Brass, Orchestra, Wood | Von Dr. Tobias Schütte

Musikerschutzschiene ermöglicht Blasmusik mit Zahnspange

Zähne

Ein intensives Instrumentenspiel kann die Gebissentwicklung oder die Zahnstellung nachhaltig beeinflussen. Selbst kleinste Veränderungen im Bereich der Frontzähne können erhebliche Auswirkungen auf den Ansatz haben und so das Musizieren negativ beeinflussen. Ein Schneidezahn, der beim Spielen an das Mundstück drückt oder ein Bracket, das die Lippe reizt, führen unweigerlich zu Ansatzproblemen. In der Musikermedizin beschäftigen sich aus diesen Gründen viele Studien mit den Zusammenhängen von Lippen, Zähnen, Atmung und Ansatz. Spannend hierbei ist die Tatsache, dass es eine Wechselbeziehung zwischen dem Blasinstrumentenspiel und der Zahnmedizin gibt. 

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Ein wichtiger Faktor in diesem Zusammenspiel ist das jeweilige Mundstück und der damit verbundene Druck, der auf Lippen und Zähne wirkt. Dabei ist die Richtung der Kraft stark vom Instrument bzw. vom Mundstück abhängig. Bei der Klarinette zum Beispiel ist mit dem Einfachrohrblatt die Wirkung eine völlig andere als bei der Trompete mit dem Kesselmundstück. Eine Studie der Musikhochschule Han­nover hat ergeben, dass die spezifische Tonhöhe beim Trompetenspiel in vielen Fällen mit einem höheren Druck auf die Schneidezähne verbunden ist. Solch ein Druck wirkt sich bei Kindern deutlich stärker auf die Zähne und den Kiefer aus als bei Erwachsenen, da die Kieferknochen von Kindern eine andere Festigkeit haben als die Knochen Erwachsener. 

Die spezifische Tonhöhe beim Trompetenspiel ist in vielen Fällen mit einem höheren Druck auf die Schneidezähne verbunden.

Die gute Nachricht: Der Faktor Zeit spielt eine entscheidende Rolle. Da sich junge Musik­schüler für das Üben zeitlich oftmals im niedrigen Bereich bewegen, fällt dieser Aspekt nicht gravierend ins Gewicht. Wobei aus rein musi­kalischer Sicht bei vielen Kindern sicherlich noch Luft nach oben ist, was das Üben betrifft. Veränderungen bei der Zahnstellung müssen in diesen Fällen aber nicht befürchtet werden. Bei Profi­musikern sieht die Sache gänzlich anders aus. Hier kann es bekanntermaßen aufgrund des musikalischen und zeitlichen Umfangs sowie der daraus folgenden Belastung zu Folgeerkrankungen kommen.

Lösung Musikerschutzschiene

Durch den Einbau einer festen Zahnspange kommt es infolge der mechanischen Irritation der Lippen in vielen Fällen zu einer Veränderung des Ansatzverhaltens. Dies spiegelt sich in einer Verkleinerung des Tonumfangs und einem unsauberen Anstoßverhalten wider. Zusätzlich schmerzen die Lippen beim Spielen. Gerade bei Musikern mit kleinen Mundstücken beobachtet man dieses Phänomen häufig. 

Zähne

Ziel unserer Forschungen war es, eine indivi­duelle Musikerschutzschiene zu entwickeln, die es Kindern und Jugendlichen erlaubt, im gewohnten Umfang zu musizieren, und die es uns ermöglicht, gleichzeitig die Zähne nach Plan zu korrigieren bzw. zu bewegen. 

Die Entwicklung

Erfreulicherweise spielen viele Kinder im Paderborner Land und im angrenzenden Sauerland ein Blasinstrument in den örtlichen Blasorchestern, sodass wir auf eine Vielzahl von Musikern mit Zahnspangen zurückgreifen konnten. Die Entwicklung der Schiene in unserer Praxis verlief in mehreren Etappen. Zunächst wurden im Rahmen einer standardisierten Patientenumfrage die spezifischen Beschwerdesymptome, die Art der Beeinträchtigung und die Lokalisation der Beschwerden beim Musizieren erfragt. Im Anschluss erfolgte eine klinische Untersuchung ­vieler Patienten. So erhielten wir detaillierte Informationen über den Tonhöhenumfang vor und nach Einbau einer festen Zahnspange und der daraus resultierenden Ansatzveränderung. 

Für ein optimales Schienendesign erfolgten dann praktische Übungen und Tonsequenzen. Den Patienten wurden dazu individuelle Musikerschienen in verschiedenen Schichtstärken und mit individuellen Modifikationen gefertigt. So konnten Parameter wie Spieldauer ohne Beschwerden an den Lippen, die Tonhöhe und der Tonumfang gezielt untersucht werden. Die Ergebnisse, die wir erhielten, waren sehr aufschlussreich. Holzbläser wiesen signifikant mehr Druckbeschwerden an der Unterlippe und Blechbläser deutlich mehr Druckbeschwerden an der Oberlippe auf. Aber auch die Größe des Mundstücks und die Tonhöhe spielten eine erhebliche Rolle.

Die Vorteile

Mit dem Einsatz der individuellen Musiker­schiene ermöglichen wir es jugendlichen Patienten, ihr Blasinstrument in gewohnter Weise weiterzuspielen. Der ursprüngliche Tonumfang wird in vielen Fällen wieder erreicht und Druckbeschwerden an der Ober- und Unterlippe erheblich reduziert. Individuelle Parameter wie Mundstück, Anpressdruck und der Faktor Zeit haben jedoch ebenso einen großen Einfluss auf die Notwendigkeit eines individuellen Musiker­schutzes und müssen darum immer berücksichtigt werden. 

Das Fazit

Grundsätzlich ist eine kieferorthopädische Behandlung ohne temporäre Veränderung des Ansatzes schwer zu realisieren. Bei Kindern und Jugendlichen, die Musik als Hobby betreiben, ist sie zu vertreten, da die Veränderungen überschaubar und zeitlich begrenzt sind. Eine Behandlung mit fester Zahnspange bei Profis während des Studiums oder der beruflichen Tätigkeit sollte nur unter Abwägung aller Risiken und Folgen durchgeführt werden. Wenn aber eine eingetretene Fehlstellung der Zähne das Musizieren behindert, muss man gemeinsam nach Lösungen suchen. Erfreulicherweise haben sich in den letzten Jahren einige Alternativen zur festen Zahnspange ergeben. Inwieweit es hier zu Beeinträchtigungen beim Musizieren kommt, wird aktuell in unserer Praxis untersucht. Erste Ergebnisse sind aber durchaus vielversprechend. 

Dr. Tobias Schütte 

wurde 1974 in Paderborn geboren und ­erhielt ab dem sechsten Lebensjahr Klavier- und Trompetenunterrichtet. Während seiner Schulausbildung musizierte er in verschiedenen Orchestern, Bands und Ensembles. Die traditionelle Blasmusik in all ihren Facetten und der Jazz wurden schließlich zu seiner Leidenschaft. 

Nach dem Abitur leistete Tobias Schütte als Trompeter seinen Grundwehrdienst beim Heeresmusikkorps 100 in Münster. Auch während des Studiums der Zahnmedizin und der anschließenden Weiterbildung zum Kieferorthopäden widmete sich Tobias Schütte intensiv seinem Hobby, der Musik. 

Musikalisch absolvierte er unlängst die Ausbildung bei der Deutschen Dirigenten-Akademie und erweiterte seinen musikalischen Horizont um die Posaune. Tobias Schütte ist verheiratet und Vater von zwei Kindern.

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