Brass, Szene | Von Klaus Härtel

Matthias Höfs über Gershwin und Woodstock

German Brass verortet man normalerweise gut gekleidet im Konzertsaal. Am 29. Juni wird nun das »Woodstock der Blasmusik« die Bühne sein. Angst haben die Musiker keine – dafür haben sie schon zu viele Bühnen der Welt gesehen. Gut gekleidet werden sie auch dort sein – mehr üben werde man vorher nicht. Aber auch nicht weniger. Wir sprachen mit dem Trompeter Matthias Höfs.

Darf man das aktuelle German-Brass-Album »Rhapsody« auch als politisches Statement sehen? Oder wie würden Sie eine solche Interpretation bewerten? Denn gerade in der »heutigen unruhigen Zeit« könnte der grenzüberschreitende und völkerverbindende Charakter der Musik ja Gold wert sein, oder?

Die Musikzusammenstellung der CD »Rhapsody« war bereits abgeschlossen, lange bevor sich die politische Situation allerorten so wie heute entwickelt hatte. Ausschlaggebend für unsere Programme sind ausschließlich musikalische Gesichtspunkte, bestimmte Musik zu spielen oder eben nicht. Dabei versuchen wir allerdings immer, grenzüberschreitend zu sein und ein breites Publikum anzusprechen.

George Gershwin steht wie kein Zweiter für den »Klang Amerikas« – German Brass (auch) dem Namen nach für den deutschen. Wie sind diese beiden Seiten vereinbar?

George Gershwin, der mit seinen Kompositionen schwer in eine Schublade zu stecken ist, bietet German Brass gerade mit seiner »Rhapsody in Blue« eine optimale »Spielwiese«, unsere volle Klangpalette zu präsentieren. Dabei würde ich nicht von »amerikanischem« oder »deutschem« Klang sprechen.

Wir versuchen immer, der jeweiligen Komposition durch das entsprechende Arrangement und die Instrumentenauswahl gerecht zu werden und dabei durch unsere Spielkultur den German-Brass-Sound unverwechselbar zu machen.

Wie war die Vorgehensweise bei Auswahl und Arrangement der Werke der CD?

Gemeinsam mit Alexander (Erbrich-Crawford, die Redaktion) versuchten wir, der Gershwin-Rhapsody und dem fantastischen Medley, das uns vom Kollegen Schönfeld auf die Lippen arrangiert wurde, passende Musik, die »E« und »U« verbindet, zur Seite zu stellen.

Gegenüber Komponisten-CDs wollen wir mit dieser CD eine möglichst große Palette bieten, angelehnt an unsere Konzertprogramme. Neben Hochvirtuosem finden sich ebenso meditative Klänge –und das geht durch die Epochen. Eine CD, die man von vorne bis hinten durchhören kann.

Stimmt der Satz: »German Brass schert sich nicht um Genregrenzen, um die Unterscheidung zwischen E und U!«? Oder gibt es etwas, was »gar nicht geht«?

Uns ist es ein Anliegen, aufzuzeigen, dass auf unserem Instrumentarium alles geht. Eine dynamische Bandbreite, die einen großen Konzertsaal wie auch einen intimen Kammermusiksaal verträgt, eine Virtuosität und Wendigkeit, wie man sie unserem Instrumentarium nicht ohne weiteres zutraut, eine Klangvielfalt, die wir durch unseren Instrumentenreichtum und die riesige Auswahl von Dämpfern jedem Streicher- und Holzbläserensemble voraus haben.

Bei unseren Arrangements wissen wir nach jahrzehntelanger Erfahrung genau, was geht und wovon man lieber die Hände lässt. Wir gehen keine Kompromisse ein. Unsere Arrangements haben immer den Anspruch, die Komposition nicht abzuwerten, sondern einen neuen Blick darauf zu bekommen, der das Original nicht unbedingt vermissen lässt.

Warum ist Gershwins Werk so herausrAgend? Was bedeutet der Komponist Ihnen persönlich? Was verbinden Sie mit ihm?

Gershwin verbindet in seiner Musik klassische und jazzige Elemente. Deshalb fühlen wir uns mit German Brass dabei so wohl. Als ich als Kind erstmals die »Rhapsody in Blue« von einem Jugendorchester gespielt hörte, war ich dermaßen überwältigt, dass ich es kaum abwarten konnte, es selbst einmal aufs Notenpult zu bekommen.

Ich musste allerdings etwas länger warten. Um unsere Gage nicht auch noch mit einem Pianisten teilen zu müssen (lacht), habe ich dann den Klaviersolopart auf das Ensemble verteilt, was das Zusammenspiel betreffend eine wirkliche Herausforderung ist.

Im vergangenen Jahr haben Sie mit German Brass einen »ECHO Klassik« bekommen. Was bedeutet dieser Preis für die Arbeit des Ensembles und was für die Musiker persönlich? Ist ein »ECHO« Ansporn? Bestätigung? Druck?

Der »ECHO Klassik« ist eine besondere Auszeichnung, die auch bei der breiten Bevölkerung eine besondere Beachtung findet. Darüber haben wir uns, die erstmals in unserer 40-jährigen German-Brass-Geschichte ausgezeichnet wurden, natürlich sehr gefreut.

Ebenso unsere Veranstalter, die für unsere Konzerte mit diesem »Gütesiegel« werben konnten. Natürlich gibt man immer 100 Prozent als Musiker, der auf der Bühne steht, unabhängig von einer Auszeichnung oder einer bestimmten Veranstaltung.

Im Juni werden Sie beim »Woodstock der Blasmusik« auftreten? Wie kam es denn dazu?

Einer der Woodstock-Veranstalter, Simon Ertl, selbst Trompeter, hatte uns im vergangenen Jahr in Linz gehört und beschlossen, uns für dieses Jahr einzuladen. Fritz Winter, unser Posaunist, ist selbst Woodstock-erfahren und verspricht uns ein ganz besonderes Event.

Ein Open-Air-Festival ist nun etwas anderes als ein Konzert in (beispielsweise) der Elbphilharmonie. Was dürfen wir beim Woodstock erwarten?

Mit German Brass haben wir regelmäßig Open-Air-Konzerte in den Sommermonaten, was ich persönlich sehr liebe, da der Klang so ehrlich und direkt ist – unabhängig von Raumakustiken. Beim Festival werden wir uns aber wohl auf Mikrofonierung einstellen müssen. Das ist für uns eher unüblich.

Hat dieser Unterschied in der Location und beim Publikum Auswirkungen auf das Programm oder die Vorbereitung?

Natürlich suchen wir – wie bei jedem Konzert – etwas Passendes für den Anlass heraus und können dabei aus unserem großen Notenfundus schöpfen. Wir werden aber dafür nicht mehr oder weniger üben! (lacht)

Was überwiegt derzeit? Die Vorfreude oder die Vorahnung?

Wir lassen uns einfach überraschen, genauso wie von den noch vor dem Woodstock stattfindenden Konzerten in Deutschland und auf unserer zweiwöchigen China-Tournee.