Meine verehrten Leserinnen und Leser, unser Thema kommt zur rechten Zeit. Alle Welt spricht über TTIP, über CETA, über freie Märkte und darüber, wie man noch schneller und unkontrollierter zu Geld kommen kann, ohne Zoll und Steuern zu entrichten. »Gehm’ Se mir, denn nehm ick, nehm’ Se mir, denn schrei ick!« – diese Berliner Volksweisheit macht eigentlich deutlich, dass Geld nicht verloren gehen kann, sondern dass es immer nur andere bekommen, oder besser, anderen weggenommen wird.
Der Begriff »Marketing« wurde erstmals zwischen 1905 und 1920 an US-amerikanischen Universitäten verwendet. In Deutschland organisierte bereits 1935 Ludwig Erhard an der Handelshochschule in Nürnberg ein »Marketingseminar«.
Amateurblasmusik und Marketing (zu Deutsch: Absatzwirtschaft) – ist das nicht eine Contra-dictio in Adjecto? Tun wir das, was wir tun, nicht aus Leidenschaft und ohne andauernd aufs Geld zu schauen? Sind wir nicht der weitgehend ehrenamtliche und kostenlose Laienhumus in der »Massenware Musik« oder in der mehr oder weniger gut bezahlten Hochkunst?
Faktum ist, dass wir Amateurmusiker tatsächlich noch den Enthusiasmus über das Geld stellen und unser künstlerisches »Ranking« nicht dazu dient, Kollegen musikalisch und damit materiell niederzuringen, sondern in einem vielstimmigen fröhlichen »Vogelkonzert« zu zwitschern und zu jubilieren, in dem selbst der Rabe noch zu den Singvögeln zählt.
Trotzdem gelten leider auch in der Amateurmusik Marketingstrategien, die beachtet werden müssen, um erfolgreich die tägliche musikalische Arbeit verrichten zu können. Man braucht Geld für Werbung, Mitgliedergewinnung, Noten und Ausbildung, Probenräume und Konzertsäle. Zugegeben, die benötigten Summen bleiben noch überschaubar, müssen jedoch auch erst aufgebracht werden. Um sie zu sammeln, benötigen auch Amateurorchester eine »aktivitätsorientierte« Öffentlichkeitsarbeit.
Was ist aktivitätsorientiertes Marketing?
Unter »aktivitätsorientiertem Marketing« (frei nach Wikipedia) im Amateurmusizieren ist ein Bündel marktgerichteter Aktivitäten zu verstehen. Enger gefasst kann man künstlerisches Marketing als einen Prozess der Planung und Durchführung eines inhaltlichen Konzeptes, der Werbeaktivitäten und der Verbreitung von Ideen und künstlerischen Trends mit dem Zweck bezeichnen, in einen Austausch mit einem Publikum zu treten, Sponsoren zu finden und andere Ensembles zu erreichen.
Auch die Wünsche von einzelnen Personen und Kulturorganisationen sollten dabei befriedigt werden. Eine allgemeine Definition von »aktivitätsorientiertem« Marketing entstand in den 1970er Jahren und wurde sehr stark durch die Entwicklung und Betonung eines Marketing-Mix geprägt.
Idealismus
Diese modifizierte Beschreibung zeigt, dass gewisse Methoden des Wirtschaftsmarketings selbst im Amateurmusizieren Anwendung finden müssen, um in der Durchführung von Probenzyklen und Konzerten nicht in rote Zahlen zu rutschen. Mit einem kleinen praktischen Beispiel möchte ich dies erhärten.
Die Dresdner Bläserphilharmonie spielt ihre Konzerte im Konzertsaal des Deutschen Hygienemuseums. Andere, in der Qualität vergleichbare Säle stehen in Dresden nicht zur Verfügung. Nun erhalten Laienorchester, die ja noch immer die Basis unserer Hochkultur und somit unverzichtbar sind, in Dresden keinerlei finanziellen Bonus. Wir müssen die gleichen Summen für die Saalmiete aufbringen, die jedes kommerzielle Ensemble zu entrichten hat, also dreieinhalbtausend Euro pro Konzert. Hinzu kommen noch Nebenkosten für Programme und mögliche Sonderinstrumente.
Wenn wir den Saal ausverkauft haben, reichen die Eintrittsgelder zur Deckung der Unkosten. Dies setzt aber voraus, dass wir im Konzert der anderen, professionellen Dresdner Kulturinstitutionen mit unseren künstlerischen Leistungen mithalten können und dass sich jeder Musiker und Liebhaber des Orchesters an der Publikumsgewinnung beteiligen muss.
Bisher ist es uns immer gelungen, unsere Unkosten zu decken. Gleichzeitig, und dies ist ebenso wichtig für eine befriedigende Arbeitskontinuität, ist es uns gelungen, die Dresdner Bläserphilharmonie zu einer geachteten Adresse im Musikleben Dresdens und Sachsens zu machen. Künstlerische Qualität begünstigt hier die Schaffung einer treuen Hörergemeinde! Natürlich haben auch unsere Musiker bei ihrem Tun im Sinne der Spieltheorie handfeste Privatinteressen.