Es ist schon manchmal ein Kreuz mit dem Gedächtnis. Da kratzt man sich stundenlang am Kopf und versucht mühselig, den kleinen grauen Zellen die exakte Tonfolge eines Lie- des zu entlocken, aber das Oberstübchen streikt. Das ist bei Franz Ludwig Schachtners Musikern anders. Völlig anders. Sie haben zwischen 300 und 400 Musiktitel gespeichert, blitzschnell abrufbar von ihrer mentalen Festplatte. Franz Ludwig Schachtners Musiker sind blind. Für sie ist ein Gedächtnis in Topform nicht Luxus, »es ist geradezu überlebenswichtig«, wie er sagt. Vieles ist anders im Alltag eines Musikers, der beim Musizieren den Ausfall eines Sinnesorgans kompensieren muss. clarino.print hat die »Blinden Musiker München« bei einem Auftritt begleitet.
Es ist noch früh am Abend, im prunkvollen Kaisersaal der Münchner Residenz vertreten sich ein paar Gäste die Füße, wohl wissend, dass das Wittelsbacher-Prachtzimmer schon bald einer Sardinenbüchse gleicht. Fest eingenommen haben ihren Platz bereits neun Musiker, die von ihren Betreuern auf den eigens bereitgestellten Stühlen gleich neben der Bühne platziert worden sind. Denn wenn der bayerische Ministerpräsident bei seinem Neujahrsempfang erst einmal alle seiner rund 2000 Gäste mit Handschlag begrüßt hat, wird es eng im Kaisersaal – und da kann nicht nur ein blinder Mensch ganz schnell einmal die Orientierung verlieren.