Ihm sei wichtig, erklärt der tchechische Komponist Pavel Staněk, »dass die Komposition bestimmte Emotionen ausdrückt und keine verbale Erklärung braucht. Die Musik soll für sich selbst sprechen.« Dieses Credo beherzigt er bis heute. Am 3. Juni feierte Staněk seinen 90. Geburtstag.
Authentizität und Tiefe
Pavel Staněk hat ein außergewöhnlich tiefes Verständnis und ein natürliches Gespür für Musik. Er liest und schreibt Noten wie andere Menschen Buchstaben. Musikalische Regeln und Formen musste er nicht erlernen – sie ergeben sich für ihn ganz logisch und selbstverständlich.
Pavel Staněk komponiert kaum programmatische Werke. Für ihn braucht die Musik keine Geschichte, die sie erzählt – sie steht ganz für sich. Inspiriert wird er durch böhmische und mährische Folklore, durch die Werke großer klassischer Komponisten, aber ebenso durch moderne und sogar experimentelle Musik sowie Jazz und Pop.
Seine Musik berührt durch ihre Authentizität und Tiefe. Und in seiner ihm eigenen Bescheidenheit würde Pavel Staněk sich selbst niemals als der große Komponist bezeichnen: »Was die musikalische Tätigkeit anbelangt, habe ich mein ganzes Leben lang als Dirigent gearbeitet und das Komponieren war mein Hobby.« Staněks Werke sind zeitlos und stellen eine Bereicherung für jedes Konzertprogramm dar.
Staněks musikalische Karriere
Staněk blickt auf eine bemerkenswerte musikalische Karriere zurück, die 1950 als Kontrabassist begann. Er leitete Chöre, Sinfonieorchester und Blasorchester, war Dirigent am Theater, beim Militär und beim Rundfunk.
Seine ersten Kompositionsversuche startete er mit 15: »Soweit ich mich erinnern kann, habe ich Haydns Klaviersonaten für Geige und Gitarre arrangiert, um sie mit meiner Cousine spielen zu können.« Und weiter: »Ich erinnere mich, dass ich für meine erste Liebe ein kleines Stück für Klavier komponiert habe und sie hat es dann gespielt – wie romantisch!«
Zur Blasmusik kam Pavel Staněk im Rahmen seines Militärdienstes, als er als Dirigent zum Musikkorps der Burgwache abkommandiert wurde. Dort lernte er die Struktur und die Möglichkeiten des Blasorchesters kennen – und schätzen.
»Ich begann, dafür sinfonische Literatur zu instrumentieren und meine ersten Kompositionen zu schreiben. Die Musik der Burgwache bestand aus 60 Profimusikern, sodass ich mir keine Beschränkungen auferlegen musste. Erst in späteren Jahren, als ich als Gastdirigent von Laienorchestern eingeladen wurde und deren Möglichkeiten kennenlernte, habe ich einfachere Kompositionen geschrieben.«
1963 nahm Staněk die Stelle des Chefdirigenten beim Rundfunkorchester in Ostrava an, wo er 27 Jahre lang bis zu seiner Pensionierung im Jahre 1990 blieb. Der Fall des Eisernen Vorhangs brachte für Staněks gesamte musikalische Wahrnehmung einige neue Erkenntnisse und Erfahrungen.
»Davor waren wir komplett isoliert und kannten keine westlichen Kompositionen und Komponisten. Erst nach 1989 hatten wir die Möglichkeit, diese Musik zu hören und zu erleben, zum Beispiel Werke von Alfred Reed oder Philip Sparke. Es gab große Unterschiede, so waren im Westen viele Kompositionen verlegt, auch für Amateurkapellen.
Bei uns habe ich etwas für ein Orchester geschrieben und die anderen haben es sich dann kopiert. Verlegt war sehr wenig – von mir fast nichts.« Durch die Verbindung zu Musikverleger Siegfried Rundel fand Staněks Musik den Weg nach Deutschland und in das Repertoire vieler Blasorchester.
Beliebte Werke
Welches Werk für ihn persönlich die größte Bedeutung hat, vermag der Komponist nicht zu sagen. »Mit den Jahren ändert sich der Geschmack. Ich stelle fest, dass mich einige Kompositionen, die ich vor 30 Jahren geschrieben habe, mehr ansprechen als manche aus der letzten Zeit.«
Zu den erfolgreichen und erfolgreichsten Werken zählt Staněk selbst die »›Polonaise‹, die ab und zu von tschechischen Orchestern bis heute gespielt wird. Im Bereich der Blasmusik kennt man wohl »Adagio e Presto con fuoco« am besten, über das der Komponist selbst sagt, das »Presto« sei zwar etwas schwieriger, »aber gut gespielt kann es ziemlich wirksam sein«.
Beliebt sind heute einige leichtere Kompositionen wie der »Sankt-Thomas-Choral«, »Amen«, »Ballade« und die »Mährischen Impressionen«. Auch Werke anderer Genres sind beliebt, wie etwa »Drei Sätze für Viola und Klavier« oder das »Tuba Concerto«.
Zahlreiche außermusikalische Aktivitäten
Langweilig wurde und wird Pavel Staněk nie. »Ich saß in internationalen Jurys und wurde von Orchestern zum Dirigieren meiner Kompositionen eingeladen. Ich hatte viele außermusikalische Aktivitäten: habe Hunde trainiert, an Segel-Wettkämpfen teilgenommen, fotografiert, bin Rad gefahren, in den Bergen gewandert.«
Heute genießt er auch und vor allem Johann Sebastian Bach, »dessen Kompositionen ich mit meinen 90 Jahren, und inzwischen vollkommen blind, zwar nicht spielen, aber ständig hören kann«. Glücklich und zufrieden ist er, wenn die Familie in Harmonie zusammenlebt und wenn die Arbeit gut verrichtet ist, egal »ob eine gelungene Rundfunkaufnahme oder ein gemähter Rasen«.