Für viele ist er die Galionsfigur von Europas Jazz. Denn seit Jahrzehnten beweist Louis Sclavis auf höchstem Niveau, dass eine europäische Konzeption improvisierter Musik möglich ist. Der französische Klarinettist, so schreibt die Kritik, »erfüllt alle Kriterien des Prädikats Jazz, und doch ist seine Musik nichts weniger als afroamerikanisch«.
Als Louis Sclavis ernsthaft begann, improvisierte Musik zu machen, befand sich der Jazz gerade in einer sehr liberalistischen Phase. So zu spielen wie die großen Vorgänger – das zählte in den 1970er Jahren nicht viel. Stattdessen machte jeder sein eigenes Ding, entwickelte seine eigenen künstlerischen Konzepte und wurde an deren Originalität gemessen. Jeder Jazzmusiker erfand sich seine persönliche Art von Jazz. Und das gilt für Louis Sclavis heute noch: Seine Musik ist fantastisch, großartig, überwältigend – aber mit der amerikanischen Jazztradition hat sie sehr wenig zu tun. Der Kritiker Mike Zwerin schrieb 1997 über Sclavis’ Anfänge: »Er hatte absolut keine Ahnung davon, wie Mainstream-Jazz, Swing, Bebop – wie immer man es nennt – funktioniert. Er verstand nicht das Jazz-Vokabular, die alterierten Akkorde, die Broadway-Songform, die Melodielinien des Bebop. Es gab niemanden im Raum Lyon, der fähig und bereit gewesen wäre, ihm die Musik von Gerry Mulligan zu erklären.«