Orchestra, Szene | Von Klaus Härtel

Keine ollen Kamellen! – Ernst Hutter im Interview

Der 21. April 1956 gilt als die Geburtsstunde der »Egerländer Musikanten«. Und 60 Jahre Bühnenpräsenz sind schon ein Grund, ordentlich gefeiert zu werden. Gleichzeitig feiert das Blasorchester aber noch viel mehr: Seit 30 Jahren etwa ist Ernst Hutter dabei, seit 15 Jahren als Leiter. Und Ernst Mosch hätte am 7. November 2015 seinen 90. Geburtstag gefeiert. Wir sprachen mit Ernst Hutter über gestern, heute und morgen.

Warum ist die Musik von Ernst Mosch eigentlich heute noch so aktuell?

Allein über diese Frage könnten wir stundenlang reden. Musik – egal welche – hat jederzeit ihre Berechtigung. Diese verrückte Welt, in der wir leben, mit ihren kulturellen und religiösen Verwerfungen kann vielleicht nur noch die Musik retten… Es gibt Musik, die aufrütteln kann, Aggressivität erzeugen kann, die beruhigen kann, die langfristig eine schöne Wirkung erzielen und vielleicht sogar heilen kann.

Die Frage, wieso unsere Musik bzw. von Ernst Mosch auch heute noch Berechtigung haben sollte, habe ich mir deshalb noch nie gestellt. Für mich hat Musik aus dem 15. Jahrhundert, also vor langer Zeit entstandene, ebenso ihre Berechtigung wie aktuell komponierte Musik mit politischen Statements. Ich möchte trotzdem versuchen, auf die Frage zu antworten, denn erfolgreich ist unsere Musik nach wie vor – sonst wären wir ja heute nicht hier.

Allein über die Programmatik der Musik kann man viel sagen. Da muss ich vielleicht doch ein bisschen ausholen. Auch Musik der Klassiker wie Beethoven, Mozart oder Brahms ist meist aus einer ganz bestimmten Idee entstanden. In Mozarts Opern beispielsweise wurden politische und gesellschaftliche Themen aufgegriffen. Auch die Musik und die Idee der »Egerländer« ist so entstanden. Zentral ist hier das Stichwort »Heimat«.

Die ARD hatte erst vor kurzem eine Themenwoche »Heimat« im Programm. Vor 15 Jahren hat man in Deutschland noch oft hinter vorgehaltener Hand über das Thema Heimat gesprochen. Heute ist es aktuell. Vielleicht auch deshalb, weil wieder so viele Leute zu uns kommen, die ihre Heimat verloren haben. Dieses Thema hat in unserer Musik ursprünglich eine ganz wichtige Rolle gespielt: »Rauschende Birken«, »Egerland Heimatland«, »Wir sind Kinder von der Eger« und noch ganz viele andere Titel beschreiben diese heute leider wieder sehr aktuelle Lage vieler Menschen. Ich glaube, das ist ein wichtiger Bestandteil, warum unsere Musik immer noch aktuell ist.

Besinnt man sich heute – im Zeitalter der Globalisierung – also wieder vermehrt auf seine Wurzeln?

Genauso sehe ich das auch. Globalisierung mit offenen Grenzen, die große weite Welt, aber auch Rückbesinnung auf regionale Werte! Es ist heute ganz normal, nach Thailand in den Urlaub zu fahren. Und genauso sind unsere Eltern in den 50er Jahren das erste Mal nach Italien gekommen. Aber durch den Umstand, dass man viele Dinge in der Welt gesehen hat, wird wieder vermehrt erkannt, was man eigentlich zu Hause alles zu schätzen und zu mögen hat.

Die Rückbesinnung auf viele Dinge, die in der regionalen und heimatlichen Kultur eine Rolle spielen – ich glaube, das kann man auf vielen Ebenen beobachten. Die heutige Generation lebt und denkt international einerseits, lernt aber auch wieder die guten traditionellen Werte der Heimat schätzen, und was mir sehr gut gefällt, sie zeigt es auch selbstbewusst.

Diese Einstellung wirkt sich durchaus auch darauf aus, dass die Jungen unsere Musik wieder mehr verstehen. Ich meine nicht nur die Musik, sondern auch das, was inhaltlich in den Texten steckt, der Ursprung von der Gründung der Egerländer.

Vor 60 Jahren hat Ernst Mosch die Egerländer Musikanten gegründet. Aus welchem Beweggrund heraus sind die denn überhaupt entstanden?

Ernst Mosch hat als junger Mann die Wirren des Zweiten Weltkriegs miterlebt. Nach dem Krieg hat er als Musiker überleben können, weil er bei Amerikanern oder Franzosen mit seinem Können gefragt war. So ist Ernst Mosch übrigens bestimmt auch zu seiner Liebe zur Coca-Cola und zum Rauchen gekommen. Diese Dinge waren damals die »Währung«, gesund sind sie heute noch nicht…

Viele bekannte Musiker, wie zum Beispiel auch Max Greger oder Hugo ­Strasser, haben bei den Amerikanern in den Offiziersclubs gespielt, mit Swing und Jazz Erfahrungen gesammelt, die dann schließlich in die deutschen Rundfunk-Bigbands eingeflossen sind. Beim damaligen Süddeutschen Rundfunk ist dann Ernst Mosch als Posaunist engagiert worden, übrigens vom selben Professor Erwin Lehn, der mich 1987 dann dorthin geholt hat.

Auch Franz Bummerl, Gerald Weinkopf, Georg Ernszt, Manfred Hoffbauer und noch einige andere Musiker der Ursprungsbesetzung der »Egerländer Musikanten« waren bei dieser Band damals Mitte der 50er Jahre. Bei einem Bundespresseball – die Rundfunk-Bigbands haben immer diese Bundespressebälle gespielt – hat wohl ein Industrieller Geburtstag gefeiert und da kam man auf die Idee – weil ein paar von den Jungs aus dem Egerland waren – etwas Besonderes zu spielen: eine Polka.

Das muss damals so gut angekommen sein, dass beim Süddeutschen Rundfunk ein paar Titel produziert wurden. Die Sendung wurde am 21. April 1956 ausgestrahlt: »Fuchsgrabenpolka«, »Rauschende Birken« – diese Titel zählen definitiv zu den ältesten der Egerländer zugerechneten Original-Titel. Danach begann eine bis heute einmalige Blasmusik-Karriere!

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