Wood | Von Klaus Härtel

Nicole Johänntgen über das Live-Album “Henry III”

Nicole Johänntgen
Foto: Daniel Bernet

In den USA, wo die Saxofonistin Nicole Johänntgen 2016 ein halbes Jahr verbrachte, startete sie ihr “Henry”-Projekt. Nun erscheint das erste Live-Album “Henry III” mit Jon Ramm (Posaune), Steven Glenn (Sousafon) und Paul Thibodeaux (Schlagzeug), ihren drei Musikern aus New Orleans. “Henry III” ist funky und erfrischend, einfach und ehrlich gespielt, groovt und rumpelt vom New-Orleans-Jazz inspiriert.

Das Album wurde während eines Live-Konzerts im Jazzclub “Domicile” in Pforzheim analog auf Band aufgenommen. Man spürt, wie vertraut und spielfreudig die vier Musiker sind. Auch darüber sprachen wir mit der Wahl-Züricherin und gebürtigen Saar­länderin ­Nicole Johänntgen.

“Henry III” ist dein erstes Live-Album. Wie unterscheiden sich “Live« und »Studio”? Ist das eine andere Herangehensweise? Emotionaler/intuitiver auf der einen Seite, “organisierter” auf der anderen?

Im Studio haben wir meistens von einem Song je drei Takes aufgenommen. Und “live” nur einen. Das ist ein Unterschied. Live wird der ­Moment noch mehr festgehalten, während man im Studio noch mal eine Aufnahme vom gleichen Song spielen kann. Ich bin ein großer Fan vom Live-Spielen, denn da ist auch das Publikum Teil der Band. Das Publikum im »Domicile« gab uns beim Konzert so viel Energie und so viel Schwung! Live nimmt man sich viel mehr Zeit. Deshalb sind die Songs dann zum Teil viel länger, als wenn man sie im Studio einspielt. Radiotauglich ist das dann weniger… Aber es ist ehrlich ­gespielt und so wie es in dem Moment eben kommt.

Diese Aufnahme entstand ganz klassisch mit Tonband. Warum? Und macht das den Charme aus?

Das war ein Traum von mir: Einmal eine LP nach alter Machart aufzunehmen! Das Knistern ist schon was Schönes! “Henry III” gibt es als Vinyl, CD und Download-Code.

Was macht die “Henry-Combo” aus und so besonders?

Wir sind wie kleine Kinder auf der Bühne, spielen drauflos, ohne Berührungsängste. Wir machen einfach, und ich glaube, dass diese Energie sich im Raum verteilt und alle ansteckt. Die Leichtigkeit im Spielen ist’s, glaube ich.

Das ist durchaus hörbar – und auf dem zugehörigen Video auch sichtbar! Wie wichtig ist das Zwischenmenschliche beim Musizieren? Überspitzt gefragt: Ist das sogar wichtiger als Technik?

Das Zwischenmenschliche ist extrem wichtig. Denn wenn wir zwei Wochen auf Tour sind und uns jeden Tag sehen, jeden Tag die Bühne teilen, dann brauche ich Menschen um mich herum, die mit anpacken, die freundlich sind. Da hab ich bei “Henry” Glück gehabt. Der Sinn für Humor darf nicht fehlen… (lacht)

Was steckt hinter den einzelnen Kompositionen von “Henry III”?

“Henry III” spiegelt das Leben wider, “Life”. So heißt auch unser erster Song. Das Leben ist nicht fadengerade, sondern eine Achterbahnfahrt. Von Heiterkeit in die Trauer und zurück in die Heiterkeit. Bei den Songs wie “Discoland” und “Zydeco” geht es um Bewegung. Ums Tanzen vor allem. “Fahrtwind” steht für unsere Vorliebe zum Fahrradfahren, “Biological” ist eigentlich ein Song für die Schweizer Stadt Biel. Und da das Essen uns dort so schmeckte, hatte ich anstatt organic eben biological gesagt. “Dig Deep” und “Guetnachtlied” sind Balladen. Bei “Dig Deep” probieren wir auch aus und setzen erstmals unsere Stimmen mit ein. Das hat Spaß gemacht. “Too Loose” ist für uns wie ein Zustand der totalen Entspannung.

“Henry” ist eine Hommage an deinen Vater. Welche Rolle spielt er für die Musik und die Stücke? Inspirationsquelle? Ansporn? 

Mein Vater Henry hat mich zu meiner Schulzeit immer mit Posaunenklängen aufgeweckt. So blieb mir die Posaune immer im Kopf. Mit ihm hab ich dann erstmals eine Band gegründet mit Posaune, Saxofon, Sousafon und Schlagzeug. Mein Vater hat schon immer Musik gemacht und aus allen Genres Musik gespielt auf der Posaune. Und das hat er mir mitgegeben. Henry vereint den Jazz in allen Facetten. Und lehnt sich auch an andere Genres an. Was ihm gefällt, spielt er auch. Und dieser Grundsatz steckt in Henry tief drin. Er ist eine Inspirationsquelle und Ansporn für “Henry”. 

Saxofon Nicole Johänntgen

Saxofon-Tipps von Nicole Johänntgen

Klingt der Sound gepresst?
Schmiegen Sie die untere Lippe ohne Druck zart an die untere Seite des Mundstücks, damit keine Luft herausdringt. Oftmals wird stark zugedrückt.

Sind die hohen Töne schrill und dünn? 
Denken Sie den Buchstaben »O« beim Spielen. Achten Sie auf die Intonation.

Sie können nicht mit Metronom spielen?
Als Einstiegsübung nutzen Sie ein Metronom als mobile App-Version mit Kopfhörer im Tempo 70 bpm. Sprechen Sie laut im Viertelrhythmus »ta ta ta ta«. Platzieren Sie das »ta« genau auf den Klickton. Sprechen Sie beim Üben eine Woche lang nur »ta ta ta ta« im gleichen Rhythmus wie das Metronom. Dann eine Woche lang mit Instrument Viertel spielen. Genau platziert! 

Schneller spielen können?
Spielen Sie konkret eine kleine Melodie »F E D«. In Achteln »F E D« mit Metronom Tempo 70 bpm. Ziel­tempo ist 90 bpm. Spielen Sie das Tempo 90. Haben Sie damit Mühe? Dann spielen Sie Tempo 100, gefolgt von Tempo 120, gefolgt von Tempo 150 und wieder zurück zum Tempo 90 in Achteln gespielt. 

Ihr Saxofon quietscht?
Das Saxofonblatt genug feucht machen. Manchmal hat es einen Riss, dann ein neues Blatt nehmen. Ist das Blatt gewellt, dann setzen Sie die Blattspitze auf die flache Fläche des Mundstücks und tippen das Blatt­ende mit dem Zeigefinger leicht an, sodass es hin und her schwingt. Damit wird das Blatt wieder gerade. Manchmal ist es auch so, dass die Kombination aus Mundstück und Blattmarke einfach nicht funktioniert. Dann mal Blätter von verschiedenen Marken ausprobieren. Nur einzelne Blätter kaufen in der Testphase.

www.nicolejohaenntgen.com