Wie junge Musiker in Deutschland mit der aktuellen Corona-Krise umgehen, ist ganz unterschiedlich. Ein beachtliches Projekt namens “Crossover Corona” hat das Quartett Munich Tetra Brass mit dem jungen Münchener Komponisten Lukas Maier auf die Beine gestellt.
Munich Tetra Brass ist ein Blechbläserquartett, bestehend aus vier professionellen Musikern. An der Trompete Luca Chiche und Thomas Rath, an der Posaune Stephan Gerblinger und an der Bassposaune Jakob Grimm. Gemeinsam belegen sie die an der Hochschule für Musik und Theater München den Masterstudiengang Kammermusik. Zum Repertoire des Quartetts gehört hauptsächlich klassische Kammermusik. Die vier denken aber sehr innovativ und führen auch viele zeitgenössische Werke auf. Ziel der Musiker ist es, Original-Literatur für diese Besetzung zu entdecken – aber auch, Komponisten damit zu beauftragen, neue Literatur für diese Besetzung zu schaffen.
So kam es auch zur Zusammenarbeit mit Lukas Maier, der ebenfalls in München Komposition für Film und Medien studiert. In einem gemeinsamen Projekt von Quartett und Kompositionsklasse zeigten die Musiker, was auf ihren Instrumenten alles möglich ist beziehungsweise welche Effekte es gibt. Und die Kompositionsklasse schrieb daraufhin Stücke für diese Besetzung. Die Zusammenarbeit mit Lukas Maier blieb über dieses Projekt hinaus bestehen.
Das Projekt Crossover Corona
“Lukas, uns ist langweilig und wir müssen eigentlich üben.” Mit diesen Worten wendete Jakob Grimm sich nach einigen Tagen Lockdown an Lukas Maier. Um als Ensemble während Corona nicht von der Bildfläche zu verschwinden, führt kein Weg an einer starken Online-Präsenz vorbei. Kostenlose Live-Konzerte sieht Grimm jedoch kritisch: “Kunst darf nicht einfach kostenlos sein, schließlich müssen auch wir Künstler von etwas leben.” Was aber wäre denn überhaupt möglich?
“Wir wollten uns an einer Social-Media-Kampagne versuchen”, erzählt Lukas Maier. Lediglich neue Stücke zu schreiben und einzuspielen erschien den fünf zu einfach. Und so entstand die Idee zu Crossover Corona. Seit Mai wird jeden Sonntag ein einminütiges Video online gestellt, in dem Munich Tetra Brass Stücke von Künstlern aus der Region München auf ganz eigene Art und Weise covern. Die Musiker betreten dabei ganz ungewohntes Terrain und setzen sich mit Pop-Musik auseinander.
Ein Gedanke dahinter sei es auch, einen gemeinsamen Schulterschluss unter allen Musikern und über Genregrenzen hinweg zu demonstrieren. Von Indie über Punk, Hip-Hop und R’n‘B bis hin zu Italo-Schlagern nahmen die fünf so nahezu jedes Genre mit. Maier findet: “Dabei war es wirklich schön zu sehen, wie viel tolle Pop-Kultur es hier in München und im Umkreis gibt.”
Von der Idee zum Video
Die Arrangements zu den Stücken schreibt Maier. “Ich spiele die Stücke am Klavier nach und versuche zunächst einmal zu begreifen, was da harmonisch und melodisch passiert. Dann suche ich mir Motive, Akkordprogressionen oder einen Rhythmus heraus und versuche das irgendwie auf die vier Stimmen zu verteilen.”
Bei dieser intensiven Auseinandersetzung mit den Originalen gebe es für ihn auch immer wieder musikalische Überraschungsmomente: “Da sehe ich dann etwas, das ich so nicht gemacht hätte, stelle dann aber fest, dass das eigentlich total cool oder interessant ist.”
Genau solche Dinge versuche er dann in seinem Arrangement zu übersetzen oder sogar besonders zu betonen. Eine spannende Aufgabe sei es auch gewesen, möglichst viel vom Original in diese eine Minute des Arrangements zu komprimieren, sodass es wirklich ein kompaktes, kurzes Musikerlebnis ist.
Aber auch die vier Blechbläser standen vor ganz neuen Herausforderungen. Beim Zusammenspiel seien Absprachen bezüglich Intonation oder Artikulation relativ leicht umzusetzen. Wenn jeder für sich aber nur seine Stimme einspielt, sei das deutlich schwieriger. Grimm erklärt: “Da muss man sich sehr gut überlegen, wer seine Stimme als erstes einspielt, weil derjenige von den anderen ja überhaupt nichts hört. Aber auch die anderen müssen sehr genau im Kopf behalten, wer gerade was spielt.”
Eine ganz neue Routine entstanden
Gerade am Anfang habe man da viele Versuche benötigt, bis man ein akzeptables Ergebnis vorweisen konnte. Daraus sei eine ganz neue Routine entstanden, von der man mittlerweile aber auch beim Live-Zusammenspiel profitiere.
Die Videos produziert Lukas Maier. Er erklärt: “Das Video zeigt natürlich die vier Musiker beim Spielen und danach gibt es bei fast allen Videos einen kurzen Ausschnitt des Originals, das Jakob und Co. auf ihre Art interpretieren beziehungsweise schauspielerisch darstellen.”
Und er ergänzt: “Wir wollten damit eine positive Minute kreieren. Das hat uns total Spaß gemacht und auch die Künstler sehr gefreut. Die Bands und Interpreten haben uns teilweise in den Himmel gelobt und sich so gefreut, dass ihre Musik gerade trotzdem stattfindet – auf eine ganz andere Art und Weise.”
Da weder Maier noch Munich Tetra Brass bisher Erfahrung mit der Produktion von Videos hatten, waren die ersten Videos sehr zeitaufwendig. Beim ersten Video war Maier ein komplettes Wochenende nur mit dem Videoschnitt beschäftigt. “Wir sind aber schneller geworden”, ergänzt er lachend. Mittlerweile daure die Produktion einige Stunden. Auch das Arrangement zu schreiben ginge recht schnell.
Der Corona-Effekt
Tatsächlich sei dieses Projekt ohne Corona so aber nie möglich gewesen. Grimm erklärt: “Man konnte diese Zeit jetzt nutzen, Sachen zu lernen, mit denen man sich normalerweise nicht beschäftigt hätte, weil die Zeit dazu gar nicht da war.” Ein Projekt wie Crossover Corona hätte man im normalen Alltag nie unterbekommen.
13 Folgen waren von Anfang an für CrossoverCorona geplant, Ende Juli wurde somit die letzte Folge veröffentlicht. “Natürlich ist Corona noch nicht vorbei, aber dann ist auch wieder Zeit für etwas Neues”, so Grimm. Die Zusammenarbeit von Munich Tetra Brass und Lukas Maier sei damit aber keinesfalls beendet. “Wir werden uns sicherlich auch in Zukunft etwas einfallen lassen.”
- Jeden Sonntag von Anfang Mai bis Ende Juli coverte das Quartett Munich Tetra Brass einen Song einer regionalen Band in innovativen, witzigen und verrückten Blechblas-Versionen, arrangiert von Lukas Maier.
- Dabei entstanden kurze, bunte Videos mit Musik von etablierten bayerischen Künstlern wie Claudia Koreck bis hin zu Newcomern wie “Some Sprouts” oder “Blackout Problems”. Dabei trifft bayerische Blechblas-Polka auf Indie-Pop oder klassische Kammermusik auf Italo-Schlager.
- Neue Freundschaften entstehen, Communities durchmischen sich und gemeinsame Konzerte oder Studio-Sessions nach Corona werden schon fleißig diskutiert – und natürlich steigt auch die Vorfreude beim Publikum auf Livekonzerte nach der Corona-Zeit.