Wood | Von Klaus Härtel

Klarinettist und Komponist Helmut Hödl im Gespräch

Hödl
Helmut Hödl und Yu Hsuan Lin (Foto: Theresa Pewal)

So langsam geht es auch in Österreich wieder los mit dem gemeinsamen Musizieren. Blaskapellen dürfen wieder proben und auftreten und auch die Musikerinnen und Musiker der Wiener Volksoper haben den Probenbetrieb wieder aufgenommen. Klarinettist Helmut Hödl ist schon froh darüber – auch dass die „Styriarte“ im Grazer Konzerthaus steigt. Außerdem kann Hödl auf die Veröffentlichung seines Albums „Reflected“ zurückblicken. Wir haben ihn via Skype in zu Hause in Wien erwischt.

Herr Hödl, es ist schon schön, dass es endlich – wenn auch langsam – wieder losgeht, oder?

Ich kann ja zum Glück sagen, dass ich zwei feste Jobs habe. Als Lehrer und im Orchester bin ich weiterhin bezahlt worden, wenn auch in Kurzarbeit. Unterrichtet habe ich online. Ich darf mich also nicht beklagen. Aber freischaffend möchte ich momentan tatsächlich nicht unterwegs sein. Aber ich muss gestehen, dass die vergangen Monate auch eine sehr wertvolle Zeit waren. Ich habe ein Kind von vier Jahren und meinen Buben häufiger als sonst gesehen. Da wurde sozusagen eine Stopptaste gedrückt. Das war persönlich sehr wertvoll. 

Und für Journalisten hat es den Vorteil, dass viele Künstler zum Interview zur Verfügung stehen. 

(lacht) Ja schon, allerdings war das auch nicht immer einfach. Man hat etwa Pakete zum ORF geschickt, die Leute aber waren im Homeoffice. Es ist momentan eben nicht die einfachste Zeit eine CD zu promoten. Aber das kann man sich nicht aussuchen. 

Sprechen wir doch über die CD. Laut Waschzettel haben Sie bis zum 23. Lebensjahr zwischen Jazz-Saxofon und Klassik-Klarinette unterschieden. Danach dann nicht mehr – was ist passiert? 

Ja, das war vorher für mich klar getrennt. Natürlich gibt es hervorragende klassische Saxofonisten, aber für mich war das Instrument für den Jazz kategorisiert. Ich habe auch sehr viel gemacht in diese Richtung. Für mich war aber klar die Klarinette mein Instrument. Denn es gibt so viele gute Saxofonisten – ich hätte mit Klarinette aufhören und mich total auf das Saxofon konzentrieren müssen. In Japan habe ich mir eine CD von Eddie Daniels und Sabine Meyer mit dem Trio di Clarone gekauft („Blues for Sabine“, EMI). Ich war fasziniert und dachte mir: Wenn so was mit der Klarinette möglich ist… Das war die Initialzündung auch für unser Ensemble.

Reflected

Zwischen E- und U-Musik bewegt sich der Klarinettist Helmut Hödl begleitet von der Pianistin Yu-Hsuan Lin auf seinem Doppelalbum »Reflected« (Preiser Records). Die Klarinette wird hier mit ihrer üppigen Sound-Palette gefeiert – von Klassik, über Jazz, Cross-Over bis hin zur Improvisation. Die Grundlage für dieses Debütalbum liegt im persönlichen, intensiven Karriereweg des Klarinettisten, Pädagogen und Komponisten Helmut Hödl. Grenzen zwischen klassischen Repertoirewerken und Neukompositionen verschwinden und ermöglichen so dem Hörer ein pures Klangerlebnis ohne festgefahrene Interpretationsmuster. 

www.preiserrecords.at

Soll diese Doppel-CD auch demonstrieren, dass die Grenze zwischen E- und U-Musik für Sie nicht existiert?

Das auch, meine persönliche Absicht hier ist es aber, Stücke zu präsentieren, die mich schon sehr lange begleiten. Ich hatte diese Idee, eine CD mit Klavier zu machen. Natürlich hätte ich auch eine klassische CD mit dem Standardrepertoire aufnehmen können – was auch sehr schön sein kann. Aber ich wollte „Reflected“ herausbringen. Das Album reflektiert, was ich in der Vergangenheit so gemacht habe. Erst als Student, später als Pädagoge. Debussy etwa habe ich schon mit 18 bei einer Auswahlprüfung der Musik-Uni Wien gespielt. 

Das hätte natürlich auch das Gegenteil auslösen können: dass man genau diese Stücke jetzt eben nicht mehr spielen möchte… 

Das ist aber nicht der Fall. Denn es ist ein sehr schönes Repertoire und ich habe bisher klassisch nichts aufgenommen. 

Und wahrscheinlich blickt man 32 Jahre später auch etwas anders auf die Werke, oder? 

Am Anfang ist immer auch ein bisschen Effekthascherei dabei. Da ist der sportliche Ehrgeiz groß. Wenn man älter wird – natürlich ist man immer noch sportlich und ehrgeizig –, wird es „runder“. Es geht dann nicht mehr nur um die Effekte, sondern auch um die Musik. Es muss nicht immer das schnellste Tempo sein! Ich merke heute, dass ich niemanden mehr übertrumpfen will und muss. Meine Interpretation passt einfach zu mir. 

Und deshalb ist es durchaus denkbar, dass Sie die Stücke in 20 Jahren wieder ganz anders interpretieren?

Natürlich kann ein Werk der klassischen Musik in 20 Jahren anders interpretiert werden, doch die Spannweite, in der man sich bewegt, ist trotzdem sehr begrenzt. Wenn ich aber ein Stück der zweiten CD meines Albums „Reflected“ hernehmen würde, würde ich es sicher nie wieder so spielen wie auf der Aufnahme. Es wird komplett anders klingen. Das fasziniert mich sehr an der Improvisation. 

Wie haben Sie die Improvisation entdeckt? 

Das war schon in der Schule. Wir waren eine Handvoll junger Musiker, die auf dem Musikgymnasium in jeder Pause ins Klavierzimmer gerannt sind und einfach gespielt und improvisiert haben. Ich wollte das immer lernen und natürlich ist man am Anfang total unsicher. Und mit der Zeit habe ich gemerkt, dass die, die es machen, es auch nicht gelernt haben. Es gibt keine Patente. Man kauft sich Bücher und setzt sich doch einfach wieder hin und spielt. Learning by doing also.

Auch als Komponist war ich eigentlich Autodidakt. Ich habe das einfach ausprobiert. Ich habe mich ein paar Jahre auch nicht als Komponist bezeichnet, weil ich immer gefragt worden bin, wo ich Komposition studiert habe. Ich war sehr vorsichtig, weil impliziert wird, dass man eine Ausbildung benötigt. Das Denken habe ich dann irgendwann über Bord geworfen. Ich bin ich – das, was ich mache. 

Wie viele Stücke haben Sie komponiert, bis Sie sich selbst als Komponist bezeichnet haben?

1995 habe ich zum ersten Mal etwas komponiert. Das war ein Prozess. Am Anfang ist man sehr unsicher, weil es oft ein totaler Stress war. Aber du lernst in dieser Situation sehr viel als Komponist, denn du musst deine Werke ja auch verkaufen. Viele komponieren für die Schublade und haben dann im Jahr zehn bis 15 Aufführungen. Dann bekommt man aber nicht diese Praxis. Feedback finde ich wichtig. Du gehst raus mit deinen Stücken, präsentierst sie. Du ziehst dich da wirklich nackt aus und hörst die ganze Zeit den anderen zu, ob sie das eben so spielen wie du das fühlst… 

Wie komponieren Sie?

Es ist nach wie vor ein Prozess. Es ist wie ein Nebel, in den ich sozusagen hineingreife und Fetzen heraussuche. Und dann schaue ich, wie es zusammenpasst. Im ersten Moment hat man schon mal das Gefühl, dass gar nichts passt. Aber dann ergibt sich daraus doch ein Stück. Ich bin nicht der analytische Typ. Die Form muss einfach rund sein. Es ist schwer zu beschreiben. Ich muss gestehen: Wenn ich etwas nicht unterrichten möchte, dann ist es Komposition. Ich kann Schülern schon ein Feedback geben, aber das Komponieren ist so etwas Persönliches und Intimes, dass ich das gar nicht erklären kann. 

Wenn ich viel Zeit habe – wie jetzt in der Corona-Krise – wird’s kompliziert. Unter Stress im normalen Tagesgeschäft geht das perfekt. Da habe ich dann nur einen Weg und nicht so viele Möglichkeiten. Wenn ich zu viel Zeit habe, eröffnen sich viele Wege. Da verliert man sich oft. 

Also sind in der Corona-Zeit eher nicht so viele Stücke entstanden?

Kompositionen habe ich tatsächlich nicht geschafft. Ich habe mir zwischendurch überlegt, mal ein Solostück zu schreiben. Das habe ich sofort wieder aufgegeben… Ich habe ein paar Bearbeitungen für uns gemacht – da hatte ich nicht das Gefühl, kreativ sein zu müssen im Sinne von einer eigenen Idee. Auf jeden Fall bin ich nicht der romantische Typ, der zu einem See fährt, wenn er drei Monate Zeit hat. Das macht mir eher Stress. (lacht)

Am Anfang ist immer ein bisschen Effekt-
hascherei dabei. Wenn man älter wird – natürlich
ist man immer noch ehrgeizig –, wird es runder.

Unter welchen Gesichtspunkten haben Sie die Stücke auf der CD ausgewählt? Brahms ist da ja eine Art Klammer.

Ich habe den langsamen Satz aus der Brahms-Sonate genommen und über diesen improvisiert. Der Klavierpart ist nahezu original, es wurde nur ganz wenig von der Pianistin abgeändert. Die Satzlänge ist gleichgeblieben. Das war nicht so leicht und mir ist zuerst absolut nichts eingefallen, weil man so behaftet ist. Erst in dem Moment als die Aufnahmetaste gedrückt wurde, haben wir gespielt und es hat super funktioniert. Es ist gewagt. So etwas kann ja auch peinlich werden – aber es ist wirklich gut geworden.

Einige der anderen Stücke hatten wir schon im Quartett gespielt. Da wollte ich schon immer einmal eine Klavierversion machen. Und dann sind andere neue Kompositionen entstanden wie zum Beispiel „Ana“, „Prelude for JSB“. „Memories of India“ ist ein ganz altes Stück von mir, das habe ich vor 25 Jahren geschrieben. Ursprünglich hatte es einen anderen Titel. Mozart hat das oft auch so gemacht, dass er aus eigenen Stücken wieder Stücke herausgenommen und bearbeitet hat. 

Ist Ihr Album eine Art Visitenkarte für die Klarinette? Gerade weil diese in keine Schublade passt?

Da gibt es noch viele Dinge, die möglich sind. Ich würde eher sagen, dass es meine Visitenkarte ist. Ein Klarinetten-Quartett klingt immer dann furchtbar, wenn es nach Klarinetten-Quartett klingt. Wenn es klingt wie eine Bigband oder ein Streichquartett, dann ist es interessant und schöne Musik. Es soll Musik sein, die man sich gerne zu Hause auflegt.

Natürlich freut es mich, wenn Klarinettisten sagen, dass es gut gespielt ist, ihnen gefällt und dass die Interpretation sie anspricht. Aber ich versuche immer auch, Musik für Leute zu machen, die mit der Klarinette bisher nicht so viel anfangen konnten. Einen Klarinettisten zu beeindrucken, ist gar nicht so kompliziert, wenn du eine halbwegs gute Technik hast.

Werden Sie dieses Programm live spielen?

Wir spielen es in Wien am 9. Oktober. Ich möchte aber schon auch schauen, dass wir das öfter spielen. Das ist jetzt die Ausgangsposition, mit der man sich präsentiert und wir nutzen diese Produktion tatsächlich als Visitenkarte.

Helmut Hödl 

wurde 1969 in Oberwart im südlichen Burgenland geboren. Mit sechs Jahren begann Helmut Hödl mit seiner musikalischen Ausbildung. Mit vierzehn Jahren wechselte er an die Universität für Musik und darstellende Kunst Graz/Institut Oberschützen und studierte bei Prof. Gerhard Schönfeldinger Klarinette. Nach der Matura wechselte er an die Universität für Musik und darstellende Kunst Wien und studierte bei Peter Schmidl, Hans Hindler und Ernst Ottensamer. Sein Studium beendete Hödl an der Universität für Musik und darstellende Kunst Graz/Institut Oberschützen mit Auszeichnung.

1993 wurde er nach erfolgreichem Probespiel als 1.Klarinettist im Orchester der Wiener Volksoper engagiert. 

1995 gründete er das Ensemble vienna clarinet connection und sein Interesse am Komponieren wurde geweckt. Seit 1997 ist Hödl als Komponist tätig. Seine ersten Werke waren Bearbeitungen für Klarinettenquintett. In dieser Zeit kam der erste Kompositionsauftrag von Jeunesse musicales für das Festival »Britten und die Briten«. Seither schreibt er regelmäßig Werke für vienna clarinet connection, verschiedenste Kammermusikbesetzungen, Orchester und andere Ensembles (Klavierduo Kutrowatz, Quartett Parkplatz, Trio Mignon, Ensemble Wien-Laibach, Haydn Trio Eisenstadt, Symphonieorchester Vorarlberg). 

Seit 1999 ist Helmut Hödl Professor am Joseph Haydn Konservatorium Eisenstadt. 

www.hoedl-music.com