge und vor allem Integration von Flüchtlingen in den Schulalltag konfrontiert:
»Die pädagogischen Hochschulen und Universitäten müssen natürlich Vorreiter sein bei den Themen, die bildungspolitisch gerade relevant sind«, sagt Balzer und ergänzt: »Wir alle haben da eine riesengroße Chance gesehen, den musisch-ästhetischen Bereich in den Fokus zu rücken.« Schließlich biete genau dieser Bereich ein enormes Potenzial, wie man dem Thema Umgang mit Flüchtlingen begegnen könne.
Integration ist mehr als nur das Lernen einer Sprache
An vielen Schulen gibt es sogenannte Vorbereitungsklassen für Kinder und Jugendliche mit Fluchterfahrung. Hier erhalten die Flüchtlingskinder getrennt von den restlichen Schülern eine intensive Sprachförderung und werden auf den Wechsel in eine reguläre Klasse vorbereitet. Der Fokus liegt auf dem Kernfach »Deutsch als Fremdsprache«.
Balzer ist allerdings der Meinung, dass zu Integration bereits von Anfang an noch sehr viel mehr gehört als nur der Erwerb der jeweiligen Landessprache: »Ein Gefühl von Sicherheit, Gemeinschaft, Akzeptanz, die Möglichkeit, sich auf irgendeine Weise auch ohne Sprache mitteilen zu können, Dinge verarbeiten zu können – da kann die Musik, die Kunst oder auch Bewegung unglaublich viel leisten!«
Leider ist es für viele Schulen aufgrund der vorgegebenen Rahmenbedingungen und zur Verfügung gestellten Ressourcen schwierig, diesem Sachverhalt angemessen zu begegnen.
Fußballspielen, Malen, sich zur Musik entspannen und somit zur Ruhe kommen – das alles funktioniert ohne Sprache. »Und gleichzeitig wird dabei ein Grundwortschatz aufgebaut. Dieser kann speziell mit musisch-ästhetischen Übungen gefördert werden.«
Als Beispiel nennt Balzer Lieder, in denen die Körperteile oder die Richtungen erklärt werden, »so wie man das auch aus dem Kindergarten kennt«. Er sieht darin eine Chance, Kinder und Jugendliche mit Fluchterfahrung hier ankommen zu lassen und in heterogenen Gruppen zu begegnen.
Vor allem zwei Publikationen aus dem »kreativen Klassenzimmer« eignen sich ganz besonders für die Arbeit mit jungen Flüchtlingen: »Der interkulturelle Musikspielplatz«, eine Broschüre mit Spielen rund um die Musik, und die »Kreativ-Kartei«, die 99 Ideen für die tägliche Begleitung von heterogenen Lerngruppen, insbesondere zur Integration von Kindern und Jugendlichen mit Flüchtlings- und Migrationshintergrund, beinhalten.