Brass, Orchestra, Wood | Von Doris Angerer und Peter Laib

Mentales Training: Mit Wut auf der Bühne

Wut
Fotos: Christian Supik (Fotografie) + Manuela Pleier (Design) - Pixabay

Mentales Training ist heute auch für Musikerinnen und Musiker ein großes Thema. Die Mentalcoaches Doris Angerer und Peter Laib zeigen praktische Techniken auf, mit denen schwierige Situationen im musikalischen Alltag bewältigt werden können. In diesem Beitrag geht es um den Umgang mit der Wut auf der Bühne.

Friederike (34) an Doris und Peter:

„Hin und wieder passiert es mir, dass ich private Themen mit auf die Bühne nehme. Zuletzt beispielsweise einen Streit mit meiner besten Freundin, der am Tag des Konzerts stattfand. Ich war noch auf der Bühne sehr aufgebracht. Vor allem meine Wut kann ich ganz schlecht wegpacken, was dazu führt, dass ich im Konzert dann Fehler mache und es sich doppelt so anstrengend anfühlt. Ich würde so gerne frei von der Wut auf die Bühne gehen können, um mit Kopf und Herz beim Konzert zu sein. Habt ihr eine Idee, wie mir das gelingen kann?“

Liebe Friederike,

wer kennt es nicht, mit Kopf und Herz woanders als bei der Arbeit, und damit nicht im Hier und Jetzt, zu sein. Wir danken dir für deine ehrlichen Worte, denn über Wut zu sprechen scheint irgendwie noch viel zu oft ein Tabu zu sein. Dabei liegt in der Auseinandersetzung mit der eigenen Wut und dem Ärger großes Potenzial für unsere persönliche Entwicklung. Auch wenn diese Auseinandersetzung ein längerer Prozess ist, möchten wir dich trotzdem sehr dazu ermutigen, das in Angriff zu nehmen. Du wirst sehen, es bringt dich persönlich echt weiter.

Wie entsteht Wut?

Marshall Rosenberg, einer der weltweit bekanntesten Konfliktforscher sagt, dass das, was eine andere Person tut oder sagt niemals die Ursache für unsere Wut ist, sondern nur der Auslöser. Ärgere ich mich beispielsweise, weil eine Freundin wieder einmal zu spät zu unserem Treffen kommt, dann ist das Zuspätkommen der Auslöser. Diese „Aktion“ sorgt dafür, dass in meinem Kopf eine Art Selbstgespräch abläuft, indem ich diese „Aktion“ bewerte. Ich sage zu mir selbst vielleicht: Sie ist echt unzuverlässig, immer kommt sie zu spät. Diese Bewertung, die in meinem Kopf abläuft, löst in mir das Gefühl von Wut aus.

Wie wirkt sich Wut in uns aus?

Wut hat zum einen physische Auswirkungen. Sind wir aufgebracht, so führt das zu einer physischen Erregung, die mit erhöhtem Herzschlag, erhöhter Atemfrequenz oder auch Ausschüttung von Hormonen einhergeht. 

Zum anderen engt sich unser Denken ein, wenn wir wütend sind, dann sind wir gedanklich unflexibler. Unser innerer Text zieht dann Aufmerksamkeit auf sich und verhindert fokussiertes Arbeiten. Viele Menschen fühlen sich dann hilflos, was die Stimmung beeinträchtigt und das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten schmälert.

Wie kann der Umgang mit Wut aussehen?

Das Gefühl von Wut kann wie eine Warnleuchte im Auto betrachtet werden, wenn sie leuchtet, dann bleiben wir schnellstmöglich stehen und schauen nach, was sie bedeutet. Wütend sein ist nichts Schlechtes, dieses Gefühl zu ignorieren oder zu unterdrücken hingegen, ist überhaupt nicht hilfreich. Hinschauen, uns unserer Gedanken und Gefühle bewusst werden hilft uns, herauszufinden, was hinter der Wut und dem Ärger steckt – nämlich ein unerfülltes Bedürfnis. Schaffen wir es, gedanklich einen Schritt zurückzutreten und von „oben“ (wie ein Adler) auf die Situation zu schauen, dann sind wir in der Lage zwischen Auslöser und Ursache, also zwischen der „Aktion“ und unserem inneren Text, zu unterscheiden. Damit kommen wir wieder in Kontakt mit unseren Bedürfnissen und wütend sein ist dann gar nicht mehr möglich.

Praktische Anleitung: Dein „Mental Dope“ für diese Situation

Wenn du wütend und verärgert bist, dann …

  1. Nimm 3-5 tiefe Atemzüge! Achte darauf, dass du etwas länger ausatmest, als du einatmest. Damit verschaffst du dir zum einen Zeit, zum anderen sorgt achtsames Atmen dafür, dass deine Erregung sinkt.
  2. Beobachte was du wahrnimmst! Dabei ist es wichtig, dass du wertfrei beobachtest, so als würdest du ein Kochrezept schreiben – nur beobachten, nicht interpretieren.
  3. Nimm wahr, wie du dich fühlst! Hier geht es darum, dir deiner Emotionen und Empfindungen bewusst zu werden – fühlen, nicht denken.
  4. Ergründe dein Bedürfnis in diesem Moment! Finde heraus, was hinter deinem Gefühl steht. Was hättest du gebraucht in dieser Situation, was hättest du dir gewünscht?
  5. Bitte klar um das, was dein Leben bereichert! Formuliere dein Bedürfnis klar, ohne gleichzeitig zu fordern. Welche ganz konkrete Handlung wünscht du dir?
Integriere diese Mentaltechnik in deinen Alltag!

Auch wenn sich „das Problem“ bzw. die Auswirkungen der Wut auf der Bühne zeigen, so kann es langfristig nur im Alltag gelöst werden. Wann immer du deine Wut und deinen Ärger wahrnimmst, nimm dir gleich Zeit, setze dich damit auseinander und arbeite die 5 Schritte durch (gerne auch schriftlich). Zudem kannst du die 5 Schritte auch einzeln üben und auch dann üben, wenn es gerade keinen Konflikt gibt. Beobachte dich doch einfach mal beim Atmen und spüre nach, was das mit deinem Körper macht. Genauso hilfreich ist es, Situationen zu betrachten und sie ohne Interpretation und Bewertung zu beschreiben. Beschäftige dich mit deinen Gefühlen, auch in positiven Situationen und horche in deinen Körper hinein, wo du das Gefühl wahrnimmst (z. B. im Bauch). Nimm dir Zeit und widme dich deinen Bedürfnissen, finde heraus was du brauchst und was dir wichtig ist (z.B. Autonomie, Nähe, Unterstützung).

Die Autoren 

Doris Angerer arbeitet als Psychologin (MSc.) im FrauenTherapieZentrum München. Als selbstständiger Mentalcoach hat sie sich auf Sorgen und Ängste von Peak-Performern spezialisiert.

Peter Laib, Mentalcoach (MSc.) für Musikerinnen und Musiker, Diplom-Musiklehrer, Sousafonist bei „Moop Mama“ und Tubist bei „Ernst Hutter & Die Egerländer Musikanten – Das Original“.

Bist auch du in einer Situation, in der „Mental Dope“ von großem Vorteil wäre? Dann schreib uns eine E-Mail an mentaldope@brawoo.de

(Fotos: Hagen Schnauss, Felix Steiner)