Orchestra | Von Jürgen Wieching

Mischpult und Equalizer: Jupiter-Workshop für Blasmusiker

Tontechnik
Hier wird die Frequenzkorrektur anhand einer »Fantasieeinstellung« grafisch verdeutlicht. In Grün ist der Low Cut (18 dB/Oktave) bei 100 Hz dargestellt. Die tiefen Frequenzen (pink bei 60 Hz) und hohen Frequenzen (rot bei 12 kHz) sind mit einem »Shelf Filter« um 3 dB angehoben, die Mids (dunkelblau) bei frei gewählten 1 kHz um 6 dB abgesenkt.

In diesem Workshop werden die Ausgangssektion und die wesentlichen Unterschiede zwischen analogen und digitalen Mischpulten thematisiert. Vorher soll allerdings noch intensiver auf die Funktion des Equalizers in den Kanalzügen der Eingangssignale eingegangen werden. Der Einsatz des Equalizers wirft Fragen auf: Was macht der Equalizer eigentlich? Was kann ich damit machen und was nicht?

Zur Erinnerung: Bei dem Beispiel des analogen Mischpults (siehe BRAWOO 11/2020) war der Equalizer semiparametrisch mit einer festen hohen Frequenz (HF – High Frequencies) von 12 kHz, einer festen tiefen Frequenz (LF – Low Frequencies) von 60 Hz und durchstimmbaren Mittenfrequenzen (Mid) zwischen 240 Hz und 6 kHz ausgeführt. Filtercharakter und Bandbreite bzw. Güte der EQ-Bänder sind hier fest eingestellt. Für die Mitten gibt es einen sogenannten “Glockenfilter”, für die ­hohen und tiefen Frequenzen einen sogenannten Shelf Filter. Was das bedeutet, werde ich später noch erläutern.

Der Low Cut kann im weitesten Sinne auch noch zum Equalizer gezählt werden, da hierdurch auch noch der Frequenzgang des Eingangssignals beeinflusst wird. Die Charakteristik des Low Cuts ist in diesem Fall ein steilflankiger Filter von 18 dB/Oktave bei 100 Hz. 

Equalizer

Dieser semiparametrische Equalizer bietet nun die Möglichkeit, unkompliziert in den Klang des Eingangssignals einzugreifen. In drei unterschiedlichen Frequenzbereichen können unabhängig voneinander Frequenzen angehoben oder – meist wichtiger – abgesenkt werden. 

Was kann der Equalizer und was kann er nicht?

Für die praktische Anwendung ist nun allerdings wichtig, dass man sich Gedanken über das zu bearbeitende Signal macht. Also: Was kann der Equalizer und was kann er nicht?

Der Equalizer kann vorhandene Frequenzen in einem bestimmten, durch die Filtergüte be­ziehungs­weise den Filtercharakter festgelegten Frequenzbereich absenken oder anheben. Ein Equalizer kann keine Frequenzen “dazufantasieren”. 

Wichtig ist, was reinkommt

In früheren Ausgaben hatte ich schon auf die Zusammensetzung des Frequenzspektrums des Klangs unterschiedlicher Instrumente hingewiesen. Dementsprechend wäre es zum Beispiel relativ schwierig, dem Mikrofonsignal einer Klarinette, Trompete, Flöte oder auch von Gesang durch die Anhebung der 60-Hz-Frequenzen mehr »Tiefe« zuzumischen – weil der Klang beispielsweise als harsch oder schneidend, jedenfalls zu höhenlastig empfunden wird. Das Klangspektrum der beispielhaft genannten Klangkörper hat in einem derart tiefen Frequenzbereich wenig bis keine Anteile. 

Was passiert, wenn dennoch die 60-Hz-Frequenzen angehoben werden? Dann werden ­diese Frequenzanteile, die durch das Mikrofon von irgendwoher aufgefangen werden, an­ge­hoben und damit verstärkt. Das kann zum Beispiel das Rumpeln von Stühlen, Resonanzen von Bühnen, Netzbrummen, aber auch Klanganteile der großen Trommel etc. – also Fremd- oder Störschall – sein. Der bearbeitete Klang würde also nicht verbessert, sondern verfälscht oder sogar bis zum Rückkoppeln gebracht. 

Störgeräusche unterdrücken

Was der Equalizer in diesem Frequenzbereich aber kann, ist mögliche Störgeräusche zu unterdrücken, indem man die genannte Frequenz absenkt. Wenn das zu bearbeitende Signal keine wesentlichen Klanganteile unter 100 Hz hat, leistet in diesem Fall auch der Low Cut gute Dienste. Wenn sich aber beispielsweise die (Bass-)Posaune oder die Tuba über ihr Mikrofon tief­frequente Störgeräusche einfangen oder die übertragenen tiefen Frequenzen zu dominant erscheinen (vielleicht auch wegen unzureichender Verstärker- und Lautsprecher-PA), lässt sich das Mikrofonsignal durch Absenken der 60-Hz-Frequenz deutlich verbessern.

Aber auch das Anheben von Frequenzen um die 60 Hz kann sinnvoll sein, wenn die vorhandenen Verstärker und Lautsprecher dazu in der Lage sind, diese wiederzugeben. So lässt sich bei “sauberen” Signalen von Bassdrum, Tuba, Posaune und anderen Instrumenten mit entsprechend tiefen Klanganteilen ein deutlich tragfähiges “Bassfundament” ausbilden, falls das gewünscht ist.

Die Anwendungsmöglichkeiten für die hohen Frequenzen – hier 12 kHz – sind vergleichbar. Das Absenken der Frequenzen kann hochfrequente Rückkopplungen oder einen »zischeligen« Klang reduzieren. Demgegenüber kann das Anheben dieser Frequenzen eine gewisse “Luftigkeit” in das Signal bringen: Luft- oder Atemgeräusche, aber auch das feine Ausklingen von Becken kann dadurch betont werden.

Ab durch die Mitte

Den größten Anwendungsbereich haben die durchstimmbaren Mittenfrequenzen, da in diesem Frequenzbereich die meisten Signale ausgeprägte Anteile besitzen. Das Absenken von Frequenzen um 300 Hz kann zum Beispiel einen gewissen “Mulm” oder einen dumpfen Klang redu­zieren und so den Gesamtklang klarer und differenzierter machen. Leichtes Anheben von Frequenzen um die 2 kHz sorgt im Allgemeinen für eine höhere Präsenz und Durch­setzungs­fähigkeit. Im Gegensatz dazu führt das Absenken dieser Frequenzen, auf die das menschliche Ohr besonders empfindlich reagiert, dazu, dass der Gesamtklang als weniger hart oder laut empfunden wird. Der Bereich um die 4 bis 6 kHz ist oftmals anfällig für Rückkopplungen. Hier abzusenken, schafft meist Abhilfe. 

Und so wird’s gemacht: search and destroy

Das Stichwort lautet “durchstimmbar”. Es bedeutet, dass die Mittenfrequenzen mithilfe des Drehreglers im entsprechenden Frequenzbereich – hier 240 Hz bis 6 kHz – stufenlos durchlaufen oder durchgestimmt werden können. Man spricht in diesem Fall auch von einem “Sweep”. Wenn der Klang eines Instruments oder einer Stimme unnatürlich wirkt oder störende Frequenzen wahrnehmbar, aber nicht sicher zu bestimmen sind, hat sich die folgende Methode bewährt: Die Mittenfrequenzen werden mit dem Frequenzregler ganz nach links auf die ­tiefste Grenzfrequenz gestellt und durch den zugehörigen Gainregler stark angehoben – Vorsicht mit dem Kanalfader, der sollte noch nicht am ­Limit stehen.

Nun durchfährt man mit dem Frequenz­regler langsam das Frequenzspektrum nach rechts in Richtung der hohen Grenzfrequenz. So entsteht ein erster Eindruck über die grundsätzliche Zusammensetzung des Gesamttons. Die am stärksten störenden Frequenz­bereiche lassen sich lokalisieren (search) und – ganz wichtig – nach Bedarf oder Geschmack absenken (destroy). Ist das Ergebnis dann besser, aber noch nicht befriedigend, kann das Absenken der tiefen oder hohen Frequenzbänder möglicherweise eine weitere Verbesserung bringen.

Absenken vor Anheben

Bevor Frequenzen also ange­hoben werden, sollte geprüft werden, ob das Absenken komplementärer Frequenzen zum gewünschten Ergebnis führt. 

Beispiel: Bei zu wenig Präsenz oder Klarheit werden die Tiefmitten zwischen 200 und 350 Hz abgesenkt, vielleicht noch den Einsatz des Low Cuts prüfen und/oder die tiefen Frequenzen reduzieren. Anders­herum sollten die hohen Frequenzen zurückgenommen werden, wenn der Ton nur wenig Körper oder Substanz hat und/oder hart, klirrend oder unangenehm “zischelig” klingt.

Du hast die Wahl

Wenn das gewünschte Ziel auf dem beschriebenen Weg nicht erreicht werden kann, gibt es noch drei Möglichkeiten:

  • Alles wieder auf Null: Der Gain von HF, LF und Mid wird wieder auf 0 zurückgestellt. Der Gain für die Mitten wird etwas angehoben und man fährt wieder durch das Frequenzspektrum, um die Frequenzen zu suchen, die für einen guten Sound fehlen. Lassen sich diese lokalisieren, können im nächsten Schritt möglicherweise noch die tiefen und hohen Frequenzen, abhängig vom Frequenzspektrum des Signals (siehe oben), etwas angehoben oder abgesenkt werden. Der beste Ratgeber sind hier die Ohren!
  • Die in früheren Ausgaben dieses Workshops schon beschrieben, kann auch eine bessere ­Mikrofonpositionierung Abhilfe schaffen. Mög­licherweise hat sich die Ausrichtung beziehungsweise der Abstand zur Signalquelle verändert und passt nicht mehr. Es sollte also nachjustiert werden.
  • Wenn all das nicht hilft, ist es vielleicht Zeit, sich Gedanken über ein digitales Mischpult zu machen!

Warum denn digital?

Die unterschiedlichen und erweiterten Anwendungsmöglichkeiten des Equalizers in digitalen Mischpulten werde ich dann in der nächsten Ausgabe vorstellen.

Bis zum nächsten Mal, keep on blowing!

www.jupiter.info

Jürgen “BIG JAY” Wieching
ist seit 20 Jahren festes Mitglied von Albie Donnelly’s Supercharge. Als Baritonsaxofonist der “Killerhorns”, dem Bläsersatz von Albie Don­nelly’s Supercharge, wirkte der Profimusiker bei zahllosen Liveshows und Studioproduktionen mit. Er hat als Endorser und Dozent für JUPITER intensive Workshops gestaltet und über viele interes­sante Workshopthemen referiert. Jürgen Wieching spielt Saxo­fone der “JUPITER Artist”-Serie.