News | Von Klaus Härtel

Online-Unterricht – Interview mit Michael Schönstein

Online-Unterricht
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Die Corona-Krise zwingt uns in den Online-Unterricht. Auf brawoo.de gibt es Musikpädagogik-Ideen für einen motivierenden Unterricht und technische Tipps.

Abgesagte Konzerte, ausfallender Musikunterricht, geschlossene Musikschulen – alles sehr wichtige Maßnahmen um die Ausbreitung von Infektionen mit dem Coronavirus gering zu halten. Wie kann man aber als Musikerlehrer, Dozent, Referent und Coach dennoch seine Aufträge sichern? Wie kann Musikunterricht online erfolgen? Welche Tools gibt es und was können diese? Wir sprachen mit Michael Schönstein.

Herr Schönstein, ist es tatsächlich denkbar, den ausfallenden Musikunterricht online abzuhalten?

Ja, meiner Meinung nach ist es auf jeden Fall möglich den derzeit durch die Krise ausfallenden Musikunterricht online abzuhalten. Sicherlich mit allen “Nachteilen”, die diese veränderte Form des “Distanz-Unterrichts” mitbringt, aber eben auch mit den “Vorteilen”, die erst durch diese Form möglich werden. Vielleicht wäre das eben auch ein gutes Motto: “Nutzen wir diese Phase die Unterrichtsform Online auszutesten, die neuen Vorteile kennenzulernen und später nach der Krise diese Form sinnvoll ergänzend einzusetzen.”

Was sind die besonderen Herausforderungen und wo liegen die Chancen? 

Sich auf das Neue einzulassen und mit der Form zu arbeiten ist sicherlich eine große Herausforderung. Für den ein oder anderen wird auch die “Technik” eine Herausforderung sein, aber es gibt ein sehr großes Angebot an Tools und Software, die teilweise sehr einfach sind, so dass ich glaube, dass dies schneller lösbar ist. Aber für viele ist das “vor der Kamera stehen” oder das unsichere Gefühl “wer hört da mit” eine deutlich größere Herausforderung. Die Chancen liegen in den neuen Möglichkeiten, die die Form Online mit sich bringt.

So können verschiedene Tools beispielsweise “Hörbeispiele einspielen”, “Noten digital bearbeiten und einzeichnen”, aber vor allem zur Lernkontrolle “Videos aufnehmen” und so den Lernfortschritt dokumentieren. Auch ist es denkbar weitere “Experten” und “Fachlehrer” mit in den Unterricht zu integrieren. Zum Beispiel eine Unterrichtsstunde zu einer speziellen Stilistik zu veranstalten und einen weiteren Dozenten per Video dazu zu schalten. Wann hätte man diese Möglichkeit bei einem “Offline Unterricht”? Aber auch Themen wie “Krankheitsvertretung” sind viel leichter zu lösen bei “Online”, als bei “Offline”.

Was ist das Wichtigste, das ich bedenken muss, wenn ich Online-Unterricht plane?

Das Wichtigste für den “Online-Unterricht” ist eine strukturierte Vorbereitung und ein Ablaufplan. Man muss sich unbedingt eine Zeiteinteilung vornehmen und eine Struktur für die Stunden erarbeiten. Das sollte man ja auch beim “Offline-Unterricht”, aber gerade beim “Online-Unterricht” ist das Zeitgefühl ein anderes. Und man unterschätzt oft, wie schnell die Zeit vorbei geht und man hat vielleicht noch nicht das Lernziel der Unterrichtsstunde erreicht oder auch die Übeziele vereinbart. Daher sind ein Plan, eine Zeitkontrolle und eine Struktur über mehrere Stunden super wichtig. (Lesen Sie hierzu auch den Beitrag von Kristin Thielemann.)

Welche (soft- und hardware-)technischen Voraussetzungen sind unabdingbar/wünschenswert?

Man benötigt einen Computer, Laptop, Notebook, Tablet oder Smartphone mit einer Webcam (HD Qualität). Dazu einen Lautsprecher und einen Breitband-Internetzugang (mindestens 16 Mbit/s Downstream und 1,5 Mbit/s Upstream), sowie ein Software Programm für Videoanrufe (z.B. Zoom, Skype, Whereby, Facetime). Die Webcam sollte möglichst genau auf das Instrument ausgerichtet sein. Bei Akkordeon, Klavier und Keyboard sollte die Webcam auf die Tasten ausgerichtet werden. Wichtig dabei, die Webcam muss sehr gut befestigt werden und darf nicht wackeln oder umfallen.

Kann diese Krise auch eine Initialzündung für die Musikpädagogik der Zukunft sein?

Ja, ich bin überzeugt, dass die Krise eine gezwungene Beschleunigung erzeugt, sich mit dem Medium “Online Unterricht” zu beschäftigen und dies auch zu nutzen, wenn auch vielleicht nur als sinnvoll ergänzende Möglichkeit. Zu den Musikschülern von heute gehören längst auch die Anhänger der Generation Y und Digital Natives. Diese sind schon seit Jahren an neue Formen der Zusammenarbeit gewohnt. Durch die Corona-Krise stellt sich nicht mehr Frage nach dem “Ob”, sondern die Frage nach dem “Wie” rückt in den Vordergrund.

Michael Schönstein

Michael Schönstein ist als Dirigent, Musikpädagoge, und Coach tätig. Er leitet mehrere sinfonische Blasorchester unterschiedlicher Leistungsstufent. Ergänzend zu seiner Tätigkeit als Dirigent wird Michael Schönstein regelmäßig als Dozent und Gastdirigent bei diversen Orchestern, Probenwochenenden und Workshops eingeladen. Er ist als Juror tätig, sowie seit 2012 in der CISM-Expertenliste als Juror (Experte)-International in der Division “Konzertmusik”. Als Senior Business Architect Marketing arbeitet Michael Schönstein in einer  Unternehmensgruppe der Medien‐ und Softwarebranche.