Brass | Von Helmut Peters

Matthias Höfs spielt Bach

Matthias Höfs, Foto: Sibylle Zettler
Matthias Höfs (Foto: Sibylle Zettler)

Gerade im Repertoire der Barockzeit leidet die Trompete gewiss nicht Mangel an wunderbaren Werken auch des großen Johann Sebastian Bach. Dummerweise aber hat Bach nicht ein einziges Trompetenkonzert geschrieben, von dem wir wissen oder dessen Partitur wir tatsächlich in Händen halten.

Ganz im Gegensatz übrigens zu vielen anderen Barockkomponisten wie etwa Georg Philipp Telemann, der gleich drei Trompetenkonzerte hinterlassen hat und die der rührige Trompeter und Hochschulprofessor Matthias Höfs natürlich schon etliche Male gespielt und aufgenommen hat.

Arrangeur und Bearbeiter

Wir kennen Höfs ja nicht nur als einen der besten Trompeter der Gegenwart und Teil des unvergleichlichen En­sembles German Brass. Höfs ist auch ein geschickter Arrangeur und Bearbeiter. Ein Spezialist, der sehr wohl prüft, welche Stücke sich für ihn persönlich oder ein Bläserensemble eignen. Auch für German Brass hat Höfs schon eine Vielzahl von Arrangements vorgelegt. Dabei ließ er sich stets viel Zeit, über die Wahl der richtigen Tonarten- und -höhen, die Phrasierungen und Besetzungen nachzudenken. Am Ende soll immer ein Stück herauskommen, das dem Original möglichst ebenbürtig ist und dessen eigentlicher Charakter nicht zerstört wird. Matthias Höfs ist ein Perfektionist. Wer ihn kennt, weiß von seiner Präzision und seiner Beharrlichkeit, egal ob er mit Studenten arbeitet, im Studio aufnimmt oder live zu erleben ist. Hohe Anerkennung genießt Höfs daher bei seinem Publikum und seinen  Kollegen. Einer dieser Kollegen sagte erst vor kurzem: „Egal wie lange er schon im Studio steht, er verspielt sich einfach nicht. Es klingt immer sauber und akkurat.“ Aber nicht nur das. Höfs Aufnahmen haben eine Seele und eine höchst individuelle Handschrift.

Der offizielle Album-Trailer
Bachs Werke eignen sich vorbildlich

Nun juckte es den 54-jährigen Trompeter, den Mangel an Trompetenkonzerten aus der Feder von Johann Sebastian Bach irgendwie auszugleichen. Und da sich gerade Bachs Werke vorbildlich dazu eignen, von den unterschiedlichsten Instrumenten gespielt zu werden, erlaubte sich Höfs, sechs bekannte – eigentlich für andere In­strumente gedachte Konzerte des Meisters – für die Trompete zu adaptieren und mit der famosen Deutschen Kammerphilharmonie Bremen aufzunehmen. Man darf dabei nicht vergessen, dass eine Trompete zu Bachs Lebenszeit nicht in der Lage gewesen wäre, den Anforderungen eines Cembalo- oder eines Violinkonzerts auch wirklich gerecht zu werden. Dafür war die Trompete in dieser Zeit technisch einfach noch nicht ausgerüstet. Sie hatte einen beschränkteren Tonvorrat als eine moderne Ventiltrompete und war in der Ansprache auch bei weitem nicht so wendig und flexibel wie ihre modernen Schwestern.

Thein-Brass baut die Instrumente

Matthias Höfs hat sich aber auch mit modernen Instrumenten längst nicht zufriedengegeben. Gemeinsam dem Trompetenbauer Thein-Brass aus Bremen hat er viele Instrumente entwickelt, darunter auch eine Piccolo-Trompete, die er bei dieser CD-Neuerscheinung spielt. Thein-Brass hat diverse Piccolo-Trompeten im Programm. Etwa die Piccolo B/A mit G-Set, Trigger am 1. und 4. Ventil. Der 4. Zug ist bei diesem Instrument kurz gemessen, in der tiefen Lage kann er bequem getriggert werden, wie Thein-Brass erläutert: „Das 4. Ventil ist bequem für die Hilfsgriffe und die Intonationsarbeit zu verwenden. Das Instrument hat separate B- und A-Mund­rohre. Für die G-Stimmung wird der Mundrohrkrümmer mit 1., 3. und 4. Zug gewechselt. Der 2. Zug ist fest eingelötet.

Die eigentlich notwendige Längenkorrektur wird durch instrumentenbautechnische ‚Kunstgriffe‘ im Instrument ausgeglichen. Das Timbre ist voll und ohne Schärfen. Das Instrument ist in allen drei Stimmungen perfekt intoniert. Die große Bohrung begünstigt den Luftfluss und vermindert unangenehmen Gegendruck. Die solide 24-karätige Vergoldung unterstützt den edlen Sound. Eine Intonations-Korrekturstelle im Schallbecher gleicht die üb­lichen Abweichungen des 5. und 6. Naturtons aus.“ Die Erweiterung zur Piccolo-G-Trompete, wie sie hier perfekt umgesetzt wurde, hat den Vorteil, dass der Bläser das gleiche Instrument in drei Stimmungen in Händen hält.

Piccolo in G mit F-Set

Um diesen kleinen instrumentenbauspezifischen Ausflug zu vervollständigen, sei zudem auf die Piccolo in G mit F-Set von Thein-Brass hingewiesen. Die Mittelstimmung G/F ist dabei für einen tieferen und volleren Piccoloklang und ein dunkleres Timbre vorgesehen. Für die F-Stimmung werden Schallbecher und Mundrohr gewechselt. Das Instrument ist als Bindeglied zwischen ­Piccolo- und Es-Trompete konzipiert. Matthias Höfs kam bei der Bearbeitung der Bach-Kon­zerte zugute, dass der Thomaskantor alle Instrumentalkonzerte stets am Tasteninstrument, dem Cembalo oder dem Clavier konzipiert hat. Dennoch gestand sich Höfs zu, die originalen Notentexte geringfügig zu ergänzen oder abzuwandeln, um sie „trompetengerecht“ zu machen. Das Adagio des Oboenkonzerts d-Moll nach Alessandro Marcello etwa hat er mit reichen Verzierungen versehen. „Das fand ich sehr reizvoll“, kommentiert der Trompeter, „es sind sehr berühmte Verzierungen.“ Der italienische Stil, wie hier von Marcello, hat Bach erheblich beeinflusst, wie ja auch seine Vivaldi-Adaptionen vielfach belegen. Dennoch waren auch Bach die typi­schen Repe­titio­nen des Vivaldi-Stils oftmals zuviel, weshalb er sie nicht selten in virtuose Läufe in der Bass­linie umgewandelt hat.

Solopart freier gestaltet

„Die Solopartien der Vivaldi-Konzerte“, sagt Mat­thias Höfs, „kann man zwar fast im Original spielen, aber mir waren manche Repetitions­passagen zu gleichförmig. Schon Bach hatte einige figuriert. Ich habe den Solopart etwas freier gestaltet.“ Eine Herausforderung war für den Bearbeiter gewiss die am Ende höchst ge­lun­gene Adaption des berühmten Doppelkonzerts d-Moll BWV 1060 für zwei Cembali. Bach habe bei der Bearbeitung des ursprünglich für Violine und Oboe gedachten Konzerts aber die Solopartie überwiegend unverändert in die rechte Hand des Cembalisten gelegt, sagt Höfs. Dies wiederum erleichterte die Projektion auf die Trompete und eine konzertierende Violine.

Matthias Höfs, der das Material ausgiebig prüft, bevor er zur Arbeit schreitet, nimmt nicht nur eine einzige Ausgabe zur Hand und arrangiert dann drauflos. Natürlich bleibt für ihn ein Bach selbst zugeschriebener Notentext stets der ­Ausgangspunkt. „Es gibt aber auch eine Handschrift von einem Zeitgenossen mit ganz anderen Oktavierungen“, erklärt der Trompeter seine Herangehensweise. „Von denen habe ich ei­nige übernommen. Es war ja damals schon üblich, ein Stück für das eigene Instrument anzupassen.“

Hörtipp

Matthias Höfs und die Deutsche ­Kammerphilharmonie Bremen: „Bach ­Trumpet ­Concertos“ (Berlin classics 1CD 0301305BC); www.berlin-­classics-music.com

Bach-Konzerte faszinierend interpretiert

Die interpretatorische Qualität dieser neu ein­gerichteten Bach-Konzerte für Trompete und Orchester ist faszinierend. Die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen ist hier durch ihre besten Solisten vertreten, allen voran Konzertmeisterin Sarah Christian (Solovioline), die die zuweilen haarsträubend schweren Soli mit Bravour meistert. Auch der Fagottist Higinio Arrue begeistert genauso wie der Cembalist Wolfgang Zerer. Matthias Höfs selbst leitet das Orchester nach barocker Manier und sorgt für eine brillante Balance und lebendigen Ausdruck.

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