Das Lexikon weiß: „Mentaltraining wird eine Vielfalt von psychologischen Methoden bezeichnet, die das Ziel verfolgen, die soziale und emotionale Kompetenz, die kognitiven Fähigkeiten, die Belastbarkeit, das Selbstbewusstsein, die mentale Stärke oder das Wohlbefinden zu steigern.“ So weit, so vage… Deshalb also herzlich willkommen zu unserem neuen Mentaltraining-Stammtisch! Wir wollen Licht ins Dunkel bringen und aufklären. Gemeinsam werden wir diskutieren und Mythen entlarven – ganz ohne Stammtischweisheiten. Und: Ist Mentaltraining eigentlich wissenschaftlich fundiert?
An unserem Stammtisch sitzen die Experten Mona Köppen, Peter Laib und Leonhard Königseder, die mit ihrem Wissen und ihrer Erfahrung wertvolle Einblicke geben werden und aus unterschiedlichen Winkeln auf die Materie schauen. Seien Sie dabei, wenn wir in die faszinierende Welt des Mentaltrainings eintauchen und praxisnahe Tipps und Techniken vorstellen, die helfen, das volle Potenzial zu entfalten. In jeder Ausgabe wollen wir eine drängende Frage erörtern, zur Diskussion stellen, Tacheles reden – und zwar ganz ohne Stammtischparolen.
Ist Mentaltraining wissenschaftlich fundiert?
Peter Laib
Es ist so: Mentaltraining ist kein geschützter Begriff – das heißt, da draußen gibt es sehr viele Coaches mit sehr unterschiedlichen Hintergründen, Ansätzen und Ausbildungen. Ob ein Training wissenschaftlich fundiert ist, hängt also in erster Linie vom Coach und dessen Methodenkoffer ab. Viele greifen auf psychologische Techniken zurück, deren Wirksamkeit in Studien belegt. In solchen Fällen kann man sagen: Ja, das ist wissenschaftlich fundiert. Aber genauso gibt es leider auch Mentaltrainer, die sich mehr auf persönliche Überzeugungen als auf belastbare Forschung stützen.
Wenn jemandem wichtig ist, dass das Mentaltraining auf fundierten Methoden basiert, dann sollte das beim ersten Kennenlernen ruhig angesprochen werden. Seriöse Coaches geben gerne Auskunft über ihren Ansatz – ich arbeite ausschließlich mit wissenschaftlich erforschten Techniken, die sich in unterschiedlichen Leistungskontexten bewährt haben.
Ob man sich am Ende nach dem Motto »Alles, was hilft, ist richtig« richtet oder lieber die nachgewiesene Wirksamkeit im Blick hat – das darf man für sich selbst entscheiden. Mentaltraining ist keine Zauberei, sondern ein Werkzeugkasten an Mentaltechniken, mit dem man gezielt mentale Stärke entwickeln kann. Und wie bei jedem Werkzeug kommt es eben auf die Qualität und die richtige Anwendung an.
Wie geht ihr mit Skepsis und Widerstand um?
»Mentaltraining? Das brauch ich nicht – das krieg ich auch alleine hin. Schon immer.« Diesen Satz hab ich schon oft gehört und vollstes Verständnis dafür. Es ist bewundernswert, wenn Menschen Herausforderungen aus eigener Kraft meistern. Aber es schließt sich ja nicht aus – Unterstützung anzunehmen ist kein Zeichen von Schwäche, sondern von Offenheit. Meiner Meinung nach basieren viele skeptische Stimmen auf einem falschen Bild davon, was Mentaltraining eigentlich ist. Da fallen dann Begriffe wie »Hokuspokus« oder »Esoterik«, und das kann ich gut nachvollziehen – gerade, wenn man damit noch keine Erfahrung gemacht hat.
Deshalb versuche ich immer gut aufzuklären: Was genau passiert im Mentaltraining? Wann kommt es zum Einsatz? Warum wirkt es? Wer mag, kann mich jederzeit ansprechen – ob nach dem Konzert, in der Pause oder auf der Straße. Ich nehm mir gern die Zeit, über meine Arbeit zu sprechen. Denn oft braucht es nur ein ehrliches Gespräch, um aus Skepsis Interesse werden zu lassen.

Peter Laib
Mentalcoach (MSc.) für Musikerinnen und Musiker, Diplom-Musiklehrer, Sousafonist bei »Moop Mama« und Tubist bei »Ernst Hutter & Die Egerländer Musikanten – Das Original«. (Foto: Jonas Becker)
Leonhard Königseder
Skepsis gegenüber Mentaltraining ist ganz normal und begegnet mir immer wieder. Da hilft es auch nicht, dass viele Techniken des Mentaltrainings wissenschaftlich gut gestützt sind. Wir sehen das bei vielen anderen Themen: Wenn Menschen eindeutige Ergebnisse der Wissenschaft als falsch empfinden, sind diese auch nicht mit Argumenten zu überzeugen. Für mich ist das (bezüglich Mentaltraining) auch kein Problem.
Bei meinen Workshops mit Blaskapellen kommen einige nicht, und andere zeigen mit ihrer Körpersprache, dass sie es als Schwachsinn empfinden, was da gerade passiert. Ich lasse mich davon nicht irritieren und gebe meistens noch mehr. Was mich nach solchen Workshops immer wieder aufs Neue freut ist, dass viele zu mir kommen und sagen »Super wars! Ich habe nicht erwartet, dass Mentaltraining so ein spannendes, greifbares Thema ist!«.
Mich motiviert Skepsis daher eher. Schließlich ist die Vermittlung von Inhalten für unser Thema sehr wichtig, weshalb ich es auch als meine Aufgabe sehe, so viele Menschen wie möglich von Mentaltraining zu begeistern. Aktiver Widerstand begegnet mir hingehen kaum, da zu mir nur Menschen in die Einzelstunden kommen, die den Mut sowie den Willen haben, etwas zu verändern.
„Psychologie ist eine wissenschaftliche, und keine esoterische Disziplin“
Viele Techniken aus dem Mentaltraining (etwa Atmung) werden als wirksam erachtet, und auch die Psychologie ist eine wissenschaftliche, und keine esoterische Disziplin. Ich persönlich finde es jedoch nicht immer notwendig, dies extra zu betonen. Wir versuchen in der Zusammenarbeit gemeinsam Methoden und Techniken zur Unterstützung zu finden, unabhängig davon, ob diese wissenschaftlich fundiert sind oder vielleicht auch nicht. Im Vordergrund steht, wie gut diese für die Menschen funktionieren. Hier ist es mir wichtig nochmals zu sagen, dass ich von Esoterik sehr weit Abstand nehme und ich mich schon an der Wissenschaft orientiere, jedoch ist diese nicht Grundvoraussetzung für von mir verwendete Methoden. Unternommen wird, was hilft. Ich finde es auch schwierig genau nachzuvollziehen, welche Methoden, welche Gespräche, welche Strategien zum Erfolg geführt haben. War es die Atemtechnik, die Veränderung im Übe-Ablauf, oder der Ausgleich? Sind es vielleicht andere Ansätze aus dem Unterricht oder aus dem Training? In vielen Fällen ist es mit Sicherheit eine Kombination aus verschiedenen Komponenten, und nicht eine Methode isoliert
Leonhard Königseder
Leonhard Königseder unterrichtet Schlagwerk und Drumset an der Musikuniversität Graz, sowie Mentaltraining an der Musikuniversität Wien. Er ist Psychologe, Sportpsychologe sowie Dipl. Mentaltrainer und Dipl. Fitnesstrainer. (Foto: Stefan Sukic)

Mona Köppen
Ja, Mentaltraining ist wissenschaftlich erforscht und kann Musikerinnen und Musiker auf vielfältige Weise unterstützen: beim Üben, auf der Bühne und im Umgang mit Stress. Hier ein paar Beispiele aus der Wissenschaft mit Studienangaben, zum Nachlesen:
Mentales Üben wirkt – auch ohne Instrument in der Hand! Wenn Musiker sich Bewegungen oder Stücke im Geiste vorstellen, werden ähnliche Hirnareale aktiviert wie beim Spielen. Dieses mentale Üben kann das Lernen deutlich erleichtern und effektiv ergänzen, sagt Studie von Zatorre(Zatorre et al., 2013).
Gutes Emotionsmanagement macht den Unterschied! Wer seine Emotionen gezielt regulieren kann, kommt oft leichter durch Studium, Probenphasen und Auftritte. In einer Studie von Peistaraite & Clark (2020) zeigte sich: Musikerinnen und Musiker, die belastende Situationen durch Neubewertung statt Unterdrückung verarbeiten, lernen selbstständiger und effizienter.
Auch Methoden aus dem Emotionscoaching, die mit bifokaler Achtsamkeit arbeiten – also der gleichzeitigen Wahrnehmung von innerem Erleben und äußeren Reizen – zeigen in ersten Studien positive Effekte auf die Emotionsregulation. Dazu gehören zum Beispiel Techniken aus PEP, emTrace, EMDR, EFT, HRV-Stärkung
„Kognitive Strategien oder körperorientierte Verfahren wie gezielte Atmung und Imagination helfen nachweislich dabei, Nervosität abzubauen und die Auftrittssicherheit zu stärken.“
Auftrittsstress und Lampenfieber sind weit verbreitet – aber gut regulierbar: Eine umfassende Übersichtsarbeit (Kinney et al., 2025) belegt: Methoden wie Achtsamkeit, kognitive Strategien oder körperorientierte Verfahren wie gezielte Atmung und Imagination helfen nachweislich dabei, Nervosität abzubauen und die Auftrittssicherheit zu stärken.
Ressourcen aktivieren – das innere Kraftpaket! Ein oft unterschätzter, aber besonders wirkungsvoller Ansatz im Mentaltraining ist die Ressourcenaktivierung. Dabei lernst du, dich gezielt mit inneren Stärken wie zum Beispiel Dankbarkeit, Ruhe oder Stolz zu verbinden. Studien zeigen: Wer sich regelmäßig an positive Erfahrungen erinnert oder über persönliche Stärken schreibt, kann damit Stress abbauen und emotionale Stabilität fördern (z. B. Suhr, Risch & Wilz, 2017). Auch eine aktuelle Studie aus 2024 von Katrin Starcke und Richard von Georgi (Berlin, »Emotionsregulation durch Musik und Ressourcenstärkung«) zeigt bemerkenswert, was alles möglich ist.
Fazit:
Mentaltraining in der Welt der Musik ist wissenschaftlich erforscht und hat sich in der Praxis bewährt. Im Vergleich zum Sport steckt die Studienlage allerdings noch in den Anfängen und hat noch viel Potenzial nach oben.
Bei aller Orientierung an wissenschaftlicher Evidenz sollte man im Blick behalten: Es gibt Methoden, die bislang noch nicht umfassend erforscht sind – und dennoch wirksam sein können und sind! Offenheit für Neues, das kluge Verknüpfen bestehender Ansätze und die Bereitschaft zum Ausprobieren und immer ein Ohr und Blick auf die Bedürfnisse der Musiker, sind entscheidende Schlüssel, um das Thema »Mentaltraining in der Musik« weiterzuentwickeln.
Skepsis und Widerstand, die in meinen 1:1-Trainings auftauchen, sind Teil des Prozesses und zeigen oft, dass man genau an der richtigen Stelle arbeitet oder es eventuell noch etwas Aufklärung und Übereinstimmung braucht in Bezug auf eine Intervention.
Skepsis und Widerstand in Bezug auf das Thema Mentaltraining bei Musikerinnen und Musiker – und die Haltung, dass es »sowas nicht braucht«:
Da bin ich entspannt. Alle Skeptiker lade ich aber herzlich ein, an einen meiner Fortbildungen teilzunehmen und sich anschließend ein neues Urteil zu bilden.
Ich gehe sehr gerne in den Diskurs und freue mich über jedes Gespräch.
Mona Köppen
In ihrer Akademie bildet Mona Köppen schwerpunktmäßig und spezialisiert Musiklehrer zum »Mentaltrainer für Musiker« aus. Im 1:1 Training bereitet sie Musikstudentinnen und -studenten mental auf Probespiele, Prüfungen und Auftritte vor und arbeitet mit ihnen an einer authentischen Wirkung beim Auftritt. Ihre Erfahrung als Metallblasinstrumentenmacherin und Musikerin runden ihr Spektrum für ein tiefes Verständnis über die Bedürfnisse der Musikerinnen und Musiker ab. Sie ist Therapeutin für Psychotherapie. (Foto: Eilert Akademie)

Haben Sie Fragen an unsere Experten? Allgemein zum Thema Mentaltraining oder auch ganz konkret zu einem Problem? Immer her damit – die Fragen werden natürlich vertraulich behandelt: mental@brawoo.de