Mentales Training ist heute auch für Musikerinnen und Musiker ein großes Thema. Die Mentalcoaches Doris Angerer und Peter Laib zeigen praktische Techniken auf, mit denen schwierige Situationen im musikalischen Alltag bewältigt werden können. In diesem Beitrag geht es um den Umgang mit Zukunftssorgen.
Manfred (46) an Doris und Peter:
„Seit der Corona-Krise mache ich mir viel zu viel Sorgen über meine Zukunft. Keine Ahnung, ob es wieder so wird, wie es vor März 2020 einmal war. Sehr oft hänge ich in negativen Gedanken fest und überlege, dass ich mir langfristig vielleicht doch besser eine alternative Tätigkeit suchen sollte. Die Lust aufs Üben mit zu vielen von diesen Überlegungen oder Gedanken hat auf jeden Fall sehr nachgelassen und das wiederum macht sich bereits in meiner musikalischen Leistungsfähigkeit bemerkbar. Habt ihr mir einen Tipp, wie ich aus solchen Gedanken wieder rauskommen kann?“
Lieber Manfred,
mit deinen Sorgen bist du nicht alleine. Doris untersuchte in ihrer Masterarbeit (2021) die coronabedingten Sorgen und Ängste von BerufsmusikerInnen. Für viele war es ein einschneidendes Lebensereignis, das mit existenziellen Krisen oder Struktur- und Motivationsverlust einherging. Das Ergebnis der Untersuchung zeigte jedoch klar, dass ein Ausstieg aus dem Gedankenkarussell möglich ist. Die StudienteilnehmerInnen fühlten sich nach dem Erlernen der unten beschriebenen Mentaltechnik körperlich und psychisch fitter, waren weniger angespannt und hatten das Gefühl, über mehr Selbstbestimmung und -kontrolle zu verfügen.
Was geschieht im Gehirn bei Sorgen?
In der Psychologie versteht man unter Sorgen automatische, unkontrollierbare und negative Gedanken und Bilder hinsichtlich der Zukunft, die durch tatsächliche oder „nur“ vorgestellte Szenarien ausgelöst werden können. Formen sich diese Gedanken und Bilder zu einem Film, der immer wieder abgespielt wird, stellen wir uns gedanklich auf eine Bedrohung ein, die noch nicht da ist. Diese gedankliche Aktivierung löst Angst aus.
Welche Folgen hat Angst?
Die vorgestellte Bedrohung stellt eine Stresssituation dar, die zusätzlich für eine körperliche Aktivierung sorgt. Diese geht mit erhöhter Muskelspannung, höherem Puls und schnellerer Atmung einher. Das wiederum verstärkt Befürchtungen, Besorgnis und Bedenken hinsichtlich einer negativen Entwicklung in der Zukunft, wodurch die Angst noch größer wird.
Wie kann mit Sorgen und Ängsten umgegangen werden?
Um wieder mit Hoffnung in die Zukunft zu schauen, ist es wichtig, sein Denken anzupassen, denn die ablaufenden Gedanken sind nicht hilfreich. Sie müssen unterbrochen werden und durch alternative hilfreiche Szenarien ersetzt werden. Dadurch sinken Anspannung und Angstgefühle, während gleichzeitig Konzentration, Motivation und Stimmung steigen. Zudem verbessert sich das Gefühl der Selbstwirksamkeit, wenn man erlebt, dass man seine Gedanken beeinflussen kann. Die folgende mentale Technik hilft beim Umgang mit Sorgen und Zukunftsängsten.
Praktische Anleitung: Dein „Mental Dope“ in dieser Situation
Wenn eine Situation eintritt, in der dir sorgenvolle Szenarien durch den Kopf gehen (z. B. wegen einer ungünstigen Arbeitsmarktsituation), dann …
- Identifiziere und bewerte diese ängstigenden Gedankenketten! Mithilfe von Achtsamkeit kannst du dir deiner Zukunftssorgen erst einmal bewusst werden. Da du nicht weißt, was die Zukunft bringt, kannst du deine Gedanken als „nicht real“ oder „unkonstruktiv“ bewerten.
- Drücke deinen mentalen Stopp-Schalter und unterbrich diese Gedanken! Erstelle dir in deiner Vorstellung einen persönlichen Stopp-Schalter, den du mental betätigen kannst. Eine Möglichkeit wäre zum Beispiel ein roter Buzzer zum Draufschlagen, wie man ihn aus TV-Shows kennt. Dadurch, dass du dir vorstellst, den Schalter zu drücken, lenkst du deine Aufmerksamkeit auf Neues.
- Stell dir den Normal- oder Idealverlauf in der Zukunft vor! Durch das Abspielen des Normal- oder Idealverlaufs entstehen alternative Sichtweisen und Erklärungen. Am besten notierst du dir deinen Normal- oder Idealverlauf schriftlich (stichwortartig reicht). Diese Vorstellung lässt dich deutlich weniger Stress erleben.
Integriere diese Mentaltechnik in deinen Übe-Alltag!
Wende diese Übung in deinem Alltag immer an, wenn du merkst, dass gerade sorgenvolle Gedanken ablaufen. Du darfst die drei Schritte zu Beginn gerne einzeln üben. Fang z. B. so an, dass du einfach mal ein paar Tage deinen Stopp-Schalter mental drückst, wenn dir Sorgen über die Zukunft bewusst werden, um diese zu unterbrechen. Dann erst nimmst du Schritt 3 dazu und stellst dir den Normal- oder Idealverlauf vor.

Die Autoren
Doris Angerer arbeitet als Psychologin (MSc.) im FrauenTherapieZentrum München. Als selbstständiger Mentalcoach hat sie sich auf Sorgen und Ängste von Peak-Performern spezialisiert.
Peter Laib, Mentalcoach (MSc.) für Musikerinnen und Musiker, Diplom-Musiklehrer, Sousafonist bei „Moop Mama“ und Tubist bei „Ernst Hutter & Die Egerländer Musikanten – Das Original“.
Bist auch du in einer Situation, in der „Mental Dope“ von großem Vorteil wäre? Dann schreib uns eine E-Mail an mentaldope@brawoo.de
(Fotos: Hagen Schnauss, Felix Steiner)