Mentales Training ist heute auch für Musikerinnen und Musiker ein großes Thema. Die Mentalcoaches Doris Angerer und Peter Laib zeigen praktische Techniken auf, mit denen schwierige Situationen im musikalischen Alltag bewältigt werden können.
Theresa (41) an Doris und Peter:
„Vor kurzem habe ich im Konzert nicht den richtigen Ton getroffen. In diesem Moment fühlte ich mich wie vom Blitz getroffen und war dann für den restlichen Abend völlig verkrampft und unsicher. Wie kann ich nach einer solchen Situation entspannt und selbstbewusst weiterspielen?“
Liebe Theresa,
das was du erlebt hast, geschieht vielen anderen Musikerinnen und Musikern auch. Als Mensch jederzeit „zu funktionieren“ ist unrealistisch. Die gute Nachricht: Du kannst lernen mit solchen Situationen in Zukunft flexibel umzugehen. Wir erklären dir gerne den psychologischen Hintergrund und geben dir einen praktischen Lösungsvorschlag an die Hand.
Was geht in unserem Inneren in einer solchen Situation vor?
Passiert in einem Konzert ein Missgeschick, dann entstehen Emotionen. Diese sorgen nicht nur für ein simples Gefühl, es sind sehr komplexe Reaktionen des Menschen auf konkrete Ereignisse. Der falsche Ton im Konzert ist ein solches konkretes Ereignis, das Emotionen auslöst. Sie wirken sich sowohl mental als auch körperlich aus und verändern das Verhalten.
Manche Musizierende verspüren danach vielleicht Unsicherheit, weil Gedanken aufkommen, ob das noch einmal passieren könnte (mentale Veränderung). Diese Gedanken wiederum lösen eine körperliche Veränderung, wie zum Beispiel Anspannung aus und das führt eventuell dazu, dass zurückhaltender gespielt wird (Verhaltensveränderung).
Welche Auswirkungen können Emotionen haben?
Hat eine Musikerin oder ein Musiker Angst, in einer bestimmten Situation nicht die (selbst) erwartete Leistung zu erbringen, dann spricht man in der Psychologie von Versagensangst. Sorgen und Ängste diesbezüglich sind unter Musizierenden weit verbreitet.
Treten solche Sorgen und Ängste auf, dann werden Aufmerksamkeit und Fokus darauf ausgerichtet, falsche Töne zu vermeiden. Für das entspannte und selbstbewusste (Weiter-)Spielen ist dann zu wenig mentale Kapazität (zum Beispiel Aufmerksamkeit) übrig. Dadurch entsteht eine Art Teufelskreis und es passiert genau das, was die Musikerin bzw. der Musiker eigentlich vermeiden möchte: nämlich Fehler und Leistungseinbußen.
Wie also kann mit einer solchen Situation umgegangen werden?
Adaptation – also Anpassung – ist nötig. Darunter versteht die Psychologie die Fähigkeit des Menschen, mit Störungen von innen und außen flexibel umzugehen. Damit wird selbstbestimmtes Handeln gefördert und Gefühle wie Hilf- oder Machtlosigkeit lösen sich auf. Dafür ist es nötig, den Emotionsprozess zu unterbrechen und die Aufmerksamkeit neu auszurichten. Diese Fähigkeit, die vergangene Situation mit dem Fehler zurückzulassen und sich emotional neutral dem weiteren musikalischen Spiel zu widmen, kann mit Hilfe der folgenden mentalen Technik geübt werden.
Praktische Anleitung: Dein „Mental Dope“ in dieser Situation
Wenn eine Situation eintritt, in der du einen falschen Ton spielst und du dich „wie vom Blitz getroffen“ fühlst, dann …
- Atme scharf aus, ähnlich wie bei einem kraftvollen Seufzer! Damit kannst du dich körperlich etwas abreagieren, Stress abbauen und den falschen Ton damit symbolisch in der Vergangenheit zurücklassen.
- Zentriere dich! Verwende zum Beispiel den Tastsinn und nimm dein Instrument bewusst und achtsam in deinen Händen wahr. Damit lenkst du deine Aufmerksamkeit auf die aktuelle Situation, um emotional neutral zu werden.
- Visualisiere den nächsten Schritt! Stell dir vor, wie dir die nächsten Töne oder die nächsten zu spielenden Passagen einfach nur grandios gelingen. Dadurch stärkst du dein Selbstvertrauen.
Integriere Mentales Training in deinen Übe-Alltag!
Damit Mentales Training im Ernstfall während eines Konzerts gelingt, ist es sinnvoll, diese gleich in den Übe-Alltag zu integrieren und dadurch zu trainieren. Läuft beim Üben etwas nicht ganz so wie geplant, dann wende Schritt 1 bis 3 der mentalen Technik an.

Die Autoren
Doris Angerer arbeitet als Psychologin (MSc.) im FrauenTherapieZentrum München. Als selbstständiger Mentalcoach hat sie sich auf Sorgen und Ängste von Peak-Performern spezialisiert.
Peter Laib, Mentalcoach (MSc.) für Musikerinnen und Musiker, Diplom-Musiklehrer, Sousafonist bei „Moop Mama“ und Tubist bei „Ernst Hutter & Die Egerländer Musikanten – Das Original“.
Bist auch du in einer Situation, in der „Mental Dope“ von großem Vorteil wäre? Dann schreib uns eine E-Mail an mentaldope@brawoo.de
(Fotos: Hagen Schnauss, Felix Steiner)