Die “Harmonie Municipale de Dudelange” (Stadtmusik Düdelingen/Luxemburg) ist ein Blasorchester im Großherzogtum Luxemburg, das 2021 sein 125-jähriges Bestehen feiert. Zu diesem besonderen Anlass wird das Orchester ein Konzert in der Philharmonie Luxemburg veranstalten, bei dem es mit dem Werk “Le Sud en Symphonie” des deutschen Komponisten Guido Rennert eine Uraufführung geben wird. Diese Reminiszenz an die Vergangenheit des luxemburgischen Südens als Stahlstandort umfasst drei Sätze von insgesamt 25 Minuten Länge.
Zusätzlich wurde eigens für dieses Werk und die Uraufführung ein aufwendiger, spannender Begleitfilm über die Region und deren Geschichte bzw. Entwicklung produziert, der parallel und gleichzeitig zur Musik präsentiert werden soll. Die Stadtmusik Düdelingen wird dabei von Chören der lokalen Musikschule (die ihrerseits in
diesem Jahr 75-jähriges Bestehen feiert) und einem Chor aus Folschette/Luxemburg begleitet. Darüber hinaus soll dieses besondere Auftragswerk im Rahmen von Esch 2022 (Esch-sur-Alzette, die größte Stadt im Süden Luxemburgs, ist nächstes Jahr europäische Kulturhauptstadt)im Mai 2022 vor der Kulisse des letzten noch stehenden Hochofens auf Esch-Belval dargeboten werden.
Die Komposition
1. Le vieux Luxembourg
Alles beginnt ganz einfach: Andante con moto, quasi zwei Töne im Wechsel; g² einmal und c² zweimal, danach alles immer zweimal, das Ganze als Sechzehntel, zwei Takte lang. Eine besondere Klangfarbe entsteht durch die leise vortragenden Instrumente Klavier und Vibrafon. Dann, nach einem kleinen Beckenwirbel als Übergang, erklingt im dritten Takt die Oboe auf der Terz, dem e² als punktierte halbe Note, mit Wechsel zu einer Viertelnote d². Sie wird unterstützt von Fagott (Grundton c), Triangel, Harfe, Cello und Kontrabass. Alles sehr schlicht, in C-Dur, minimalistisch, einfach, aber auch betörend schön. Man kann es hören und vielleicht auch fühlen: Luxemburg erwacht!
Nach und nach kommen mehrere Instrumente wie Flöte, Englischhorn, Klarinette und Glockenspiel äußerst behutsam und geschmackvoll hinzu und leiten mit einem Einsatz von Trompeten und Posaunen über zu einer klangstarken F-Dur-Passage. Eine typische “Rennert”-Klangdichtung entsteht, die so ideal auf das Medium Blasorchester abgestimmt ist, dass einen das Gefühl ereilt, diese Musik kann nur so erklingen – Alternativen ausgeschlossen.
“Héich de Bockel voll Gepäck”
Ab Takt 43 mit Auftakt, Allegro molto, hat der Kinderchor seinen ersten Einsatz, zunächst nur auf Vokalismen (Ah…) in B-Dur und im geschickt und effektvoll angelegten Wechsel mit dem ganzen Orchester. Erst in Takt 80 erklingt das Pfadfinderlied “Héich de Bockel voll Gepäck”, sehr fröhlich und lebensfroh in As-Dur und mit fast voll besetztem Orchester. Der Abschnitt zwischen Takt 97 und 109 dient als Übergang zu einem weiteren heimatverbundenen Lied (Andante molto), dem Thema der »Echternacher Springprozession«, das allerdings hier nur von zwei Klarinetten und zwei Fagotten gespielt wird. Begleitet wird dieses Quartett von wunderschönen, behutsam eingesetzten Orchesterklangfarben, die durch Hörner, Trompeten, Posaune und Harfenglissandi entstehen.
Ein elftaktiges Cellosolo mit einem anschließenden Largo-Abschnitt leitet über in das nächste vom Kinderchor intonierte Lied, »Wonnerschéin, du frait Land«. Dieses Lied hat Guido Rennert eigens für diese Sinfonie komponiert und mit einem passenden luxemburgischen Text versehen. Fragmente daraus werden immer wieder zitiert und bilden unter anderem die oben erwähnte Eingangssequenz der Sinfonie. Dieser Abschnitt enthält wieder eine gekonnt eingesetzte und fantasievoll gestaltete Orchesterbegleitung. Ihm folgt ein weiterer fünftaktiger Überleitungsteil, am Ende mit einem Cellosolo. Nach einer Wiederholung des Liedes erfolgt eine kurze Modulation, die im Allegretto ab Takt 166 mündet. Es kommt zu einem erneuten Einsatz des Kinderchores, der allerdings ohne Text nur auf den bereits erwähnten Vokalismen das Thema von Takt 43 mitsingen soll. Das abschließende Andante zitiert neu und vortrefflich instrumentiert den Anfang der Sinfonie und gleichsam das Lied »Wonnerschéin, du frait Land«, womit der Satz sehr ruhig ausklingt.
2. De la minette á l’acier
Den Titel könnte man – frei übersetzt – mit “Vom Eisenerz zum Stahl” wiedergeben. In diesem Satz soll die für die Entwicklung der Region sehr wichtige Montanindustrie und die daraus folgende Weiterverarbeitung hin zu modernen Stahlerzeugnissen, schlussendlich aber auch der Untergang dieses Industriezweiges quasi bis zum letzten Hammerschlag porträtiert, hervorgehoben und musikalisch dargestellt werden.
Natürlich beginnt dieser mit Risoluto überschriebene 2. Satz mit betörenden, rhythmischen Patterns im Fortissimo, gespielt von einem Amboss mit Hammer, verschiedenen Trommeln, Pauken und dissonanten (Septakkord), mit Dämpfer verfärbten Trompetenklängen. Klarinetten, Tenorsaxofon und Marimbafon symbolisieren mit Achtelnoten den Beginn eines heiteren Arbeitstages, immer wieder unterbrochen von den wuchtigen, stahlharten Rhythmuspatterns. Ab Takt 15 entsteht eine hymnenartige, im großen Klarinetten- und Saxofonregister instrumentierte Melodie in a-Moll, die vor Kraft strotzend große Zuversicht ausstrahlt. Geschickt wechselnde Instrumentierungen sorgen für Abwechslung und weitere Spannungsmomente. Insgesamt werden in diesem Abschnitt drei Themen verarbeitet, immer wieder neu instrumentiert, ergänzt, erweitert, zuweilen von den massiven Rhythmuspatterns grob unterbrochen, um dann in einem neuen, kraftvollen, von Trompeten, Posaunen und Tenorhorn/Bariton strahlend artikulierten Thema zu münden. Beinahe hitzig erscheint die Atmosphäre (Takt 85), die den mitunter gefährlichen Arbeitsbereich direkt bei den Hochöfen drastisch, stampfend, polternd darstellen soll.
Ab Takt 125 erklingt eine mythisch anmutende Klangfolge in den Hörnern, Fagotten und Posaunen, von Ges-Dur nach C-Dur, die man sich sehr gut als eine Grubenfahrt mit dem Förderkorb unter Tage vorstellen kann.
Gekrönt wird dieser fulminante Teil mit einem grandiosen Abschluss, in dem nach gefühlvollen Übergängen die wohl bekannteste Melodie dieser Berufsgruppe erklingt: das Steigerlied. Eine Solotrompete, nur von der Harfe begleitet, intoniert die Textstelle “…und er hat sein helles Licht bei der Nacht…”. Leise, mit verklingenden Achtelnoten in der Harfe, endet dieser für jene Region so wichtige Geschichtsabschnitt.
3. On dirait le sud
Der dritte Satz soll das heutige, neue Luxemburg mit seiner modernen Infrastruktur, seinen europäisch-internationalen Verbindungen und seiner multikulturellen Gesellschaft darstellen.
Wie ein befreiender Jubelschrei beginnt dann auch der dritte Satz. Trompeten und Hörner eröffnen mit einer Triolenfanfare im Dreier-Takt und genau auf der Zählzeit drei ertönt eben dieser Jubelschrei »Hey« des an dieser Stelle perfekt eingesetzten Kinderchores. Dreier- und Vierer-Takte wechseln sich ab und so geht es mit viel Schwung hinein in eine fast schon sonntagnachmittägliche, ausgelassene Stimmung: bestes Ausflugswetter, die bezaubernden Landschaften rund um Dudelange oder auch ganz Luxemburg, vielleicht ein Ausflug an die Alzette oder sogar in die Stadt Luxemburg? Überall nur gute Laune und Frohsinn. Guido Rennert schreibt Melodien, die genau das widerspiegeln; zudem schafft er es in beinahe unerreichter Manier, diese ergreifenden Melodien so zu instrumentieren, dass wieder einmal der Eindruck entsteht: Nur so kann es klingen!
Spiellaune und Klangexplosionen
Die Partitur bietet dem Orchester immer wieder Gelegenheiten, sich an Spiellaune und Klangexplosionen zu erfreuen und darin regelrecht zu schwelgen. Der Kinderchor wird ab Takt 77 wieder mit Vokalismen aktiv, diesmal als Klangunterstützung für die Flöten und 1. Klarinetten. Es folgt ein Abschnitt ohne Chor, der sicherlich nur das Ziel verfolgt, mit möglichst raffinierten Übergängen im lustigen Anfangsteil dieses Satzes zu münden. Das gelingt dann auch ab Takt 115, beinahe mit noch mehr Elan als zu Beginn. Nach einer effektvollen Modulation beruhigt sich das Tempo und es kommt, was kommen muss und ansonsten absolut fehlen würde: die Nationalhymne Luxemburgs »Eis Heemecht«. Aber wie schön die Überleitung gestaltet wurde, lässt sich kaum in Worte fassen. Es entstehen fast schon heilige Momente durch die kammermusikalischen Passagen, was für diese besonders schöne und anmutige Melodie absolut passend erscheint. Flöte, Oboe, Klarinette, Englischhorn, Fagott solistisch begleitet von Glockenspiel, Harfe und Klavier erklingen ungemein herzergreifend.
Erst ab Takt 182 beginnt die eigentliche Hymne, jetzt mit Text durch den Kinderchor vorgetragen. Durch die fantastische und üppig instrumentierte Holzbläserbegleitung (mit Tuben, Cello und Kontrabass) entsteht erneut ein Gänsehaut-Moment, der so guttut. Mit einem klangprächtigen, grandiosen Finale in C-Dur wird eine aufwühlende, mitreißende und faszinierende Komposition beendet, die viele Musikerinnen und Musiker sowie Zuhörerinnen und Zuhörer auch außerhalb Luxemburgs in ihren Bann ziehen und begeistern wird.
Le Sud en Symphonie
“Le Sud en Symphonie” ist eine Auftragskomposition der Harmonie Municipale Dudelange (Luxemburg) zu deren 125-jährigem Bestehen. Die geplante Uraufführung mit extra dafür produziertem Film soll am Sonntag, 16. Januar 2022, in der Philharmonie Luxemburg stattfinden.
Das Werk umfasst drei Sätze und präsentiert sich als ein aufwendiges musikalisches Heimatporträt über eine außergewöhnliche Landschaft, die Kultur, die Menschen und deren Geschichte aus der Gemeinde Dudelange, aber auch von ganz Luxemburg. Viele bekannte luxemburgische Heimat- und Kinderlieder, unter anderem “Héich de Bockel voll Gepäck”, “Oh du mäi Lëtzebuerg”, “Echternacher Springprozession” und die Nationalhymne “Eis Heemecht” werden, vom Kinderchor vorgetragen, manchmal auch nur angedeutet oder musikalisch interessant und mitunter spektakulär verarbeitet. Die Satzteile lauten “Le vieux Luxembourg”, “De la minette á l´acier” sowie “On dirait le sud”.
Besonderheiten bei der Besetzung: Kinderchor, Klavier, Harfe, Cello, mindestens sechs Schlagzeuger inklusive Pauken, unter anderem verschiedene Stabspiele, Amboss, Peitsche, Crotales, zwei große Trommeln, Kontrabassklarinette und Kontrabass.
Insgesamt 615 Takte, Anfang und Schluss in C-Dur, Dauer ca. 25 Minuten