Das Baritonsaxofon ist ihre große Liebe. Isabella Lingg gerät ins Schwärmen, wenn sie von ihrem Instrument erzählt. Sie liebt dessen Charaktereigenschaften im Klang und ihre Augen strahlen: „Ich mag die Tiefe, die Wärme, das Fette. Es ist einfach groß! Aus dem Barisax kommt kein dünner, sondern ein warmer, dicker, großer Klang. Es groovt.“ BRAWOO traf die sympathische Österreicherin – live und nicht via Zoom – auf einen Cappuccino in Dornbirn.
Hier im Bregenzerwald im Bundesland Vorarlberg ist sie zu Hause. Hier lebt, arbeitet und musiziert sie. In Dornbirn kommt sie nicht umhin, ihre Musikschülerinnen und Musikschüler zu grüßen, die durch die Fußgängerzone am Straßencafé vorbeilaufen. Isabella Lingg trägt ein schwarzes, geblümtes Sommerkleid, die Haare offen. Sie wirkt zu Beginn des Gesprächs zurückhaltend, fast schüchtern. Eine Baritonsaxofon spielende Rampensau stellt man sich anders vor. Das Tattoo am rechten Oberarm sieht man nicht.
Schnell wird aber klar, dass hier eine junge Frau sitzt, die sehr wohl eine klare Meinung hat und weiß, was sie will. Sie lacht und bezeichnet sich selbst als fröhlich, spontan und „für jeden Scherz zu haben“. Durchsetzungsstark dürfte und muss sie aber vermutlich auch sein, spielt sie doch seit knapp drei Jahren das Baritonsaxofon in der Combo „Fättes Blech“. Dass in der angesagten Blechcombo ein Saxofon spielt, ist nicht neu, denn das Holz hatte bereits Julian Hutter – dessen Nachfolgerin Isabella Lingg ist – etabliert. Die Österreicherin ist seit 2018 dabei. Die Anfrage erreichte sie telefonisch, als die gerade in Marokko beim Surfen weilte. Man kannte sich schon länger und Isabella Lingg zögerte nicht lange mit der Zusage.
Eine Frau in der „Boyband“
Dass sie aber als einzige Frau in einer „Boyband“ spielen würde? Daran verschwendete sie keinerlei Gedanken. Sie zuckt mit den Schultern. „Ich habe immer in Bands gespielt, in denen ich die einzige Frau war. Und außerdem gibt es in einer Männerband weniger Stress.“ Sie lacht. Klar, Durchsetzungsvermögen braucht es da bisweilen schon. „Aber die Jungs haben alle einen super Humor, sie sind unkompliziert. Ich fühl mich wohl.“
Die Wertschätzung beruht auf Gegenseitigkeit. „Was für ein Glücksgriff!“, heißt es auf der Facebookseite von Fättes Blech. „Isi bringt neben ihrer unfassbaren musikalischen Flexibilität an sämtlichen Saxofonen auch eine gehörige Portion ureigene Lebensfreude mit. Zuverlässig und präzise, pflichtbewusst und gründlich, positiv verrückt und euphorisch, locker, überaus angenehm und absolut liebenswert. Die Liste der Adjektive ließe sich ins Unermessliche erweitern…“ Und nicht zuletzt sei sie spielerisch über jeden Zweifel erhaben.
Das spielerische Handwerkszeug eignete sie sich unter anderem im Studium in Innsbruck und Wien an. Im Innsbrucker Klassikstudium bei Professor Martin Steinkogler stand noch das Altsaxofon im Vordergrund, in Wien bei Professor Klaus Dickbauer – selbst auch Baritonsaxofonist – ging es dann mehr „in die Tiefe“. Hier kamen Tenor- und vor allem das Baritonsaxofon vermehrt ins Spiel. Der vielleicht sogar entscheidende Lehrmeister aber war der „Doc“. Gemeint ist Stephen Kupka, Baritonsaxofonist bei „Tower of Power„. „The funky Doctor“ ist das Markenzeichen von „Tower of Power“ schlechthin, der Blickfang, die Kultfigur. Mit Hut, Brille und Hosenträgern ist er der Tower von „Tower of Power“. Mit seinem Baritonsaxofon rockt er, sein Sound ist unbeschreiblich. Und von diesen Konzerten schwärmt auch Isabella Lingg: „Diese Energie!“ Man kann sich die junge Musikerin geradezu vorstellen, wie sie in der Menge steht, strahlt und seufzt: „Da will ich hin!“ So will sie auch spielen.
Durch Konzertbesuche von Bands wie „Tower of Power“ oder der Youngblood Brass Band ist Isabella Lingg „in diese Szene hineingerutscht“. Schon im Klassikstudium war der Weg klar. „Das will ich auch“, habe sie damals gedacht. An diesem Klang sollte kein Weg mehr vorbeiführen.
Das knackende Fundament des Baritonsaxofon
Sie gibt zu: „Der Sound ist schon speziell. Mich faszinieren die Tiefe und das Knackige, das Fundament.“ Melodielinien, die sie mit dem Altsaxofon meist spielt, „sind schön und gut und auch spannend. Aber das knackende Fundament macht auch sehr viel Spaß…“ Macht mehr Spaß, schiebt sie mit einem strahlenden Lächeln ohne Worte hinterher. Ein großes Problem sei die Umstellung nicht gewesen, erzählt sie. Man müsse ein bisschen flexibel sein, weil das Baritonsaxofon schlichtweg ein deutlich größeres Instrument sei. Was aber wirklich anders sei: „Du brauchst mehr Luft. Gerade in einer Band wie ‚Fättes Blech‘, bei deren Konzerten viel Bewegung stattfindet, ist es konditionell ein bisschen strenger.“ Man müsse körperlich einfach fit sein, sagt die Saxofonistin. Denn so ein Konzert dauere ja dann doch zwei Stunden und meist gehe man danach auch nicht sofort ins Bett. „Und der Bus fährt trotzdem am nächsten Morgen in der Früh“, lacht sie.
Isabella Lingg spielt das Baritonsaxofon nicht nur bei „Fättes Blech“. Sie ist da flexibel. So flexibel wie auch das Instrument ist. In ihrer musikalischen Biografie stehen zudem das Jazzorchester Vorarlberg, das Frauen-Jazzorchester, das „First Lake of Constance Navy Jazz Orchestra“ sowie „Linggering“. Außerdem trat und tritt sie als Gastmusikerin im Sinfonieorchester Innsbruck, der Bläserphilharmonie Tirol, den Stuttgarter Philharmonikern oder dem Jazzorchester Tirol auf. Die Vielseitigkeit des Baritonsaxofons ist auch sein großer Pluspunkt. Und auch, dass es eben doch noch relativ selten zu sehen ist. „In Bands, die auf Bläserinnen und Bläser setzen, bist du mit dem Baritonsaxofon sehr gefragt. Die meisten haben zwar ein Alt-, aber kein Barisax.“
Man sagt bisweilen, dass nicht die Spielerin oder der Spieler sein Instrument aussucht, sondern umgekehrt. Wie war das bei Isabella Lingg? „Das stimmt“, sagt sie. „Ursprünglich wollte ich Querflöte in der Blaskapelle spielen. Mein Vater meinte damals, dass es schon zehn Flöten gäbe und dass man mich da nicht nehmen würde.“ Sie zuckt mit den Schultern. „Mei, dann spiel ich halt Sax… Das Saxofon ist so ‚hergerutscht‘.“ Also Zufall? Oder Schicksal? Beides vermutlich. Isabella Lingg ist auf jeden Fall mehr als glücklich darüber und schickt ein „Gott sei Dank!“ hinterher.
Noch viel glücklicher ist sie darüber, dass am Tag des Interviews wieder ein Konzert mit „Fättes Blech“ steigt. Im österreichischen Krumbach wolle sie endlich wieder „live“ Spaß haben. „Ich werde tanzen, spielen und werde die Energie auf der Bühne spüren! Da ist jeder voller Freude und voller Adrenalin.“ Sie werde den Moment genießen. Denn ihr hat das – wie wohl allen Musikerinnen und Musikern – gefehlt! Zermürbend sei das in der Vergangenheit gewesen. Immer wieder habe man sich vorbereitet und immer wieder wurden Konzerte abgesagt. „Ich habe tatsächlich zwischenzeitlich total die Motivation verloren.“ Zum Glück habe sie an der Musikschule viele Stunden unterrichten können, wodurch sie aufgefangen wurde. „Doch ich habe gemerkt: Ich brauche beides!“
Keine strenge Lehrerin
In den Musikschulen in Dornbirn und Bregenzerwald unterrichtet sie „leider“ nur Altsaxofon. Es gebe dort zwar ein Barisax, aber das sei für die Ensembles reserviert. Allerdings sei ein solches Instrument auch „nicht das handlichste“. Für die Anfängerinnen und Anfänger sei das dann doch nicht unbedingt geeignet. Aber Werbung macht Isabella Lingg natürlich schon. Und der Wow-Effekt bei den Schülerinnen und Schülern sei auch sehr groß, wenn das Baritonsaxofon laut und tief brummt „wie ein Dampfschiff“.
„Ich arbeite gern mit Kindern zusammen“, erzählt die Saxofonistin. „Und wenn sie dann ein Vorspiel haben, geht mir das Herz auf. Das ist Balsam für die Seele.“ Sie gibt zu, dass man der Typ sein müsse, Pädagogin oder Pädagoge zu sein. Sie habe auch Schülerinnen und Schüler, bei denen Üben eher phasenweise stattfindet. „Ich denke dann schon manchmal: Wofür habe ich so lange studiert, wenn ich wöchentlich sagen muss: Das ist ein C. Das ist ein C. Das ist ein C… Aber das gehört dazu.“ Ist sie eine strenge Lehrerin? „Nein!“ Das Lachen in der Antwort suggeriert: Was für eine Frage! „Es geht mir primär um Musikvermittlung. Und Musik ist etwas Schönes – und soll deshalb vor allem Spaß machen.“
Wenn Isabella Lingg keine Musik macht, ist sie in den Bergen unterwegs, wandert und klettert. Da hat sie das Saxofon nicht dabei, das Bariton schon gar nicht. „Das ist ein sehr guter Ausgleich“, findet sie. „Diese Ruhe ist perfekt, um einmal den Kopf freizubekommen. Und da ich im hintersten Bregenzerwald lebe, sind da nur Berge!“, lacht sie.
Hier in Au – das liegt zwischen Mellau und Schoppernau, bekannt auch den durch den Hit des HMBC – spielt sie auch heute noch in der Blaskapelle. Wenn es ihre Termine zulassen natürlich. Eine Zeit lang leitete sie sogar gemeinsam mit ihrem Bruder die Jugendkapelle. „Wenn ich frei habe, sehe ich zu, dass ich mit ausrücken kann.“
Vielleicht passt das Baritonsaxofon mit seiner Wärme auch perfekt zur Heimatverbundenheit, die Isabella Lingg durchaus auszuzeichnen scheint. Im Bregenzerwald musiziert, arbeitet und lebt sie. Und manchmal zieht es sie hinaus in die „große, weite Welt“. Denn das ist das andere, was das Baritonsaxofon ausstrahlt: „Es groovt. Es ist einfach groß!“

Isabella Linggs Baritonsaxofon
ist ein Instrument der Marke Keilwerth und trägt die Bezeichnung „SX90R Shadow“. Der Hersteller verspricht, dass der Spieler mit diesem Instrument „seinen individuellen Klang und Stil immer weiter entwickeln und alle Emotionen, die er in sich trägt, mit seiner Musik ausdrücken“ kann. Die hervorstechendste Eigenschaft des SX90R sind die gebördelten Tonlöcher. Ein Metallring wird an jedes präzis gezogene Tonloch per Hand gelötet, um bei jedem eine Art „Glocken-Effekt“ zu erzeugen. Eine schwarz vernickelte Beschichtung auf dem Korpus gibt dem zentrierten und kraftvollen Klang noch mehr Tiefe. Isabella Lingg sagt: „Das Saxofon liegt sehr gut, geradezu butterweich in den Händen. Der warme Klang macht es aus. Und die Optik war das i-Tüpfelchen. Dieses Instrument war kein Fremdkörper für mich. Ich habe mich gleich wohlgefühlt.“