Um die Motivation zu steigern, lenken wir unseren Blick häufig auf spannende Projekte, faszinierende Challenges oder den Kontakt mit anderen Musizierenden. Doch was ist mit Motivation durch Leistung? Unsere Autorin Kristin Thielemann hat sich auf Spurensuche begeben.
Kennen Sie das Gefühl, für ein Können lange gekämpft zu haben? Vielleicht wenn Sie eine Fremdsprache erlernt haben oder bei einem Kampfsport einen bestimmten Gurt erringen konnten. Auch beim Musizieren kann die eigene Leistungsfähigkeit ein enormer Motivationsfaktor sein. Denn wer kompetent ist, der kann aus einer reichen Auswahl an Musik schöpfen, die sich ihm (oder natürlich ihr) mühelos erschließt. Zudem geht das Musizieren leicht von der Hand – man kommt also schneller in den Flow und kann sein Tun stärker genießen, als wenn man sich mühevoll Ton für Ton zusammensuchen muss und das Instrument eher nach Gießkanne als nach Musik klingt.
Kompetenz ist also ebenfalls ein Faktor, der für Motivation sorgen kann. Doch was nützt uns dieses Wissen für den Instrumentalunterricht? Natürlich möchten wir alle, die wir unterrichten, dass unsere Schülerinnen und Schüler Fortschritte auf ihrem Instrument machen und ihr musikalisches Potenzial entfalten können. Doch mit welchen Unterrichtselementen können wir Musiklehrkräfte dafür sorgen, dass eine hohe Musizierkompetenz erreicht wird?
Ist-Zustand erkennen
Kinder, Jugendliche und Erwachsene, die mit dem Instrumentalunterricht beginnen, kommen mit ganz unterschiedlichen Voraussetzungen und Talenten zu uns. Hieran lässt sich nichts ändern, aber es ist wichtig, dass wir uns klarmachen, wo Lernende ihre Stärken haben, aber auch, wo wir sie fördern können. Natürlich kann man Musik, Können und Talente nie in absolute Zahlen gießen, mir persönlich hilft es aber trotzdem, mit einer kleinen Übersicht zu arbeiten, in der ich in etwa das versuche zu notieren, was mein neuer Schüler oder meine neue Schülerin an Voraussetzungen und Talenten mitbringt (siehe Grafik).
Wenn ich mir einen groben Überblick verschafft habe, versuche ich zunächst die Punkte auszumachen, an denen sich am leichtesten etwas bewegen lässt. Hier einige Impulse zu jedem der einzelnen Punkte.
1. Arbeitsstrukturen
Sehr einfach ist es häufig, an den Arbeitsstrukturen etwas zu verbessern. Meist ist das auch der Punkt, der schnell hörbare Erfolge bringt. Je nach Alter des Schülers kann ich auch die Eltern mit einbeziehen, die helfen können: einen geeigneten Platz zum Musizieren daheim einrichten, die Kinder ans Üben erinnern und wissen, wo sie die Hausaufgaben finden. Die meisten Eltern meiner Schülerinnen und Schüler haben meinen Eltern-Ratgeber “Jedes Kind ist musikalisch” (Schott Music, 2016) daheim, worin sie viele Tipps und Tricks finden, wie sie ihre Kinder beim Musizieren unterstützen können.
Bei selbständigeren Schülerinnen und Schülern setze ich häufig auf Hausaufgaben-Tools, die interaktiv sind, wie beispielsweise ein Kanban-Board, auf dem wir während der Lektion gemeinsam Aufgaben und Lernwege notieren. Alternativ können dies auch digitale Helferlein sein, wie etwa eine gemeinsame digitale Notiz oder eine To-Do-Listen-App, auf die die Schülerin bzw. der Schüler und ich Zugriff haben (zum Beispiel die App Trello (siehe Beitrag von Emmanuel Feiner in “üben & musizieren” 1/21 – https://uebenundmusizieren.de/artikel/meine-app-15).
Bei den Hausaufgaben setze ich ganz bewusst auch auf Dinge, die daheim per Smartphone gelöst werden müssen, wie etwa eine knifflige Technikübung, eine Tonleiter oder eine kurze Etüde, die mir die Schülerin bzw. der Schüler aufnehmen und zuschicken soll. Sich selbst aufzunehmen, es anzuhören und zu reflektieren schult die Selbstwahrnehmung. Außerdem bringen diese digital zu lösenden Hausaufgaben die Lernenden schnell noch einige wichtige Kilometer mehr auf ihrem Lernweg voran. Aber auch das Trainieren von Lerntechniken gehört hierzu, damit die Schülerinnen und Schüler wissen, wie Sie effektiv üben. Die Lerntechnik Straßenverkehr habe ich in meiner Publikation “Voll motiviert – Erfolgsrezepte für Ihren Unterricht” beschrieben.
2. Rhythmusgefühl
Neben einem guten Gehör sind ein gut ausgebildetes Gefühl fürs Metrum, aber auch die Merk- und Lesefähigkeit von Rhythmen enorm wichtige Fähigkeiten, die sich glücklicherweise mit ein wenig Geduld entwickeln lassen. Das Gefühl fürs Metrum fördere ich, indem ich die Schüler sehr häufig am Klavier begleite oder sie alternativ zu einer Begleitmusik spielen. Wenn die Schülerinnen und Schüler hier einige leichte Spielhefte besitzen (wie beispielsweise diejenigen aus der Taxi-Serie vom Zimmermann Verlag wie Trompetentaxi, Klarinettentaxi, Saxofontaxi etc.) und regelmäßig daheim und im Unterricht daraus musizieren, bekommen sie schnell ein gutes Rüstzeug, um das Metrum zu spüren und sich prägnante Rhythmen zu merken.
Aber nicht nur die Merkfähigkeit, sondern auch das Lesen von Rhythmen versuche ich im Anfängerunterricht jede Woche zu trainieren. Hierzu habe ich ein Lehrmittel geschrieben, welches in Levels voranschreitet und aus dem man jede Woche einige Zeilen klatschen kann. Hier finden Sie Teil 1 meines “Rhythm Training“. Ältere oder fortgeschrittene Schülerinnen und Schüler haben häufig sehr viel Freude am Klatschkurs auf YouTube (www.klatschkurs.de). Dieses Lernsystem wurde von Kristof Hinz erstellt, der Professor für Rhythmische Gehörbildung an der Hochschule für Musik, Medien und Theater Hannover ist.
3. Gehör
Eine Fähigkeit, die meiner Meinung nach über einen noch längeren Zeitraum als das Rhythmusgefühl entwickelt werden muss, ist das Gehör. Im Anfangsunterricht geht es darum, überhaupt erst einmal festzustellen, ob die Schülerin bzw. der Schüler zwischen hohen und tiefen Tönen unterscheiden kann – vielleicht werden Sie nun schmunzeln, aber es gibt tatsächlich immer wieder Kinder, die hierzu nicht in der Lage sind.
Wie Sie das erkennen? Spielen Sie eine Melodie vor und bitten Sie Ihre Schülerin bzw. Ihren Schüler, mit der Hand zu zeigen, ob die Töne nach oben oder unten gehen – so als wäre die Hand ein Flugzeug.
Wichtig ist mir ebenfalls, neue Stücke nicht gleich auf dem Instrument auszuprobieren, sondern wie folgt vorzugehen:
- Wählen Sie einen kurzen Abschnitt aus dem neuen Stück aus (zum Beispiel vier Takte).
- Singen Sie diesen gemeinsam mit Ihrer Schülerin oder Ihrem Schüler.
- Singen und gleichzeitiges Greifen auf dem Instrument. Falls Ihr Schüler bzw. Ihre Schülerin dies (noch) nicht ohne Sie möchte, singen Sie mit!
- Singen der Tonnamen und gleichzeitiges Greifen (ob Sie die Tonnamen C, D, E oder die Solmisationssilben Do, Re, Mi usw. singen, bleibt Ihnen und Ihrem Unterrichtskonzept überlassen).
- Spielen des neuen Abschnitts auf dem Instrument.
Für den Trompetenunterricht baue ich gerne noch den Schritt “Luft pusten und greifen” ein, bin aber nicht sicher, ob sich das auf den Unterricht mit anderen Blasinstrumenten übertragen lässt.
Der hier beschriebene Ablauf bleibt auch bei fortgeschrittenen Spielerinnen und Spielern immer gleich, weil alle hiervon sehr profitieren.
Vor- und Nachspielen von kurzen Melodien
In Sachen Gehörbildung setze ich auch auf das Vor- und Nachspielen von kurzen Melodien während der Warm-Up-Phase. Bis die Schülerinnen und Schüler etwas Selbstsicherheit in diesem Format gewonnen haben, lasse ich sie die Griffe bei mir abschauen. Später läuft dieses Spiel ausschließlich nach Gehör und ich steigere die Schwierigkeit langsam – je nach individuellen Fortschritten. Da kommen verschiedene Dynamiken, Artikulationen und Phrasierungen hinzu, die möglichst exakt nachgespielt werden sollen. Wer hierbei in den Flow kommen möchte, wählt ein Ruhepulstempo aus und verzichtet auf Erklärungspausen zwischen dem Vor- und Nachspiel.
Ein Pluspunkt: Viele Instrumentalschulen bieten diese Vor- und Nachspielübungen, die gut daheim trainiert werden können.
Ebenfalls eine sehr gute Gehörschulung ist es, mit sich selbst Ensemble zu spielen, wie beispielsweise bei der Splitscreen-Video-App ACapella oder auch mit Loop-Apps.
Natürlich gehört es bei der Gehörbildung auch dazu, dass Lernende sich irgendwann mit Tonleitern, Intervallen und Akkorden auskennen und diese hörend erkennen. Hierzu ist ein ergänzender Musiktheoriekurs natürlich von Vorteil, aber vieles lässt sich im Unterricht fast nebenbei erlernen, wenn wir unsere Schülerinnen und Schüler bei ihren Stücken immer wieder darauf aufmerksam machen, wo hier die Schritte und Sprünge (Sekunden und Terzen) oder noch größere Intervalle liegen, wo Tonleitern oder Akkordbrechungen vorkommen. So bauen sie mit der Zeit eine gute Kompetenz ihres Gehörs auf.
4. Notenlesen
Notenlesen ist eine wichtige Fähigkeit, um sich selbständig Musik erschließen zu können. Es gibt aber immer wieder Kinder, die es sehr mühsam finden, Noten zu lernen, und stattdessen am liebsten mit Griffen, Farben oder anderen Hilfsmitteln arbeiten würden. Auch wenn es auf den ersten Blick ganz hilfreich anmuten mag, nach Griffen statt nach Noten zu spielen, verzichte ich im Anfängerunterricht in aller Regel darauf. Denn das Erfolgserlebnis, Noten lesen zu können und aus eigener Kraft eine Notenzeile zum Klingen zu bringen, ist für viele ein wahrer Meilenstein.
Um das Notenlernen abwechslungsreich zu gestalten, habe ich natürlich jede Menge Rätselbücher oder auch Spiele in meinem Unterrichtszimmer. Überdies frage ich aber auch sehr regelmäßig die Töne ab oder küre den “Ton der Woche”, der einen Ehrenplatz an der Pinnwand erhält. “Darf ich vorstellen, das F ist unser Ton der Woche.” Einige Minuten später frage ich, ob sich der Schüler noch an den Tonnamen erinnern kann oder ob er noch weiß, welches der Ton der Vorwoche war.
Games mit Apps wie zum Beispiel “Staff Wars Live” oder “Quizlet” stehen natürlich auch hoch im Kurs. Aber auch ganz analoge Spiele mit Schokolinsen, die Sie in ein Notensystem legen und die Ihr Schüler vorlesen und anschließend selbstverständlich essen darf, sind gute Ideen, um das Notenlesen zu vertiefen. Wenn der Schüler übrigens keine Schokolinsen mag, konnte ich so manchen auch schon mit 1- oder 2-Cent-Münzen statt Schokolinsen zum Notenlesen bewegen. Unserer Fantasie sind hierbei natürlich keine Grenzen gesetzt.
5. Musizieren nach Gehör
Was häufig gerade im Anfangsunterricht bei allem Fokus aufs Notenlesen lernen in Vergessenheit gerät, ist das das Spiel nach Gehör. Hierin liegt viel Potenzial, denn wenn die Hürde des Notenlesens fehlt, kann die Schülerin bzw. der Schüler die gesamte Konzentration auf das Instrument und das Spielgefühl richten. Hier also auch mit Stücken zu arbeiten, die Sie vorspielen und die übers Abschauen und Nachmachen gelernt werden, ist ein wertvolles Unterrichtselement. Zudem bringen Sie auf diese Weise bei, schnell etwas von anderen zu adaptieren.
Und wir wissen sicher alle, dass es uns viele Unterrichtsstunden sparen kann, wenn unseree Schülerin oder unser Schüler in der Lage ist, sehend und hörend Dinge zu erfassen und umzusetzen. In meinem digitalen Lernbereich finden die Schülerinnen und Schüler übrigens immer viele Videos von “coolen” Herausforderungen aus Film- und Popmusik, die sie sich ausschließlich übers Gehör erschließen und auf ihrer Trompete spielen können. Den Seitenzugriffen zufolge kann ich Ihnen verraten, dass diese Herausforderungen der Renner in meinem digitalen Lernbereich sind.
6. Feinmotorik Finger
Die Feinmotorik der Finger lässt sich sehr gut mit kleinen Geschicklichkeitsspielen trainieren, die man beispielsweise mit dem Rhythmustraining verbinden kann: Statt einen Rhythmus zu klatschen lässt sich auch mit kleinen Gegenständen, die zwischen bestimmten Fingern gehalten werden müssen, ein Rhythmus spielen. In einer Gruppe kann auch das Weitergeben von Gegenständen (zum Beispiel Stiften oder Legosteinen) in einem vorgegebenen Rhythmus sehr viel Spaß machen. Manche entwickeln auch einen Ehrgeiz, gewisse Fingerflips oder Kunststücke mit Stiften in ihren Fingern zu vollbringen. Ein Plus in Sachen Feinmotorik haben hier übrigens Kinder und Jugendliche, die regelmäßig “zocken” oder am Mobilgerät hängen: Studien konnten zeigen, dass ihre Feinmotorik überdurchschnittlich gut entwickelt ist.
7. Feinmotorik Mundmuskulatur/Zunge
Wer ein Blasinstrument spielen möchte, braucht eine hohe Sensibilität im Bereich von Mundmuskulatur und Zunge. Wenn ich bei einem neuen Schüler Sprechstörungen vermute (Stottern, Lispeln oder undeutliche Aussprache), nehme ich sehr schnell Kontakt zu den Eltern auf, damit das Kind zeitnah einige Stunden Logopädie bekommen kann. In meinem Unterricht versuche ich die Kinder spielerisch Zungen- und Mundmuskulatur entdecken zu lassen, indem wir beispielsweise beim Warm-up das Spiel “Grimassen-Spiegel” spielen. Die Lehrkraft schneidet eine Grimasse, die Schülerin bzw. der Schüler spiegelt sie. Danach wird gewechselt. Das Spiel funktioniert natürlich auch sehr gut mit Gruppen. Alternativ oder ergänzend sind Zungenbrecher schön, die Sie als Hausaufgabe aufgeben können: “Schicke mir bitte eine Audioaufnahme von diesem Zungenbrecher, den du dreimal hintereinander so schnell es geht sprichst.”
Gerade jüngere Kinder lieben es auch, lustige “Quatsch-Silben” nachzusprechen, denen ich einen später noch einen Rhythmus hinzufüge. So viel “Quatsch” ist am Ende bei diesen Silben gar nicht dabei, trainieren sie doch sehr gut die Feinmotorik der Zunge.
Ein kleines Spiel? Wie häufig können Sie diese Silbenkombination in 20 Sekunden aufsagen ohne zu stolpern? Nutzen Sie den Timer Ihres Handys!
1. a – mi – bu – mi – pa – ki – pu – ki
2. a – da – ni – ni – tü – tü – fö – fö
Auch ein schönes Spiel für die Mundmotorik ist das “Mimik Memo” der Firma HABA.
8. Atmung, Körpergefühl
Atmen kann jeder Mensch, sollte man meinen. Doch einerseits können wir uns eine flache Atmung angewöhnen (beispielsweise durch häufiges Sitzen) und andererseits haben die meisten Menschen noch Potenzial, was die Atemkontrolle angeht. Daher gehören für mich Atemübungen in jede Lektion. Meist lasse ich sie einfließen, wenn die Schülerin oder der Schüler leicht abgeblasen ist oder ich den Eindruck habe, dass die Konzentration beim Musizieren nachlässt.
Eine der einfachsten und wirkungsvollsten Atemübungen ist es, der Schülerin oder dem Schüler zu sagen, dass sie oder er die vorhandene Luft komplett ausatmen soll und dann nochmal aufzufordern, ob nicht noch ein wenig mehr Luft herauskommen kann – was meist der Fall ist. Diesen Zustand des komplett ausgeatmet Habens dann einige Sekunden halten, bis es unangenehm wird. Der dann folgende Einatemreflex sorgt für eine natürliche und volle Atmung und schafft es, so manche Spannung beim Atemvorgang zu lösen.
Das Körpergefühl beim Spielen sollte ebenfalls nicht unterschätzt werden, denn sowohl Körpergefühl als auch -haltung haben einen enormen Einfluss auf die Atmung. Hier sehr genau hinzusehen und auch kleine Fehlhaltungen bei Schülerinnen und Schülern immer wieder sensibel zu korrigieren, ist eine wichtige Aufgabe, die sehr viel Gutes für das Instrumentalspiel bewirken kann. Gerade Jüngeren ist es aber häufig ein wenig lästig, wenn ständig an ihrer Haltung herumgenörgelt wird.
Eine gute Haltung macht eine gute Atmung
Deshalb mache ich mit den Kleineren oft ein Spiel: Ich zeige ihnen die perfekteste Spielhaltung der Welt, für die es in der Schule eine 1 mit Sternchen geben würde. Dann sollen sie ihren Körper richtig durchschütteln und auf ein Fingerschnipsen wieder in diese “1-mit-Sternchen-Haltung” gehen. Das probieren wir einige Male aus. Das Fingerschnipsen in der Stunde ist dann unser Geheimzeichen für diese gute Haltung. Sowohl die Schülerin oder der Schüler als natürlich auch ich selbst als Lehrkraft dürfen dieses Geheimzeichen so oft verwenden wie wir möchten und die bzw. der jeweils andere muss diese Haltung einnehmen. So entfällt ein Herumnörgeln an der Haltung. Das Fingerschnipsen, was ja auch häufig als Puls eingesetzt wird, verbinden Ihre Schülerinnen und Schüler automatisch mit einer guten Haltung.
In Sachen Atmung kennen übrigens alle meine Schülerinnen und Schüler folgenden Satz: Eine gute Haltung macht eine gute Atmung und eine gute Atmung macht einen guten Klang! Zugegeben: Kein literarisches Meisterwerk und sicher auch nicht der Weisheit letzter Schluss, aber einfach und gut zu merken!
9. Gespür für Musik
Bestimmt kennen Sie dieses Aneinanderreihen von einzelnen Tönen. So holprig klingt das Spiel der meisten Anfänger eine ganze Zeitlang, doch mit einigen Tricks bekommt man die meisten glücklicherweise an den Punkt, an dem aus einzelnen Tönen eine musikalische Phrase wird. Ein wichtiger Schritt vom Bedienen des Instruments in Richtung Musik. Natürlich ist hierfür ein geschultes Gehör hilfreich, die Technik des Vorspielen-Nachspielens oder auch des Musizierens nach Gehör (siehe Impuls 5), aber vor allem sind es viele Hörerfahrungen, die der Schüler machen muss, um zu erkennen, dass zwischen “Häns | Chen | Klein” und “Hänschenklein” ein himmelweiter Unterschied besteht. Das eine sind Töne, das andere ist Musik.
Wir müssen also immer wieder dafür zu sorgen, dass einerseits gute Hörbeispiele der Musik verfügbar sind, die unsere Schülerin bzw. unser Schüler gerade spielt und andererseits auch über dies hinaus viel wertvolle Musik gehört wird. Mit “wertvoll” meine ich Musik, die für den Musikstil, den wir unterrichten wichtig ist. Es wird einem Schüler, der in einem Jugendorchester oder einer Blasmusik mitspielen möchte, nicht viel nützen, wenn tagein, tagaus daheim Techno läuft – außer für ein wirklich gutes metrisches Gefühl vielleicht. Wenn sich Schülerinnen und Schüler hörend mit einem Musikstil beschäftigen, bringt dies schnell eine gute Basis, die absolut notwendig ist, um rasche Fortschritte zu erzielen. Konzertbesuche und Hörtipps können also eine gute Basis legen. Wer es verbindlicher mag, setzt auf Hör-Hausaufgaben.
10. Durchhaltevermögen/Resilienz
Bei manchen Kindern und Jugendlichen ist sie stark ausgeprägt: die verminderte Frustrationstoleranz. Wir korrigieren sie ein oder zwei Mal und schon spüren wir, dass ihre Geduld, etwas noch mal zu versuchen, am Ende ist. Sie verspielen sich und – statt die Stelle ruhig anzugehen – geben auf, “hudeln” über die kniffligen Töne hinweg oder werden gleich zum Rumpelstilzchen.
Hier einem Schüler oder einer Schülerin das nötige Selbstvertrauen zu vermitteln, dass er oder sie Lust bekommt, es mit dieser schwierigen Stelle oder dem kniffligen Stück aufzunehmen, ist eine Kunst: Der eine Schüler verträgt die Schocktherapie, die andere benötigt eine ganz behutsame Steigerung der Schwierigkeit und häufiger unsere Fähigkeit, “ein Ohr zuzudrücken” statt auf jedem Fehler herumzureiten. Hier die wenig resilienten Schülerinnen und Schüler zu erkennen und ihnen Strategien zu vermitteln, wie sie Selbstvertrauen aufbauen, besser durchalten und auch nach Rückschlägen immer wieder aufstehen, ist eine wichtige Fähigkeit.
Mir ist es wichtig, nicht dogmatisch alle genannten Punkte “abzuarbeiten”, sondern sie auf natürliche Weise in den Unterricht mit einfließen zu lassen. Es gibt Wochen, in denen einige der genannten Impulse zugunsten anderer Inhalte nicht stattfinden können, denn meist haben wir ja nur eine sehr begrenzte Unterrichtszeit zur Verfügung. Und diese begrenzte Unterrichtszeit führt zwangsläufig zu der Frage, ob es nicht möglich ist, die Unterrichtszeit zu verlängern, ohne dass für die Eltern ein finanzieller Mehraufwand entsteht. Denn dass man mit einer Unterrichtszeit von 30 Minuten pro Woche so etwas Komplexes wie das Spiel eines Musikinstruments nicht bis in alle Einzelheiten vermitteln kann, dürfte wohl klar sein. Klar ist aber auch, dass wir Musiklehrende mit unserer beruflichen Tätigkeit kein Ehrenamt bekleiden und talentierten Kindern in unserer Freizeit keine unbezahlten Unterrichtsstunden geben können, um die Familien-Budgets nicht über Gebühr zu belasten.
Impulse durch eine eigene digitale Lernplattform
Die Frage ist also, ob sich mit dem gleichen finanziellen Einsatz der Eltern und dem gleichen Zeitaufwand für uns die Unterrichtszeit nicht trotzdem verlängern lässt. Das ist nicht in jedem Fall möglich, aber wenn wir mehrere Schülerinnen und Schüler am selben Ort unterrichten, besteht die Möglichkeit, mit temporären Gruppenlektionen oder Parallelunterricht zu arbeiten (siehe Unterrichtsformen in “Voll motiviert – Erfolgsrezepte für Ihren Unterricht)”. Auch eine eigene digitale Lernplattform kann helfen, damit Ihre Schülerin bzw. Ihr Schüler mehr Impulse bekommen und umsetzen kann.
Ob Sie hier ein eigenes Format kreieren und beispielsweise auf Ihrer Webseite einen passwortgeschützten Bereich mit Video-Tutorials oder Noten anbieten, oder alternativ auf den Zugang zu einer (kostenpflichtigen) App oder Website wie etwa Tonestro, TomPlay oder ERNA setzen, bleibt Ihnen natürlich selbst überlassen. Möglicherweise verfügt die Instrumentalschule Ihrer Wahl auch über digitale Ergänzungsinhalte, mit denen die Schülerin bzw. der Schüler daheim selbstständig weiterarbeiten kann. Auch hybride Lernformen, also Unterrichtsmodelle, in denen nur ein Teil der Zeit als Präsenzunterricht und ein weiterer Teil für andere Inhalte aufgewendet werden kann, sind denkbar. Meine Ideen hierzu finden Sie in meiner neuen Publikation “Digital jetzt! Wie Sie Ihren Unterricht medial bereichern” (um5030, Schott Music 2022).
Sich Herausforderungen stellen und Hürden bewältigen
Ich würde also alles in allem sehr davon abraten, Lernwege immer nur zu vereinfachen, sondern den Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit geben, sich erfolgreich Herausforderungen zu stellen und Hürden zu bewältigen. Sich bei einer Aufgabe zu bewähren und über sich selbst hinauszuwachsen, kann für sehr große Motivation sorgen. Als Musikpädagoginnen und -pädagogen sollten wir sie durch diese Höhen und Tiefen des Lernens begleiten und uns mit ihnen an ihrer Leistung freuen!
Ich wünsche Ihnen viel Freude bei dieser spannenden und wertvollen Aufgabe! Natürlich ist mir bewusst, dass diese Impulse hier niemals ein Studium oder eine Fortbildung ersetzen können, aber wenn Sie nun Lust bekommen haben, einmal einen Workshop Musikpädagogik zu besuchen, finden Sie Termine auf meiner Website www.vollmotiviert.com