Orchestra, Praxis | Von Renold Quade

Mal konkret: »Ceremonial March« von Jan Van der Roost

»Very British«, das sind nicht nur Ascot und die Royals, Big Ben und die Tower Bridge, Trenchcoat und Schottenrock, Guinness, der Fünf-Uhr-Tee, Feigenmarmelade, kaltes Mittagessen und köstlicher Kuchen. Auch in der Musik ist da so etliches im Angebot.

Großbritannien und die Musik

England, Schottland, Wales und Irland haben eine reiche Musikgeschichte. In frühen Zeiten sogar eine ganz eigene, angefangen vom keltischen Gesang über mittelalterliche Weihnachtlieder bis hin zu Madrigalen der Renaissance. 

Aus gesamteuropäischer Sicht war zum Beispiel Georg Friedrich Händel nicht der erste prominente Vertreter des Festlandes, der musikalische Einflüsse mit auf die Inseln brachte und auch wieder welche mit zurück. In Zeiten der Klassik und Romantik war das Musikleben im Vereinigten Königreich stark von europäischen Strömungen bestimmt. 

Der romantische Nationalismus förderte aber dann auch dort wieder mit Nachdruck nationale Identitäten und Empfindungen. Fußend auf Volks(musik)traditionen eroberten sich Komponisten wie Arthur Sullivan, Gustav Holst, Edward Elgar, Ralph Vaughan Williams und Benjamin Britten ihren Platz in der Musikgeschichte.

Auch Folk, Jazz, Rock und Pop muss angesprochen werden. Unüberhörbar waren hier, angeführt von den Beatles, die britischen Akzente in den 1960er Jahren. Heutigentags und vermischt mit amerikanischen Einflüssen hat Great Britain weltweit große Bedeutung in der Unterhaltungsmusik­Industrie.

Und da ist auch die große Szene der Bläser mit der Bewegung der Heilsarmee und ihren musikalischen Ideen, die in der britischen Industrie auf fruchtbaren Boden fielen und zu reichen Bandtraditionen führten, bis hin zu Ensembles wie dem Philip Jones Brass Ensemble und London Brass.

Die Idee zu »Ceremonial March«

Dies vor Augen, informiert der Klappentext in der Partitur des »Ceremonial March« mit folgenden Hinweisen: »Nach dem Tod von Henry Purcell im Jahre 1695 gelang es zwei Jahrhunderte lang keinem einzigen englischen Komponisten mehr, besonders in den Vordergrund zu treten. 

Der Durchbruch von Edward Elgar (1857 bis 1934) am Ende des letzten Jahrhunderts zu einem international anerkannten und gefeierten Musiker war dann auch mehr oder weniger ein ›Novum‹. Edward Elgar war als Komponist größtenteils Autodidakt und orientierte sich stark an den musikalischen Entwicklungen auf dem europäischen Festland. Er konnte sich ohne Zweifel mit seinen Zeitgenossen, wie zum Beispiel dem jüngeren Richard Strauss, messen. 

Der Belgier Jan Van der Roost ist ein echter Liebhaber von Edward Elgars Werken. Anlässlich des 50. Todestages dieses Komponisten im Jahre 1984 schrieb er den ›Ceremonial March‹. Jan Van der Roost wurde dabei von den bekanntesten und am meisten gespielten Werken Elgars, den charakteristischen ›Pomp and Circumstance‹­Märschen, inspiriert und fügte dieser Sammlung mit seinem Werk einen sechsten Marsch hinzu.« 

In Zeiten von »Brexit« wird zumindest mir wieder bewusst, wie sehr doch alles in der Welt zusammenhängt und wie fragwürdig das wohl allzu fahrlässige Ignorieren von Zusammenhängen ist. Da ist mir auch der legendäre rabenschwarze Humor der Briten weder Trost noch Erklärung. Britisches Understatement Marke Oscar Wilde (»Ich habe einen ganz einfachen Geschmack. Das Beste ist mir gerade gut genug.«) sollte da vielleicht noch mal Anregung zum Nachdenken geben.

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