Als Charlie Parker, das Idol der Bebop-Revolution, 1955 starb, diskutierten die Journalisten über einen möglichen Nachfolger. Wer war der vielversprechendste Altsaxofonist der Szene, wer war »the new Bird«? Zu den Kandidaten zählte damals schon Phil Woods, ein gerade 23-jähriger Newcomer.
Woods konnte 1955 noch nicht einmal ein eigenes Album vorweisen, aber er sorgte mit seiner feurigen, ungestümen Attacke und seinem lauten, runden Ton bereits für einiges Aufsehen. In mancher Hinsicht sollte er dann tatsächlich in Charlie Parkers Fußstapfen treten.
In den Fußstapfen von Charlie Parker
Zum Beispiel heiratete er 1957 »Birds« Witwe Chan und wurde der neue Vater von Parkers Sohn Baird und Parkers Stieftochter Kim. Die Ehe hielt fast 20 Jahre. Die finanzielle Verantwortung für die Familie lastete anfangs allerdings schwer auf Phil Woods. Einmal musste er sogar sein Saxofon versetzen und trat dann mit Charlie Parkers Instrument auf – es war im Besitz der Witwe. Arrivierte afroamerikanische Musiker haben den jungen weißen Heißsporn damals gefördert und in ihre Bands geholt. So spielte er schon 1956 an der Seite von Dizzy Gillespie – da, wo einst Charlie Parker gespielt hatte.
Seine ganze Karriere stand im Zeichen von »Bird«, denn der Bebop war und blieb Phil Woods’ musikalische Heimat. Schon als Teenager hatte er Charlie Parker persönlich getroffen – dank dem Pianisten Lennie Tristano, bei dem Phil ein paar Stunden nahm. Ob er »Bird« kennenlernen wolle, fragte Tristano eines Tages, und der Junge antwortete begeistert: »Klar, ich wollte schon immer Gott treffen.«
Woods sollte diese erste Begegnung nie mehr vergessen: Parker saß im Künstlerzimmer eines Clubs, aß Kirschkuchen und gab ihm ein großes Stück davon ab – man könnte die Geste symbolisch nennen. Danach lief er seinem »Gott« immer mal wieder auf der 52nd Street über den Weg. Einmal durfte er ihm sogar sein Saxofon leihen und ihm danach vorspielen – ein wichtiges Motivationserlebnis. Auch noch das allerletzte Konzert, das Phil Woods in seinem Leben gab – im September 2015 –, war keinem anderen gewidmet als Charlie Parker.