»Eine Konferenz der Superlative« titelte 1997 die Fachzeitschrift CLARINO Anlässlich der WASBE-Konferenz im österreichischen Schladming. Diese sollte der Startschuss sein für die Mid Europe, und damit für eine große Erfolgsgeschichte. Im Juli steigt die Mid Europe nun zum 20. Mal.
20. Auflage der Mid Europe
Natürlich übt allein die Urlaubsregion Schladming-Dachstein, im oberen Ennstal in der Steiermark gelegen, sommers wie winters eine hohe Anziehungskraft aus. Ans Skifahren denkt man nicht nur wegen des Nachtslaloms und ans Wandern denkt man nicht nur wegen des Sky Walks oder der Hängebrücke mit der »Treppe ins Nichts«.
Und an Schladming denkt man in Musikerkreisen auch und vor allem wegen der Mid Europe. Die Reise in die Steiermark zählt für viele Dirigenten und Instrumentalisten zum wichtigen Datum im blasmusikalischen Terminkalender. Mitte Juli ist es wieder soweit. Vom 11. bis 16. Juli steigt die Veranstaltung – und das zum mittlerweile 20. Mal.
Für die 20. Auflage der Mid Europe hat sich der musikalische Leiter wieder etwas ganz Besonderes einfallen lassen. Zum Auftakt verspricht Johann Mösenbichler eine »Klangopulenz, wie man sie sonst nicht hat«. Die Eröffnungsgala werden nämlich die Big Band der Bundeswehr (Leiter Timor Chadik) und das Polizeiorchester Bayern (Leiter Johann Mösenbichler) bestreiten.
Kein gewöhnliches Doppelkonzert
Und zwar nicht als »herkömmliches« Doppelkonzert, bei dem die Ensembles nacheinander die Bühne betreten, sondern als im wahrsten Sinne des Wortes Gemeinschaftskonzert. Beide Orchester werden gemeinsam musizieren, im Zentrum steht die »Nussknackersuite« von Tschaikowski, die es sowohl in der sinfonischen Version als auch in der Bigband-Version von Duke Ellington gibt.
Mit der Idee, erzählt Johann Mösenbichler, sei er schon seit »sieben oder acht Jahren schwanger gegangen«. Und seine Augen leuchten, wenn er an den 11. Juli und das Konzert mit dem Titel »Grooving Classic II« denkt. Man habe viel geprobt und dafür eine Halle der Bayerischen Bereitschaftspolizei »in Beschlag« genommen.
»Es musste vieles zusammenpassen und wir mussten uns aufeinander einstellen. Dieses Programm zu erarbeiten, war ein sehr spannender Prozess. Etwas Exklusiveres als Eröffnungskonzert für die 20. Mid Europe kann ich mir nicht vorstellen.«
»Highlights, Besonderheiten und Extravaganzen«
Der künstlerische Leiter der Mid Europe und Leiter des Polizeiorchesters Bayern in Personalunion ist – hier wie dort – stets bemüht, »Highlights, Besonderheiten und Extravaganzen zu kreieren«. Die könne man natürlich nicht »nonstop« und im Alltag realisieren, aber »sollten immer wieder einmal vorkommen – damit die Spannweiten und Möglichkeiten solcher Aktivitäten herausgestellt werden«.
Johann Mösenbichler weiß, wovon er redet, kommt er doch gerade erst von einem »TriMedialen Performance-Projekt in Tanz, Bild und Musik« aus Fürth zurück. Im dortigen Stadttheater wurde Hubert Hoches »Mystika« aufgeführt (wir berichteten in CLARINO 3/2017).
Solche großen, außergewöhnlichen Projekte zeigen immer auch Wege auf, die möglich sind. Natürlich gehe das nicht immer, weil ja auch große logistische Planungen dahinter steckten. »Ein sinfonisches Blasorchester, das filmmusikalische Monumente vorträgt, ist sicherlich interessant. Aber nur? Das würde mir auf die Dauer zu langweilig.«
Johann Mösenbichler möchte solche Konzerte und das Internationale Blasmusik-Festival Mid Europe auch als Signal an die Bläserwelt verstanden wissen. »Gerade Bläser haben so große Möglichkeiten und ein breites Spektrum an Klangfärbungen! Diese Stärke wird leider viel zu selten ausgereizt.
Die Vielfältigkeit der Blasmusik
Das Festival Mid Europe steht mit seinem Programm, die Vielfältigkeit der Blasmusik zu demonstrieren. Nicht nur die Sinfonik spielt hier eine Rolle, ebenso werden Marschmusik, Bigband-Sound und das Repertoire kleiner Besetzungen zu Gehör gebracht.
Allein der avantgardistische Bereich werde nicht so stark vertreten sein. Das liege auch an wirtschaftlichen Überlegungen. »Die Zuwendungen der öffentlichen Hand gehen auch bei uns immer weiter zurück, sodass wir einen großen Anteil unseres Budgets selber einspielen müssen«, erklärt Johann Mösenbichler. Der künstlerische Leiter schiebt aber sogleich hinterher, dass die Finanzierung bis 2020 per Gemeinderatsbeschluss gesichert sei.
Projektorchester WYWOP und WAWOP
In 20 Jahren hat sich in Organisation und Kommunikation so einiges geändert. Johann Mösenbichler weiß das aus eigener Erfahrung, denn schließlich ist er von Anfang an dabei. »Der Initiator Wolfgang Suppan hat mich seinerzeit beauftragt, das Weltjugendblasorchester zu organisieren. Das war eine sehr spannende Sache. Was heute per Mail oder Facebook ganz easy ist, wurde früher kompliziert und im günstigsten Fall per Fax gelöst: Wie bekommt man Leute zu uns nach Schladming?«
Das Weltjugendblasorchester – kurz: WYWOP (»World Youth Wind Orchestra Project«) – gibt es heute immer noch und es kann weiterhin als das Kernelement der Mid Europe angesehen werden. Das Konzept sei ja denkbar einfach, findet Johann Mösenbichler, »und ist wahrscheinlich gerade deshalb so erfolgreich:
18- bis 30-jährige Menschen aus verschiedenen Kulturen und Ländern kommen zusammen und musizieren. Musik verbindet Menschen, Musik überschreitet Grenzen!« In Österreich, im WYWOP passiert damit das, was Musik immer noch am besten kann. »Nämlich Menschen, die nicht miteinander reden können, weil es die Sprache nicht zulässt, zusammenzuführen.« Er könne es nicht statistisch belegen, aber für sechs bis sieben Ehen sei die Mid Europe »verantwortlich«.
Bei der 20. Auflage von Mid Europe wird dementsprechend auch ein WAWOP am Start sein, das »World Adult Wind Orchestra Project«. »Wir haben einfach einmal versucht, die vielen Nachfragen derjenigen zu befriedigen, die ›zu alt‹ für das WYWOP waren, darunter sind viele Ehemalige. Nach drei Wochen waren alle Plätze vergeben.«
Klar, in 20 Jahren kommen so einige Instrumentalisten zusammen… Den großen Andrang – auf WYWOP und WAWOP – erklärt Johann Mösenbichler zudem mit dem Personal. Mit Kevin Sedatole und Jerry Junkin aus den USA seien zwei Persönlichkeiten am Start, die zu den weltweit renommiertesten der Szene gehörten.
20 Jahre Mid Europe: ein positiver Rückblick und Ausblick
In den vergangenen 20 Jahren waren zahlreiche Orchester, Dirigenten, Solisten und Komponisten zu Gast am Fuße des Dachsteins. Ob Johann Mösenbichler da eine Handvoll Highlights parat hat? Der Dirigent denkt kurz nach und muss dann gestehen: »Das kann ich nicht sagen. Jedes Festival – egal wie der Zuschauerzuspruch oder wie das Wetter war – war besonders und voller Überraschungen.«
Als Leiter und Verantwortlicher ist das für Johann Mösenbichler ohnehin mit dem Genießen so eine Sache. »Eigentlich kann ich das erst, wenn der letzte Akkord verklungen ist.« Er lacht. Bei der 20. Ausgabe sei auch etwas Wehmut dabei, denn am zweiten Abend werde die Vergangenheit beleuchtet. Traurig aber soll es nicht werden, »obwohl mit Wolfgang Suppan und Hermann Kröll die zwei Gründerväter der Mid Europe von uns gegangen sind«.
Um die Zukunft der Mid Europe ist Johann Mösenbichler nicht bange. Mit dem 2011 eröffneten neuen Veranstaltungszentrum »congress Schladming« ist man organisatorisch gut aufgestellt. Und zudem sei die Mid Europe aus verschiedensten Gründen weiter wichtig. »Der künstlerischen Leitung ist es wichtig, Menschen zusammenzubringen und um die Darstellung der verschiedenen Stile und Ausdrucksmöglichkeiten von Blasmusik.«
Auch die Gemeinde Schladming zählt auf die Mid Europe, denn »als Stadt hat sie einen kulturellen Auftrag, damit Schladming wahrgenommen wird.« Und schließlich seien dem Tourismusverband »knallharte Fakten« wichtig. Und der sehe eben, dass da bis zu 6000 Übernachtungen zu Buche schlagen.
Johann Mösenbichler weiß natürlich, dass es Politikern »ja erst einmal egal ist, wer da kommt – aber die Mid Europe ist gewachsene Tradition. Und deshalb sehe ich eine Zukunft.« Doch jetzt steht erst einmal die 20. Ausgabe des Festivals an. Bald geht’s in die heiße Phase. Erst am Abend des 16. Juli kann sich der Leiter »wieder einmal auf acht Stunden Schlaf freuen«.