Um 1980 gehörte der Saxofonist Norbert Stein zu den »Jungen Wilden« der Kölner Jazzszene. Auf seinem Label Pata Music dokumentiert er seit über 30 Jahren mit diversen Ensembles seine spannende Musik. Wir gratulieren Norbert Stein zum 65. Geburtstag.
Den ersten Saxofonunterricht erhielt er von seinem Vater. Mit 13 Jahren trat er in den örtlichen Musikverein ein, spielte dort im Blasorchester. Dass es noch ganz andere Klänge gab – etwa Jazz und Neue Musik –, erfuhr er vor allem durchs Radio.
Sechs Jahre lang studierte Norbert Stein an der Musikhochschule Köln, wo in den 1970er Jahren Komponisten wie Karlheinz Stockhausen und Mauricio Kagel unterrichteten. »Köln war ein bedeutender Ort für innovative Musik«, sagt Stein heute. »Es herrschte ein mutiger, kreativer Geist des Aufbruchs in neue – auch neue musikalische – Welten.«
1980 taten er und andere junge Kölner Musiker sich zusammen und gründeten die Jazz Haus Initiative, zu der die Offene Jazz Haus Schule und das Musikerlabel JazzHausMusik gehören. Inspiriert war der Schritt von ähnlichen Musikerinitiativen in den USA (Jazz Composers Guild, AACM) oder Frankreich (ARFI).
Patamusik: Alles ist verwandelbar
Die Erfahrungen mit dem Label JazzHausMusik im Gepäck, gründete der Saxofonist 1986 sein Label Pata Music, um noch unabhängiger die eigene Musik produzieren zu können. Der Begriff »Pata« bezieht sich dabei auf die imaginäre »Wissenschaft« der Pataphysik, eine Erfindung des Literaten Alfred Jarry.
Wie die Pataphysik, so soll auch Steins »Patamusik« über der Konvention stehen: Alles ist verwandelbar, aber nichts ist beliebig. 24 Produktionen hat Norbert Stein auf seinem Label bislang veröffentlicht – mit großen Besetzungen (zum Beispiel Pata Orchester), mit kleinen Besetzungen (zum Beispiel Pata Trio), mit Weltmusik-Projekten (zum Beispiel Pata Bahia, Pata Java, Pata Maroc) oder mit reiner Bläsergruppe (Pata Horns). Die aktuelle Pata-Band heißt Pata Messengers und ist ein Jazzquartett in der Besetzung Tenorsaxofon, Piano, Bass, Schlagzeug.
Norbert Stein im Interview
CLARINO: Wie prägend war für Sie der Aufbruch der Kölner Szene um 1980? Wie haben Sie das damals erlebt?
Norbert Stein: Die jungen Jahre der Initiative habe ich als sehr kommunikativ, schwungvoll und idealistisch erlebt. Es entstanden viele eigenständige Ensembles und spannende Produktionen. Ich konnte erfahren, was damals, getragen von dem Geist der Bürgerinitiativen, politisch zu bewirken war. Über die Jahre erkannte ich aber auch, wie sich das Kollektiv durch sich entwickelnde Hierarchien und Machtbestrebungen veränderte. Mein Schritt hinaus in die Selbstständigkeit war dann konsequent und notwendig.
Sie waren Mitte der 1980er Jahre auch Teil der damals gefeierten Kölner Saxophon Mafia, eines reinen Saxofon-Ensembles. Waren Ihre Pata Horns später davon inspiriert?
Die Kölner Saxophon Mafia existierte in der öffentlichen Wahrnehmung zeitgleich mit dem World Saxophone Quartet und dem kalifornischen Rova Saxophone Quartet. Für uns war das eine gute Herausforderung, eigene Ideen und eigenes Können zu entwickeln. Ein Albumtitel der Kölner Saxophon Mafia war geradezu künstlerisches Programm: »Die saxuelle Befreiung«.
Nach meinem Ausscheiden war ich dann Mitbegründer der Pata Horns, eines Bläserquartetts aus zwei Holz- und zwei Blechbläsern. Die Musik der Pata Horns war liedhafter als die der Saxophon Mafia, auch romantisch und witzig. Sie schlug einen warmen, stimmigen Bogen von der Tradition hin zu Neuem – »New Archaic Music«.