Brass | Von Christine Engel

LaBrassBanda-Tubist Stefan Huber

Stefan Huber (Foto: Foto Jung)

Der LaBrassBanda-Tubist Stefan Huber ist seit 2014 der Nachfolger von Andreas Hofmeir. Im Münchner Hofbräuhaus spricht er unter anderem über musikalische Vielseitigkeit und Politik.

Er redet gern. Das sagt er nicht nur von sich selbst – beim persönlichen Treffen im Bräustüberl des Hofbräuhauses merkt man das sofort. Da er aber nicht nur redet, ­sondern auch was zu sagen hat, geht das Interview mit Stefan Huber auch in die Tiefe. Man ­erfährt nicht nur einiges vom Musiker Stefan ­Huber, sondern besonders vom Menschen Stefan Huber.

Ein Mensch, der immer sehr unverkrampft an die Dinge im Leben herangeht und vielleicht gerade deshalb so erfolgreich ist. Und ein Typ, der sich mit einem gesunden Menschenverstand politisch engagiert und sich für die kulturelle sowie musikalische Vielseitigkeit einsetzt.

Das Hofbräuhaus ist wie für viele Blechblas­instrumentalisten kein unbekannter Ort für Stefan Huber. Er gehört zum Pool der Musiker der Familie Obermüller, die die Musik in Deutschlands bekanntestem Gasthaus organisiert. „Es wird tendenziell weniger, aber ab und zu spiele ich noch hier“, sagt er und bezahlt das Mineralwasser der Autorin mit den hauseigenen Biermarkerln.

Kein Fan von Gabalier

Heute hat er seine Tuba dabei und ist traditionell gekleidet, da er später noch mit einem Trio einen Auftritt haben wird. In München hat er schon immer viel gespielt. Zehn ­Jahre auf dem Oktoberfest im „Winzerer Fähndl“. Insgesamt 170 Tage Wiesn am Stück. Irgendwann ließ es die Zeit nicht mehr zu und außerdem setzt er ein Statement: „Als das mit dem Gabalier angefangen hat, musste ich auf­hören. Diese Lieder will ich nicht spielen.“

Das erste Mal war er 16 Jahre alt und spielte erst drei Jahre Tuba, als er die kompletten zwei Wochen auf der Wiesn muggte. Dafür hatte er vom Schuldirektor extra frei bekommen. Die Schule, das Karlsgymnasium in Bad Reichenhall, war sowieso an manchen Tagen eher zweitrangig für Stefan Huber. An einigen Vormittagen ging er lieber ins Probenlokal der Musikkapelle Aufham zum Üben. „Ich weiß nicht, ob man das jetzt so schreiben kann. Obwohl – jetzt ist das Schuleschwänzen ja ein bisschen populärer geworden.“ Statt „Fridays for Future“ war es bei Stefan „Mondays for Blasmusik“.

In der Musikkapelle Aufham hat nicht nur Stefan Huber seine Wurzeln. Sebastian Höglauer stammt ebenfalls aus diesem Verein. Die beiden sind gut befreundet und spielen viel miteinander, unter anderem bei den „Holzfrei Böhmischen“ und bei der „Kapelle So&So“. „Der einzige Unterschied zwischen uns ist: Er – Egerländer. Ich – LaBrassBanda. Ich brauche den Wasti nicht mal anschauen und weiß genau, was er spielt. Es ist saucool, dass wir mittlerweile schon 20 Jahre miteinander Musik machen.“

Stefan Huber ist drei Jahre älter als Sebastian Höglauer. Er wurde 1987 nahe Freilassing ge­boren und wuchs dort in einem Dorf am Waldrand auf. Jetzt lebt er direkt in Freilassing in einer WG mit seiner Freundin und einem weiteren Pärchen.

Mit sechs Jahren lernte er Steirische. Der nächste Nachbar, er wohnte 200 Meter entfernt, war Tubist in der Musikkapelle und der sagte ­öfter zu Stefan: „Du wirst mal mein Nachfolger.“ So fing er mit 13 Jahren eben bei diesem Nachbarn an und bekam kurz darauf Unterricht von Rudi Egner, der am Musikum Salzburg unter­richtete.

Den Wunsch, Musik zu studieren, hatte er relativ früh, obwohl Stefan eigentlich nicht wusste, was das konkret bedeutet. „Klassik kannte ich nur von der Schule und von Orchesterstellen hatte ich noch nie was gehört“, gibt er zu. Die Bruckner-Uni in Linz war die einzige Hochschule, an der er sich bewarb. Denn dort unterrichtet Wilfried Brandstötter von Mnozil Brass. „Mnozil Brass waren meine Jugendgötter.

Als ich die zum ersten Mal hörte, hat das mein Leben verändert.“ Stefan Huber wollte nur zu Wilfried Brandstötter. „Ich hatte den Aspekt, dass der mich nicht nimmt, gar nicht auf dem Schirm.“ Brandstötter nahm ihn – und ließ ihm seine Freiheiten. „Ich habe sogar nach Brasilien fahren können, um dort ein Oktoberfest zu spielen. Da wäre er eher beleidigt gewesen, wenn ich das nicht gemacht hätte“, erzählt er über seine Studienzeit.

Erst im Studium erfuhr Stefan Huber, dass das Hauptziel eines Musikstudenten das Orchester sei. Die Orchesterstelle ein Lottosechser, die Musikschulstelle nehme den zweiten Platz ein und weit abgeschlagen in der Reputationsliste komme der freischaffende Musiker. All das, so Stefan Hubers Gefühl, sei unter den Studenten propagiert worden.

„Ich habe dann die Orchesterstellen bis zu einem gewissen Grad geübt und relativ schnell festgestellt, dass mir das keinen Spaß macht, immer wieder die gleiche Zeile zu üben. Das war nicht meine Auffassung von ­Musik.“ Er probierte deshalb während seines Studiums viel aus und spielte in vielen Bands und Besetzungen, um möglichst viele Stile kennenzulernen. „Mein Vorbild blieb immer Mnozil Brass: rumtouren, verschiedene Orte, viele Leute, die wegen einem und seiner Musik kommen und vor denen man seine Musik machen kann. Das hat mich immer viel mehr gereizt als Orchester.“

Hörtipp

Die sieben Vollblutmusiker von LaBrassBanda haben Ende September ihren ersten neuen Song seit fast drei Jahren veröffentlicht. Ab Januar gibt’s das Album (Universal).

LaBrassBanda kannte er zu dieser Zeit schon. Als Zuhörer. „Zum ersten Mal erlebte ich die Band vor dem Tabakgeschäft in Freilassing. Das war in ihrer Anfangszeit, als sie ihre Mofa-Tour unternahmen.“ Stefan Huber war gerade mit seinem Studium fertig, als seine Mailbox eine Nachricht gespeichert hatte. Im Sommer 2013 war das und er hätte nach Melbourne zum Masterstudium gehen können.

Er hörte die Nachricht ab und hörte die Stimme von Stefan Dettl: „Servus, ich habe deine Nummer vom Weber Korbi.“ Stefan Huber hörte sich die Ansage fünf Mal hintereinander an und fuhr später zum La­Brass­Banda-Chef. Dort aß er mit ihm Spaghetti.

Vor der ersten Probe hörte sich Stefan Huber alle CDs an und machte sich haufenweise Notizen auf einem Block. Den brauchte er dann letztendlich nicht. „Wir haben einige Sachen gespielt, die der Andi Hofmeir so gespielt hatte. Aber ich habe relativ schnell meine eigenen Sachen reingebracht. Denn wenn man kopiert, kann man nur verlieren.“

Am darauffolgenden Tag ging es direkt nach Berlin und Hamburg, von wo das Konzert direkt von Arte aufgezeichnet wurde. Der Rest ist Geschichte – seine Unterrichtsstelle beim Salzburger Musikum musste er ziemlich bald aufgeben, denn die stand im krassen zeit­lichen Widerspruch zu seinem neuen Job.

Unverkrampft rangehen

Für den jungen Mann, der sich nach seiner Schulzeit nicht ausmalte, was ein Musikstudium bedeutet, lief es reibungslos. Er sagt: „Wenn man unverkrampft an die Sache rangeht, ist das meist besser.“ Aber er gibt auch zu: „Natürlich kann ich weise in meine privilegierte Vergangenheit schauen. Aus meiner Position ist das sehr einfach zu sagen. Trotzdem bin ich der festen Überzeugung: Man soll nicht alles so ernst nehmen. Wenn man gut ist und viel übt, wird man immer was zu tun haben.“

Manche Menschen assoziieren Andreas Martin Hofmeir immer noch mit LaBrassBanda. Ob Stefan Huber das stört? Nein, ihn störe das nicht. Am Anfang sei es krass gewesen, besonders von Hardcorefans hätte es Kommentare ge­geben. Darüber sah er mit der gleichen Lockerheit hinweg, wie er sonst sein Leben lebt. „Es wäre ja lächerlich, wenn man sich wegen solcher Sachen aufregt. Es ist mir wurscht, ich will Musik machen und eine schöne Zeit haben.“

Eine schöne Zeit hat Stefan Huber oft, denn er sieht seinen Beruf nicht als Job. „Klar muss ich mein Geld verdienen, aber Musik ist das allerliebste, was ich mache.“ Deshalb ist er immer mit ihr beschäftigt und es gibt kaum eine Zeit, in der er „nichts macht“. Denn sonst bekommt er ein schlechtes Gewissen. In seinem Keller hat er ein Studio eingerichtet, in dem er ausprobiert und arrangiert.

Selbst am Interviewtag ist er schon um 7 Uhr aufgestanden, um im Keller ein Cover eines österreichischen Liedes aufzunehmen. Seine Freundin, mit der er seit vier Jahren zusammen ist, habe für all das großes Verständnis, obwohl, so behauptet er, es nicht immer einfach mit ihm sei. „Wenn ich vom Studio hochkomme und sie mir von ihrem Tag erzählt, sage ich mir oft: Huber, konzentrier dich und hör gescheit zu und denk nicht schon wieder daran, was du morgen an deinem Arrangement aus­bessern kannst.“

Leidenschaft Lesen

Stefan Hubers weitere Leidenschaft ist das Lesen. Nicht im Tourbus, da hat er keine Zeit. „Da sitzen wir zusammen und ratschen.“ Die Lesezeit nimmt er sich im Zug, womit der autolose Tubist überall hinfährt. Derzeit liest er „GRM Brainfuck“ von Sybille Berg und davor war es „Herr Sonneborn geht nach Brüssel“ von Martin Sonneborn, EU-Abgeordneter und Mitglied von „Die Partei“. In die ist jetzt auch Stefan Huber eingetreten. „Das ist zwar eine Satirepartei, aber wenn man ehrlich ist, kann man das Ganze nur noch über Satire lösen.“ Er kritisiert den Kapitalismus scharf und ist sich sicher, dass dieser scheitern wird.

„Der Kapitalismus ist ein Komapatient, der künstlich am Leben erhalten wird.“ Als Beispiel dafür nennt er die Automobil-Indus­trie, die gerade durch Abwrackprämien und ähnliches unterstützt wird. Und im Gegenzug dazu blickt Huber auf Hartz-4-Bezieher, denen die Leistungen gekürzt werden. „Wenn du dein altes Auto weggibst und ein neues Auto kaufst, bekommst du tausende Euro vom Staat. Aber wenn du nichts hast und beispielsweise ein Formular zu spät abgibst, werden dir deine Leistungen gekürzt.“ Er betont: „Ich habe keine radikalen Ansichten. Ich sage nicht, alles müsse verstaatlicht werden und wir müssten in die DDR zurück. Aber man muss es mit einem gesunden Menschenverstand anpacken.“

„Das Schlimmste ist Gleichgültigkeit!“

Den gesunden Menschenverstand setzt er auch beim gesellschaftlichen Konsumverhalten ein: „Muss man sich jeden Tag ein Packerl bestellen? Muss man ein 500-Gramm-Steak essen, das aus Argentinien rübergeflogen wird? Muss man Plastiktüten benutzen? Man kann da sofort vor seiner eigenen Haustüre anfangen zu kehren und braucht nicht sagen: Ich kann nichts machen. Das ist lächerlich.

Das ist Faulheit und eine dumme Ausrede.“ Parteien am rechten Rand sind für Stefan Huber und LaBrassBanda sowieso ein No-Go und das artikulieren sie auch auf ihren Konzerten. „Man muss sich distanzieren von gewissen Sachen und da haben wir eine klare Linie.“ Angst hat er um die Kultur. „Nationalisten, Faschisten und rechte Leute haben nichts über für Kultur. Die war denen schon immer wurscht.“

Kultur verbindet Stefan Huber mit Vielseitigkeit. Er kritisiert den Bayerischen Rundfunk, besonders die Formatradiosender Bayern 1 und Bayern 3. „Da geht die Vielseitigkeit kaputt. In den Statuten steht, der Öffentlich-rechtliche Rundfunk habe einen Bildungsauftrag. Der wird mit Bayern 1 und Bayern 3 nicht erfüllt.“

Deshalb engagiert sich Stefan Huber bei zwei Radio­sendern als Moderator von Radiofrühschoppen: der Bayernwelle Südost und Radio Buh. Radio Buh wurde von Stefan Dettl gegründet und vertritt die Philosophie der Vielseitigkeit. „Da wird erst die ‚Fuchsgraben-Polka‘ gespielt und anschließend ‚Stairway to Heaven‘ von Led Zep­pelin. Warum denn nicht? Das Wichtigste an der Musik ist doch, dass es einen emotionalen Ausschlag gibt. Ob negativ oder positiv. Das ist kein großer Unterschied. Das Gegenteil ist das Schlimmste: Gleichgültigkeit!“