Wood | Von Klaus Härtel

Klarinettenmundstück in Perfektion

Unmittelbare Spielbarkeit, volles Klangvolumen und individuelle Abstimmung, das verspricht das Klarinettensystem von Maxton. Die Kombination aus Mundstück und Blatt erfüllt sowohl die Bedürfnisse von Amateuren als auch die Anforderungen von Profis, da sie leicht und dauerhaft spielbar ist und gleichzeitig eine ausgezeichnete Tonqualität sowie Intonation aufweist. Für diese Innovation wurde Maxton im Oktober mit dem ACR Kooperationspreis 2019 ausgezeichnet.

Sie heißen Alma, Franz und Hugo, Clara, Fanny und Richard, Ludwig, Paul und Amadeus. Und sie sind Klarinettenmundstücke der Firma Maxton. Die Ansprüche des Firmenchefs und Klarinettisten Martin Fluch sind maximal. Mindestens. Wir sprachen mit ihm über Präzision, Perfektion und Prinzipien.

Selbstbewusst und überzeugt

Wenn man auf der Webseite der Wiener Firma Maxton von „perfekten Mundstücken“, dem „ulti­mativen Klang“ und einem „revolutionären Instrumentenbauer“ liest, mutet das zunächst einmal selbstbewusst an und von sich überzeugt. Martin Fluch ist definitiv beides. Halbe ­Sachen wären die seine nicht. Er ist das „Unternehmen Klarinettenmundstück“ mit Hingabe und kompromisslos angegangen.

Martin Fluch, Jahrgang 1976, ist studierter Klarinettist und seit 2005 im Radiosymphonieorchester Wien engagiert. Und weil Klarinettisten sowieso ständig auf der Suche nach Perfektion sind, hat Martin Fluch kurzerhand sein eigenes Mundstück hergestellt. Das ist zwar sehr vereinfacht und salopp formuliert, trifft aber den Kern. „Ich bin Musiker“, erklärt er. „Ich kenne die Gefühlswelt der Musiker und letztendlich geht es darum, dieses Gefühl auf hundertstel Millimeter herunterzubrechen.“ Und Fluch wusste schnell, dass er seine Vorstellungen im „normalen“ In­stru­menten­bau nicht würde realisieren können. „Das war illusorisch – denn da gibt es sicherlich bessere als mich.“ Also wählte er einen wissenschaftlichen Ansatz, indem er Kontakt zu Universitäten und außeruniversitären Einrichtungen suchte, Forschungsprojekte anstieß. Es sei da vor allem um Messtechnik sowie Materialforschung gegangen, erklärt Fluch.

“Holz ist ein super­genialer Werkstoff – nur leider ist Holz inhomogen.“

Großer Aufwand mit herkömmlichem Material

Und obwohl er in erster Linie Musiker sei, habe ihn der technisch-wissenschaftliche Ansatz „schon immer interessiert“. Er habe schon immer generell wissen wollen, warum was passiert. „Impulsgebend war aber mein Engagement im Radiosinfonieorchester in Wien.“ Das Orchester spiele moderne Literatur als Auftrag. „Man entfernt sich von der Gefühlswelt, die Musik wird zur Mathematik. Man muss neben komplexen Rhythmen auch spezielle Klangeffekte erzielen. Da bedarf es perfekt abgestimmten Mundstück-Blatt-Materials.“ Und das war der ausschlaggebende Punkt: Mit dem her­kömm­lichen Material sei der Aufwand so groß ge­wesen, dass er zur eigentlichen künstlerischen Tätigkeit nicht gekommen sei. Er habe nicht umsetzen können, was er habe umsetzen wollen.

Martin Fluch im Gespräch

Die Mundstück-Blatt-Kombination ist nun einmal der tongebende Teil der Klarinette, weiß Fluch. Für die Gefühlswelt, die Ansprache, die Tonqualität und diese Dinge „ist das Mundstück in Kombination mit dem Blatt ganz entscheidend“. Und an dieser Stelle „geht es natürlich um Präzision. Wie exakt kann ich ein Mundstück herstellen?“, fragt der Klarinettist. Die Bahnkurve, auf der das Blatt aufliegt, unterliegt absoluter Genauigkeit. „Im Prinzip kann man das nur mit Präzisions­maschinen herstellen. Denn die Gefühlswelt eines Musikers lässt die Unterschiede schon in geringsten Schwankungsbreiten fühlen.“ Die Entwicklungen in der Vergangenheit hatten immer zum Gegenstand, eine Kombination der Bahn mit dem Holzblatt zu suchen. Denn Holz, das weiß auch Martin Fluch, „ist ein super­genialer Werkstoff, hat super Eigenschaften, vereint sozusagen mehrere Materialien in sich – nur leider ist Holz inhomogen.“

Das perfekte Material

Ein Hauptaugenmerk lag in der Entwicklung also auf der Materialtechnik. „Das Material sollte gleichzeitig steif, aber auch hochelastisch sein“, sagt Martin Fluch. Er macht eine Kunstpause, denn das ist „im Prinzip ein Widerspruch“. Er löst auf: „Das Steife braucht man für den direkten, klaren Klang, das Elastische für den runden, weichen Klang.“ Den maximalen Ton zu bekommen ist Maxton nach einer Entwicklungszeit von mehr als zehn Jahren schließlich gelungen. Es galt, die klangtechnischen Vorteile von Kautschukmundstücken mit den Fertigungseigenschaften und der Formstabilität von Hartkunststoffen zu verbinden.

Diese zwei Aspekte habe man versucht, voll auszureizen. Für den besten Klang müssen Mundstück und Blatt eine verlässliche Genauigkeit aufweisen und miteinander harmonieren. „Für das Mundstück haben wir ein Werkstoffkonzept entwickelt, welches die beiden Faktoren Steifigkeit und Dämpfung bestmöglich vereint. Dieses Konzept sieht einen Matrix­werkstoff mit möglichst hoher Dämpfung vor, der durch Verstärkungsstoffe in Balance gebracht wird, sodass letztendlich ausreichende Steifigkeit bei möglichst hoher Dämpfung gewährleistet wird.“ Die Maxton-Mundstücke gibt es heute in zwei Materialvarianten. Die Classic-Linie wird aus PMMA-Compound gefertigt, die Linie „Flexilis“ besteht aus synthetischem Kautschuk.

Martin Fluch spricht von einer Revolution, „ohne mit der Tradition zu brechen“. Und es ist ja tatsächlich so: Das Mundstück bleibt ja immer noch ein Mundstück. Das Revolutionäre ist hingegen die Perfektion, die Genauigkeit – und in dem Zusammenhang vor allem „die Reproduzierbarkeit der Präzision“. Man habe durchaus die „musikalische Gefühlswelt“ und den wissenschaftlich-
mathematischen Forschungsansatz miteinander vereint.
„Das Potenzial der Musiker“, findet Martin Fluch, „wird oft beschränkt durch die Grenzen des Instruments beziehungsweise durch die Komplexität des Instruments.“ Ziel soll sein, dem Musiker möglichst alles zu liefern, damit er relativ simpel spielen kann. So hat man sich bei Maxton auch die Gummiringe ausgedacht. Diese seien zwar nur ein Detail, nichtsdestotrotz ein wesentlicher Faktor. „Normalerweise ist es ja üblich, Kork zu verwenden. Wir aber nehmen diese Ringe, wodurch jeder das Mundstück an seine Klarinette anpassen kann.“

“Wahnsinn” Klarinettenblatt

Der nächste Schritt ist das Klarinettenblatt. Und die Herstellung eines Blatts ist die Königs­disziplin. Martin Fluch weiß, dass zahlreiche Hersteller versucht haben, Kunststoffblätter zu eta­blieren. Mal mit weniger, mal mit mehr Erfolg. „Dieser Wahnsinn beschäftigt mich seit 25 Jahren“, lacht der Klarinettist. Die Idee sei, die Eigenschaften, die ein Holzblatt hat – hochsteife und flexible –, in einem Material homogen zu vereinigen. „Das haben wir erreicht!“ Auch hier gilt der Vorteil der hohen Präzision und vor allem die Reproduzierbarkeit dieser Präzision. „Wir produzieren perfekte Holzblätter – aus Kunststoff!“ Das neuartige Klarinettensystem, das Mundstück und Kunststoffblatt umfasst, soll in einem breiten Temperatur- und Feuchtigkeits­bereich immer gleich und leicht spielbar sein sowie geringen Blasdruck erfordern.

Doch auch wenn der Klarinettist ein weiteres Ziel erreicht hat – „fertig“ ist er wohl noch lange nicht. „Der Weg ist das Ziel“, weiß Martin Fluch. Es sei noch wahnsinnig viel Potenzial da. Als Musi­ker ein Instrument zu spielen heiße eben auch, in einer exponierten Position zu agieren. Da gebe es noch viel zu tun… Klaus Härtel