Brass | Von Klaus Härtel

Nils Wülker hat das letzte Wort

Nils Wülker gehört zu den erfolgreichsten Jazztrompetern und -komponisten in Europa. Wir sprachen mit ihm über die "Space Night" im BR, inspirierende Musiker, den perfekten Sound als Momentaufnahme und warum ihn eine Autopanne schon mal an seinem "Traumberuf" zweifeln lässt.

Wann war das letzte Mal, dass Sie sich gewünscht hätten, einen "ordentlichen Beruf" gewählt zu haben?

Als der Tourbus während einer 600-Kilometer-Etappe zum nächsten Konzert auf der Autobahn liegenblieb und klar war, dass wir es nur mit Glück rechtzeitig zum Konzert schaffen können – an Soundcheck war da schon nicht mehr zu denken. Dann ist es viel wert, wenn alle in der Band die Situation mit Ruhe und Humor nehmen. Und nachdem wir irgendwann zwar verspätet, aber doch noch vor tollem Publikum auf der Bühne standen, hat sich schnell wieder das Gefühl von "Traumberuf" eingestellt.

Ihr neues Album heißt "ON". Wann war das letzte Mal, dass Sie komplett "offline" waren?

Im April während einer Bergtour. In den Bergen zu sein ist für mich die ideale Möglichkeit, den Kopf abzuschalten, da ich während des Kletterns komplett auf den Moment fokussiert bin. Die Zeit genieße ich sehr, freue mich aber anschließend auch immer wieder, mein Instrument in die Hand zu nehmen.

Wann war das letzte Mal, dass Ihnen die Unterschiede von Hamburgern und Münchnern deutlich wurden?

Im Großen und Ganzen sind die Unterschiede nicht so groß, wie die Klischees vermuten lassen – aber klar, dem Hamburger "Bloß den Ball flach halten" und dem Münchner Granteln begegnet man im Alltag schon häufiger. Ich finde die regionalen Unterschiede in Deutschland aber sehr charmant. Diese Eigenheiten wahrzunehmen ist auch Teil des Spaßes, durchs ganze Land zu touren.

Wann war das letzte Mal, dass Sie in einer Bigband gespielt haben?

Im November 2016 als Solist mit der Thilo Wolf Big Band, eine super Band! In der Trompeten-Section einer Bigband habe ich schon lange nicht mehr gesessen, da ich meist mit kleineren Besetzungen spiele, aber in meinen ersten Jahren vor und während des Studiums habe ich sehr viel Bigband gespielt… BuJazzO, Berlin Jazz Orchestra, RIAS Big Band… Für Trompeter ist das eine gute und wichtige Schule.

Wann war das letzte Mal, dass Sie Karaoke gesungen haben?

Das ist auch schon einige Jahre her: in der Thai Oase auf St. Pauli, das ist die Karaoke-Institution in Hamburg. Wahrscheinlich fand das seeehr spät am Abend statt…

Wann war das letzte Mal, dass Sie "Cantaloupe Island" gespielt haben?

Vor zwei Jahren für ein Porträt der Sendung "KlickKlack" des Bayerischen Fernsehens. Aufhänger war, dass die Acid-Jazz-Version des Songs von US3 einer meiner ersten Berührungspunkte mit Jazz war – in den 90ern war das ein Riesen-Hit.

Zu Beginn meines Studiums in Berlin war ich auf vier bis fünf Jamsessions pro Woche, damals habe ich die Nummer noch häufiger gespielt. Lustigerweise habe ich bei dem Trompeter der US3-Aufnahme dann auch studiert: Gerard Presencer.

Ausnahmetrompeter, Jazzwunder, großer Melodiker. Wann war das letzte Mal, dass Sie rot geworden sind bei so viel Lob?

Ich freue mich natürlich über solches Feedback, aber weder werde ich rot noch hebe ich deswegen ab: Ich weiß, was ich alles investiert habe, aber auch, was ich alles noch nicht kann. Als Trompeter und Jazzmusiker bleibt man ein Leben lang Schüler und hat einen langen Weg vor sich. Jeder Mensch mit einer einigermaßen intakten Selbstwahrnehmung bleibt da auf dem Boden.

Sie haben schon mit vielen Größen des Showgeschäfts zusammengearbeitet. Wann war das letzte Mal, dass Sie sich vorgenommen haben: "Der fehlt noch!"?

Mit Pat Metheny würde ich sehr gerne mal spielen! Aber hoffentlich entdecke ich auch noch viele Musiker, die mich inspirieren, von denen ich aber jetzt noch nichts weiß.

Wann war das letzte Mal, dass Sie einen Kollegen beneidet haben?

Nicht beneidet, aber Kollegen, die im hohen Alter noch vor Kreativität und Spielfreude sprühen und auch gesundheitlich noch dazu in der Lage sind, auf der Bühne zu stehen, lösen den hoffnungsvollen Wunsch aus, dass es mir auch mal so gehen wird. Kollegen, die über lange Zeit kreativ sind und sich immer wieder neu erfinden, finde ich ohnehin sehr inspirierend. Überspitzt formuliert: EIN gutes Album kann jeder machen.

Vor ein paar Jahren war ich mit Omara Portuondo, der Grande Dame des Buena Vista Social Club, auf Tour: Sie zu erleben, wie sie jeden Abend am Mikrofon schlagartig 20 Jahre verjüngt schien und ihr Publikum um den Finger gewickelt hat, war großartig.

Wann war das letzte Mal, dass Sie sich die "Space Night" im Bayerischen Fernsehen angeschaut haben?

Seit sieben Jahren habe ich keinen Fernseher mehr, aber ich werde auf die Sendung immer noch häufig angesprochen, für viele war die Sendung wirklich Kult. Die Musik für die "Space Night" zu machen, hat auch großen Spaß gemacht.

Echo, German Jazz Award, Hamburger Jazzpreis. Wann war das letzte Mal, dass Sie Ihre Preise abgestaubt haben?

Die Preise stehen verteilt auf und in Regalen und werden dann zusammen mit den Schallplatten, CDs und Büchern abgestaubt… je nachdem, wen man fragt, wohl eher zu selten.

Wann war das letzte Mal, dass Sie gedacht haben: Jetzt habe ich den perfekten Sound gefunden?

Das war ein Sound aus meinem Prophet-Synthesizer für mein neues Album "ON". Aber "perfekt" ist immer nur ein kurzer Zustand, Geschmack entwickelt sich ja immer weiter und jeden Tag tickt man ein wenig anders. Aber noch bin ich mit dem Album sehr glücklich.