Nachdem in vorherigen Artikeln die Bedeutung einer täglichen Routine behandelt wurde, möchte ich nun auf das “Wie” eingehen, bevor ich mich später dem “Was” widme. Mechanisches Üben vs. Achtsames Üben
Jedes Üben sollte immer dem Ziel dienen, eine Verbindung zwischen Gehirn und Lippen herzustellen und zu verstärken. Die zum Musizieren erforderlichen Abläufe müssen verinnerlicht werden, damit man sich in der Probe oder im Konzert nicht mehr damit beschäftigen muss, sondern auf das vertrauen kann, was eingeübt wurde. Dabei sollte man sich immer das gewünschte Ergebnis vorstellen bevor man mit dem Spielen beginnt – nicht spielen und das Ergebnis im Nachhinein beurteilen. Je näher man am Anfang mit einer bestimmten Übung oder Spieltechnik ist, desto wichtiger ist es, bewusster die Steuerung der verschiedenen Vorgänge vorzunehmen.
Nehmen wir eine Lippenbindung von einer Naturtonlage zur nächst höheren als Beispiel, so sollte das Ziel sein, sich einfach nur vorzustellen wie sich die Bindung anhören soll. Der Weg dorthin beginnt damit die Lippenspannung vom Ausgangston zu erhöhen und die Lippenöffnung dadurch zu verkleinern. Ab einem bestimmten Punkt wird der Ton zum nächst höheren Naturton umspringen.
Achtsames Üben
Im Laufe der Zeit sollte dieser Vorgang immer effizienter gestaltet werden und durch die Verbindung von »Wie soll es klingen?« und »Das muss ich dafür tun!« wird die Lippenbindung verinnerlicht. In einem Musikstück kann ich nun den Fokus von der motorischen Seite auf die musikalische Vorstellung verschieben. Essentielle Voraussetzung für diese Art des Spielens ist ein gutes Gehör. Man muss sich das, was man spielen möchte, vorher vorstellen können und den Klang sowie die Töne hören, bevor man spielt. Diese Übe- und Spielweise unterstützt die Verbesserung des Hörens.
Diese Art des Übens nenne ich »Achtsames Üben«. Dem gegenüber stelle ich das »Mechanische Üben«. Das mechanische Üben konzentriert sich allein auf die motorische Seite des Blechblasinstrumentenspiels. Töne spielt man, weil man sich die Lippenstellung gemerkt hat, Bindungen funktionieren, weil der Ton bei Spannungserhöhung der Lippen zum nächsten Naturton umspringt. Probleme beim Tönetreffen versucht man durch exzessives Wiederholen einer Übung zu eliminieren. Oft wiegt einen dabei die Physik des Instrumentes in Sicherheit, da ein bestimmter Ton auch erklingt, wenn man eigentlich nicht die korrekte Lippenstellung dafür hat.
Daran geht kein Weg vorbei
Die Folge dadurch ist aber mangelnde Konstanz im Spiel und schnell schwindende Ausdauer. Bei Schülern und auch bei mir selbst habe ich die Beobachtung gemacht, dass sich Schwierigkeiten beim Spielen eines Tones auf eine mangelhafte Verbindung zwischen Gehör und Lippen zurückführen lassen. Springt ein Ton gerade so an, der Klang ist jedoch nicht offen, man muss kämpfen, um ihn zu halten, oder spielt man den gleichen Ton auf dem Mundstück, so wird der Ton auf dem Mundstück tiefer sein als er sein sollte. Das Mundstück ist dafür ein nützliches Hilfsmittel, um Probleme aufzudecken, aber auch zu beheben, da ich mir dort den Ton ganz genau vorstellen muss, damit er erklingt.
Für mich persönlich führt am achtsamen Üben kein Weg vorbei. Der Verbindung zwischen Gehör bzw. Gehirn und Lippen muss beim Blechblasinstrumentenspiel oberste Priorität eingeräumt werden.
Peter Hedrich
ist Erster Posaunist in der Big Band der Polizei des Saarlandes. Mit dem »Peter Hedrich Quintett« hat er 2018 seine erste CD »New Hope« veröffentlicht. Er spielte mit der WDR Big Band, der Big Band der Bundeswehr, dem Bujazzo und anderen namhaften Ensembles. Seine erste Methode für Posaune TromboneDo ist im Dezember 2022 erschienen. Seit Wintersemester 2023/24 ist Peter Hedrich Lehrbeauftragter an der Hochschule für Musik Saar für Jazzposaune und Ensemble. Er spielt Posaunen von XO Brass.