Über 30 Trompeten besitzt Matthias Höfs – jede einzelne hat er gemeinsam mit dem Bremer Instrumentenhersteller Max Thein entwickelt und nach seinen eigenen Vorstellungen optimiert. Das neue Album „The Trumpets of Matthias Höfs“ gibt einen vielfältigen Eindruck dieser Sammlung.
„Schon immer hat mich die gigantische Vielfalt der Trompeten-Instrumente fasziniert“, sagt Höfs. „Es gibt kaum ein Instrument, das so vielseitig im Klang und Ausdruck ist, verbunden mit dieser enormen dynamischen Bandbreite und diesen Möglichkeiten.“ Jedesmal sei es wie Weihnachten für ihn, wenn das Instrument dann frisch glänzend für die ersten Konzerte zur Verfügung steht.
Über 30 Trompeten haben Sie mittlerweile. Können Sie sich noch an Ihre allererste Trompete erinnern? Haben Sie diese noch?
Matthias Höfs:Ja natürlich, mein Diskanthorn! Ich habe dieses Instrument besonders ins Herz geschlossen, weil es etwas ganz Besonderes ist. Ich erinnere mich, als ich das Instrument das erste Mal bei einem Kollegen gehört habe. Der Hornist spielte die h-Moll-Messe von Bach. Das Instrument war ungewöhnlich, weil es Trompetenstimmung hat, aber von einem Hornisten gespielt wurde. Das Horn in Hoch-B hatte einen fantastisch weichen Klang und ich dachte mir, dass das ein Instrument für einen Trompeter wäre, das man modifizieren könnte. Und so habe ich dann Max Thein kennengelernt. Das ist über 30 Jahre her. So lange arbeiten wir schon intensiv zusammen.
Max Thein: Wir hatten damals angefangen, für Harnoncourt zu bauen. Ein Instrument nach einem historischen Vorbild. Das waren Instrumente in Hoch-B und -C, mit Aufsteckbogen. Die hatten eine zylindrische Mensur wie eine Barocktrompete, aber einen großen Schallbecher von 180 bis 220 Millimetern. Eines Tages stand dann Ludwig Güttler vor unserer Tür und fragte, ob man so etwas mit Ventilen ausstatten könnte. Und dann kam Matthias Höfs. Seit 35 Jahren schauen wir, reden wir, probieren wir. Wir sprechen über den Anspruch und die Vorstellung, über die historische Klangidee und die moderne. Wir propagieren ja den modernen Instrumentenbau und sagen nicht stumpfsinnig: Alles was historisch ist, muss auch für die nächsten 200 Jahre so gespielt werden. Musik ist immer wieder etwas Neues, Kreatives. Mit Matthias Höfs versuchen wir eben, nah am Historischen dran zu sein, uns aber gleichzeitig davon zu lösen, um es in unsere Zeit zu transportieren.
Höfs: Was mir persönlich sehr wichtig ist als Musiker – und das empfinde ich als großes Glück –, dass man einen Instrumentenbauer an seiner Seite hat, der auf die klanglichen und technischen Bedürfnisse eingehen kann. Ein guter Schneider kennt die Größe, kennt die Problemzonen, den Geschmack, den Stoff und weiß, was gewünscht wird. Über viele Details müssen wir gar nicht mehr sprechen, weil Max mich ebenso gut kennt und genau weiß, was meine Vorstellung ist. Bevor man ein Instrument anspielt, gibt es da schon eine Basis.
Wie schafft man es, die gemeinsame Sprache zu finden? Gerade beim Klang benutzt ja nicht jeder Musiker das gleiche Vokabular, das der Instrumentenbauer dann versteht.
Höfs: Je besser man sich kennt, desto besser funktioniert es. Aber ja: Den Klang kann man nicht in Worte fassen. Man muss ihn spüren und hören. Und wenn man sich auf einer Ebene begegnen kann, die geprägt ist von gegenseitigem Respekt und auch von der richtigen Einschätzung, wie aufwendig die Dinge sind, dann kommt man zu einem Ergebnis, das man nicht überall vorfindet.
Thein: Wichtig ist es, offen und immer wieder neu an ein Projekt heranzutreten. Denn es ist schon gefährlich, wenn man sich so lange kennt. Die gewohnten Wege sind schon tief ausgetreten. Aber unsere Zusammenarbeit ist so vielfältig – wir haben immer versucht, uns wieder frei zu machen, offen zu sein und ungewöhnliche Wege zu gehen. Diese Vielfältigkeit trägt Matthias in sich.
Ist diese Vielfalt auch das Spannende an der Trompete? Dass es eben nicht diese eine gibt, sondern, nun ja, tausende? Denn es geht bei dem Bau der Trompeten ja nicht um eine, die immer weiterentwickelt wird, sondern um verschiedene Modelle.
Höfs: Es ist tatsächlich beides. Wir haben etwa die B-Trompete, wie man sie im Orchester spielt. An dieser B-Trompete gibt es eine Entwicklung über die letzten 30 Jahre. Wir haben ein Instrument, das wir immer wieder mit neuen Erkenntnissen verbessern wollen – die Intonation, die Ansprache, neue Klangfacetten. Wir experimentieren mit unterschiedlichsten Materialien, die man mittlerweile auch kombinieren kann. Das hat man vor 30 Jahren gar nicht versucht.
Vor 100 Jahren wurde noch sehr viel individueller gebaut. Auch weil es schlichtweg keine großen Fabriken gab, die nur am Geschäft interessiert waren und immer wieder reproduziert haben. Damals war die Instrumentenvielfalt riesig! Und die wieder zu entdecken, daran liegt mir persönlich viel. Auch das Publikum ist immer wieder fasziniert, wie facettenreich und unterschiedlich die Trompetenfamilien doch ist.
Thein: Wenn wir uns die deutsche B-Trompete anschauen, hatten wir vor 20 Jahren einen ganz dunklen Klang, fast flügelhornartig. Heute haben wir wieder mehr „Strahl“ drin und es kommt wieder mehr Wärme hinzu. Das ist eine kontinuierliche Weiterentwicklung. Und natürlich sind auch die Ansprüche gewachsen – an Intonation, an Ansprache, an Gleichmäßigkeit. Heute wird alles immer gleichmäßiger, ja gleichförmiger – aber warum sollte man sich das gleiche Stück von unterschiedlichen Interpreten anhören, wenn doch wieder alles gleich wäre? Wir wollen diese Vielfältigkeit gerne. Wir haben unsere Instrumente immer so gebaut, dass wir sie individuell anpassen können.
Also bauen Sie nicht nur „Maßanzüge“ für Herrn Höfs. Vielmehr sollen andere Trompeter ebenfalls davon profitieren, indem an der richtigen Stelle eben etwas enger oder weiter geschneidert wird?
Höfs: Ja, das ist mir persönlich auch wichtig. Da bin ich auch über jedes Feedback meiner Studenten sehr dankbar. Die Trompetenklasse in Hamburg setzt sich international zusammen. Ich bekomme also sehr detailliert mit, was dem einen hilft und dem anderen vielleicht nicht. Max Thein baut nicht nur ein Instrument, das in meiner Fantasterei meinen eigenen Ansprüchen gerecht wird, mit dem aber kein anderer etwas anfangen kann. Durch eine Zusammenarbeit von Musiker und Instrumentenbauer entwickelt sich etwas, von dem alle profitieren können.
Alles andere wäre vermutlich wirtschaftlich auch unvernünftig.
Thein: Ja, sicher. Es wäre zudem doch auch schade, wenn wir in den Bereichen Ansprache, Intonation, Klangfarbe oder Lebendigkeit etwas herauskitzeln, was dann aber exklusiv und nicht für andere zugänglich wäre. Unsere Zusammenarbeit hat viele Türen geöffnet – und diese Türen dürfen und sollen auch andere nutzen. Viele Musiker denken ja auch, dass sie nur dieses Instrument oder jenes Mundstück bräuchten, damit es funktioniert. Tut es aber nicht. Die Individualität eines jeden Einzelnen soll erhalten bleiben. Wir wollen nicht alle gleich machen. Wir wollen auch nicht 20 Leute haben, die wie Matthias Höfs klingen. Jeder Mensch ist ein Künstler auf seinem Niveau. Wenn jemand einen einfachen Choral spielt und damit glücklich ist, das ist doch das Schönste, was wir uns vorstellen können.
Sie kommen nun also in einen Raum mit 30 Trompeten. Wie entscheidet man, wann man welche spielt? Oder ist diese CD genau deswegen entstanden, damit jedes Instrument einmal zum Einsatz kommt?
Höfs: Ich gebe zu, dass die Entscheidung schwerfällt, wenn man so viele schöne Instrumente hat – der Tag aber nur 24 Stunden. Am liebsten würde ich alle Instrumente jeden Tag bedienen, doch das kann ich einfach nicht. Welches Instrument ich spiele, hängt auch mit meinen Aufgaben zusammen. Wenn ich ein Konzert habe mit einem speziellen Programm, muss ich mich mit dem jeweiligen Instrumentarium eigens darauf vorbereiten. Und das braucht mal mehr, mal weniger Zeit. Wenn ich selbst ein Programm zusammenstelle, ist es mir ein Anliegen, diese Vielfarbigkeit und Vielseitigkeit meines Instrumentariums auch zu zeigen. Die Konzertbesucher kommen häufig zu mir und fragen mich, was ich da spiele. Dadurch entsteht etwas Besonderes – und das hat man nicht unbedingt, wenn man in ein Klavier- oder Orgelkonzert geht. Selbst meine Musikerkollegen, vor allem wenn sie selbst keine Trompeter sind, sind fasziniert von so einer breiten Palette an Instrumentarium.
Aber das ist schon auch die Idee, die hinter dem aktuellen Album steckt, oder?
Höfs: Das Programm auf der CD hat sich entwickelt. In dieser Konstellation stellt es die Entwicklungsgeschichte der Trompetenfamilie dar. Jede Musik ist für jedes Instrument sehr individuell und sehr passend. Wir zeigen die Möglichkeiten auf. Das erste Stück, die berühmte Händel-Arie aus dem „Messias“, ist exemplarisch für uns Trompeter. Faszinierend, wie Händel es geschafft hat, nur mit Naturtönen eine solch musikalisch runde, wunderbare Arie zu präsentieren. Bei „Trumpets shall sound“ öffnet sich der Himmel. Wenn man diese Musik hört, kann man gar nicht anders als gut gelaunt sein.

Die Trompeten des Matthias Höfs
Matthias Höfs beherrscht all seine Instrumente virtuos und präsentiert mit ihnen auf dem aktuellen Album unter anderem Werke von Händel, Glazunov und Verdi, aber auch moderne Stücke von Skalkotta, Jolivet und Kerschek. Unterstützt wird er dabei von renommierten Ensembles wie Concerto Köln oder German Brass (Label: Berlin Classics; Vertrieb: Edel:Kultur).
Weiter geht es dann mit der nächsten Entwicklungsstufe, nämlich mit dem Versuch, das Instrument chromatisch zu machen. Anton Weidinger, der damalige Trompeter von Josef Haydn, hat mit einer Klappentrompete experimentiert und sich nicht mit der Naturtrompete zufriedengegeben. Verrückterweise hat sich dann zehn Jahre später das Ventil als viel leichtgängiger herausgestellt und gab dem Instrumentalisten ganz andere Möglichkeiten. Dann plötzlich gab es unterschiedlichste Trompetenformen. Und diese Entwicklungen haben wir versucht, auf dieser CD darzustellen.
Für die Begleitung haben wir mal ein Barockorchester, mal ein klassisches Orchester gewählt und dann ein Salonorchester, wie sie in der Zeit der Romantik ganz typisch waren. Zeitgleich hat sich Giuseppe Verdi überlegt, dass er etwas Spektakuläres braucht, wenn er eine Oper für die Eröffnung des Suezkanals komponieren soll. Es entstand also diese Aida-Trompete in der langgestreckten Form. All diese Instrumente machen eine sehr kurzweilige CD.
Mit dieser musikhistorischen CD – und das sowohl kompositorisch als auch instrumentenbautechnisch – kann man also sogar noch was lernen.
Höfs: Genau so ist das gedacht.
Thein: Dieses Album ist auch deshalb etwas Besonderes, weil in Deutschland sonst dieses Schubladendenken vorherrscht. Matthias Höfs aber zeigt das ganze Spektrum von der Barocktrompete bis hin zu avantgardistischen Dingen und Jazz. Das ist unheimlich vielfältig. Deswegen kommt er immer zu uns und fordert: Mensch, macht doch mal was Neues, ich habe da eine Idee! Aber er ist nicht davon getrieben, den Leuten mal zu zeigen, was da so geht, sondern es ist seine Liebe zur Musik und auch die CD ist von Sonne und Licht getragen. Man hört den Spaß und den will man auch hören. Da geht das Herz auf. Und hoffentlich nicht nur für Trompeter, sondern für alle. Denn es ist Musik in allen Facetten.
Deshalb erübrigt sich wahrscheinlich die Frage, welche der 30 Trompeten ihre Lieblingstrompete ist.
Höfs: Ja, das kann ich tatsächlich nicht beantworten. Ich werde auch oft gefragt, welches mein Lieblingsstück ist. Ich sage dann immer: Eigentlich das, das gerade auf dem Notenpult liegt. Und so ist es auch beim Instrument. Mein Lieblingsinstrument ist das, mit dem ich mich gerade auseinandersetze, mit dem ich gerade den Klang so schön wie es nur geht reproduziere.
Wird es Trompete Nummer 31 geben?
Höfs: Wir sind nun schon bei Nummer 32. Ich habe mit Max einen Instrumentenbauer gefunden, der wirklich offen ist für alles und darüber hinaus habe ich einen Komponistenfreund, der auch immer neue Sachen für mich schreibt, mit denen er alles aus mir herauskitzeln will. Mit meinem nächsten Projekt wollen wir indische Raga-Gesänge darstellen. Wir haben versucht, dafür ein normales Ventilinstrument zu nutzen. Aber das funktionierte nicht, denn man braucht die Möglichkeit eines Glissandos. Das dafür entwickelte Instrument hat nun auf der einen Seite einen Posaunenzug. Man spielt es zweihändig, ich greife rechts und mit links spiele ich dann diese Posaune… So etwas Verrücktes ist mit Max Thein möglich – und das ist nur ein Beispiel, an dem wir dran sind. Da kommen noch ganz viele Variationen.

Solange es also Ideen gibt, solange wird es auch eine Entwicklung geben, die nie zu Ende ist.
Thein: Es ist etwas Besonderes für uns, einen Musiker zu haben, der diese Kreativität ohne Barrieren in sich trägt. Immer wieder sprüht er vor Ideen und Musikalität, Leben und Lebenslust sowie Kraft. Und das alles zusammen ist einfach klasse!