„Wenn wir die Möglichkeiten eines modernen konzertanten Bläserensembles bedenken, scheint es geradezu unbegreiflich, dass die Komponisten unserer Epoche dafür nicht ebenso viel schreiben wie für Sinfonieorchester. Zweifellos gibt es manche Phasen musikalischer Emotion, die ein Bläserensemble nicht so gut darzustellen vermag wie das Sinfonieorchester, aber andererseits ist offensichtlich, dass das Bläserensemble für bestimmte Bereiche des musikalischen Ausdrucks unvergleichlich gut geeignet ist…“ Percy Aldridge Grainger äußert diesen Gedanken im September 1918 in seinem Artikel „Possibilities of the Concert Wind Band from the standpoint of a Modern Composer„.
je länger man sich mit dem vielschichtigen und umfangreichen Schaffen Graingers beschäftigt, desto schwieriger kann es fallen, in einem vergleichsweise kurzen Format wie diesem so recht die Balance zu finden. Also lege ich den Fokus nun auf das, was bis zur Entstehung dieses Werks von Belang scheint und wir begleiten den Komponisten bis in das Jahr 1919. Mich an Grainger zu erinnern oder auch ganz allgemein „Klassiker“ zu ehren, gibt mir immer wieder auffrischende Impulse, nicht zuletzt reflektierend für meinen Blick auf aktuelle Strömungen.
Der Komponist

Percy Grainger wurde 1882 in Brighton, nahe Melbourne (Australien), geboren. In der Hauptsache oblag seine Erziehung der Mutter, die ihm mit sechs Jahren auch ersten Klavierunterricht erteilte. Mit neun Jahren erhielt er zudem Schauspielunterricht und Unterweisungen in Malen und Zeichnen. Als Percy zehn Jahre alt war, übernahm der Pianist Louis Pabst in Melbourne die Verantwortung für sein Klavierspiel.
Als Pianist hatte Grainger dann schon ab 1894 seine ersten erwähnenswerten öffentlichen Auftritte. Noch im gleichen Jahr suchten seine getrennt lebenden Eltern gemeinsam nach finanziellen Mitteln, um ihm ab 1895, mit 13 Jahren, ein Studium am „Hoch’schen Konservatorium Frankfurt“ zu ermöglichen. Zusammen mit seiner Mutter, die fortan unter anderem als Sprachlehrerin arbeitete, zog er nach Frankfurt. Ab 1901 zog es beide nach London und 1903 auch kurz nach Berlin, wo Grainger bei Busoni studierte.
In dieser Zeit besuchten beide 1900 auch die Pariser Weltausstellung. Grainger war zu diesem Zeitpunkt schon als junger Komponist unterwegs und von Haus aus schon immer sehr daran interessiert, intensive sowie interessante Klangfarben zu entdecken und diesen nachzuspüren. Dem Kolorit von Holzblasinstrumenten wie etwa der Oboe oder dem Englischhorn war er schon längst zugetan. In Paris stieß er auch auf ägyptische Doppelrohrinstrumente, die sein Interesse an Bläsern befeuerten und seine Klangvorstellungen zudem nachdrücklich weiter beeinflussten. So ist überliefert, dass er in den Jahren 1904 und 1905 eine Vereinbarung mit der Firma Boosey traf, die ihm Rohrblatt- und Blechblasinstrumente zur Verfügung stellte, auf denen er sich dann Grundkenntnisse erwarb.
Grainger reiste gerne
Grainger reiste gerne, um zu konzertieren (etwa mit Abstechern nach Australien oder Südafrika), komponierte, pflegte Freundschaften zu Komponistenkollegen (wie zum Beispiel Edward Grieg) und erfasste und sammelte intensiv Volksmusik. Phonograph und Grammophon, technische Errungenschaften jener Zeit, die es erstmals ermöglichten, Musik aufzunehmen und wiederzugeben, weckten Graingers brennendes Interesse und wurden zu Instrumenten seiner musikalischen Forschungen und Experimente. Ab 1911, mittlerweile sind jährlich rund 100 Konzerte als Pianist (Solo-Rezitals und Klavierkonzerte mit Orchester) für ihn an der Tagesordnung, erweiterte er seinen Künstlernamen zu Percy Aldridge Grainger. 1914, nach Ausbruch des Krieges, übersiedelte er in die USA, nicht zuletzt auch der angeschlagenen Gesundheit seiner Mutter wegen.
1917, im gleichen Jahr, in dem Graingers Vater in Melbourne starb, trat er in die US Army Band ein und lernte Oboe und Sopransaxofon. 1918 wurde er amerikanischer Staatsbürger und als „band-music-instructor“ in die Nähe von New York zur „U.S. Coast Guard Artillery Band“ berufen. In dieser Zeit vollendete er nicht nur eines seiner bekanntesten Werke, „Country Gardens“, er arbeitete auch intensiv am „Children’s March“. Der Erste Weltkrieg endete im November 1918, noch bevor Grainger die Gelegenheit hatte, den „Children’s March“, wie ursprünglich geplant, ebenda zu vollenden. Nach seiner Entlassung aus der Armee fand die Uraufführung im Juni 1919 an der Columbia University statt, musiziert von der „Goldman Band“, die das Werk unter seiner Leitung auch einspielte.
Die Idee
Grainger sagt man zu Recht eine große Lust an, und damit konsequenterweise verbunden ein ausgeprägtes Gespür für Klangfarben nach. „Children’s March: Over the hills and far away“ ist auf besondere Weise ein interessantes Beispiel dafür. Das Werk war ursprünglich als Klavierstück komponiert, wurde von ihm aber für Blasorchester orchestriert und durch die Orchestration auch ein Stück weit neu erfunden. Ihm vor Ohren war unter anderem die Idee, dass ein Pianist, wenn er mit im Orchester musiziert, mit seiner Stimme wichtige Elemente zum orchestralen Klangbild beiträgt.
Wenn kein Klavier besetzt werden kann, dann sind für diesen Fall, also für die reine Bläserversion, wichtige Stichnoten in den Bläserstimmen notiert. Und als i-Tüpfelchen gibt es auch noch vokale Passagen. Grainger setzte diese durchaus experimentierfreudigen Gedanken in seiner Zeit als Militärmusiker um. Wohl eine Zeit, zu der er gerne bemerkte, dass sie vielleicht die glücklichste in seinem Leben war, da sie ihm den Druck, dem er als konzertierender Pianist ausgesetzt war, ein wenig genommen hatte.
Traditionelle Volksweisen im Children’s March?
Über die zusätzliche Widmung „For my playmate beyond the hills“ („Für meine Spielkameradin jenseits der Hügel“) wird von jeher spekuliert. Landläufig wird angenommen, dass sie einer skandinavischen Bekannten, Karen Holton, zuzuordnen ist. Mit ihr hatte Grainger über acht Jahre lang korrespondiert. Vermutlich wegen der Eifersucht seiner Mutter ist es aber nie zu einer ernsthaften Bindung gekommen.
Ob traditionelle Volksweisen, die ja häufig Grundlage für viele seiner Werke waren, auch im „Children’s March“ Pate gestanden haben, scheint fraglich. Clemens Berger, Verfasser von „Percy Aldridge Grainger: Eine Kurzbiographie und Graingers Werke für Blasorchester“, berichtet, dass Recherchen zur der Frage nach dem Ursprung der sicherlich volkstümlichen Melodielinien im Werk ohne spezifische Vorlagen blieben und somit ohne klare Nachweise. Andere Quellen vermuten, dass die Melodien möglicherweise Einflüssen seines Freundes Grieg geschuldet sein könnten, aber wohl letzten Endes Graingers Originale sind.
Die Instrumentation
Verlagsinfos beschreiben das Stück ganz allgemein wie folgt: „Für die damalige Zeit enthält das Werk zwei ungewöhnliche Elemente: Zum einen eine sehr exponierte Klavierstimme (mit Stichnoten in den Bläsern) und zum anderen einen kurzen vierstimmigen Gesangsteil, der von Musikern aus dem Orchester (oder einem kleinen Chor) gesungen werden kann. In Graingers Verständnis lag die besondere Ausdruckskraft des Blasorchesters vor allem in den tiefen (Holzbläser-)Stimmen. Daher enthält ‚Children’s March‘ sehr spezielle Stimmen für Fagotte, Englischhorn, Bassklarinette und tiefe Saxofone.“ Zudem ist bekannt, dass es ihn ungemein reizte und es ihm somit sehr wichtig war, die instrumentalen Ressourcen aller seiner Musikerkollegen, die mit ihm in der Band in Fort Hamilton stationiert waren, voll auszuschöpfen.
Bei Master Music Publications, Inc. ist die Version „Composed: fall 1916 – Feb.1918, Scored: summer and falls 1918 – Feb. 1918“ erschienen. Sie weist auch auf die Ausgaben für „Two pianos“ (price $ 2.00) und „Piano Solo“, a short Exzerpt (price 40 cents) hin. Zudem gibt es Hinweise auf eine Version für Sinfonieorchester, verbunden mit Empfehlungen, dass wenn „Euphonium, Alto Clarinet and Saxophones“ nicht besetzt sind, die Stichnoten – versehen mit klar zugeordneten Bezeichnungen, welche Instrumentenfarbe eigentlich gewünscht wäre – „carefully“ zu übernehmen sind.
Üppige Besetzungsliste
Southern Music schlägt 1995 mit einer Neuauflage für Blasorchester (edited bei R. Marc Rodgers) in die originale Kerbe. Seit 1971 liegt auch eine Version der Hal Leonard Corporation vor, revised by Frank Erickson. Grundsätzlich liegt diese üppige, durchaus aussagekräftige Besetzungsliste zugrunde: C Piccolo, 1st/2nd Flute, 1st/2nd Oboe, English Horn B flat, 1st/2nd Bassoon, E flat Clarinet, 1st/2nd/3rd/4th B flat Clarinet, E flat Alto Clarinet, B flat Bass Clarinet, E flat Contrabass Clarinet, BB flat Contrabass Clarinet, B flat Sopran Saxophone, 1st/2nd E flat Alto Saxophone, B flat Tenor Saxophone, E flat Baritone Saxophone, 1st/2nd/3rd/4th B Cornet, 1st/2nd/ 3rd/4th F Horn, Baritone, 1st/2nd/3rd Trombone, (Bassposaune), Tuba, String Bass, Timpani, Percussion I, II (7 Spieler), Piano.
Der Aufbau
Angeführt vom tiefen Holz, eher sparsam begleitet von Holzbläserkollegen in mittleren Lagen, beginnt die „Wanderung“ mezzoforte espressivo im geschmeidigen Legato. Dieser erste melodische Gedanke, wenn man so will eine kleine Vorausnahme, geschöpft aus der Substanz der ersten Takte des noch folgenden Themas, ist sehr schwungvoll und verbreitet sofort freudige Aufbruchsstimmung. Der unmittelbare Wiederaufgriff dieser acht Takte ist angereichert mit kleinen, witzigen Nuancen in Form eines (kurz innehaltenden) Staus und einer (stolpernden) Abschlusskapriole, die unmittelbar in ein viertaktiges, synkopisch verspieltes Zwischenspiel mündet, welches das eigentliche Thema einleitet.
Von Takt 21 bis Takt 68 präsentiert sich die volle Substanz dieses einen volksliedhaften Themas, das dem Werk ausschließlich zugrunde liegt. Angeführt vom Baritonsaxofon (Fagott) erklingt zum ersten Mal der A-Teil über zweimal acht Takte. Dynamisch im launigen Mezzoforte, das bedingt, dass Grainger für die begleitenden Bläser folgerichtig pianissimo („detached“, im Sinne von distanziert) vorschreibt und der Farbe des ebenfalls begleitenden Klaviers so eine gewisse Priorität einräumt.
Die tiefen Hölzer leben die sonore Klangfarbe aus
Ab Takt 37 erklingt der B-Teil. Eine Bassklarinette und im zweiten Aufgriff eine „tiefe Oboe“ bereichern den melodieführenden Klang. Die Begleitung, nun eher einfache Nachschläge, wirkt etwas bestimmender und strenger und ein Crescendo in den Schlusstakten führt ab Takt 53 wieder hin zum A-Teil. Dieser erscheint zunächst federnd, dann aber im gefühlvollen Legato, sich zudem dynamisch wieder leicht zurücknehmend. Bislang ist alles eine Angelegenheit der Holzbläser, wobei die „tiefen“ unter ihnen gerne ihre sonore Klangfarbe solistisch ausleben dürfen.
Ab Takt 69, die Substanz des B-Teils überleitend nutzend, mischt sich nun solistisch ein Bariton (Posaune) dazu. Die Hörner folgen, und mit Unterstützung der kleinen Trommel fühlt man sich spürbar auf einem Weg zu einem Klangwechsel, in der Tat hin zum ersten Blechbläserblock. Der startet in Takt 85 und erzählt in seiner Art und Weise vom Fortgang der »Wanderung«. Zunächst durchaus im sonoren Forte, aber bitte „somewhat clingingly“, auch irgendwie ein wenig „anschmiegsam“. Die „full band“, angeführt vom Blech, erblüht ab Takt 93 im vollen Forte und singt im breiten Legato. Nach vier Takten aber folgt schon wieder ein kleiner Charakterwechsel, die Motivik keck mit Akzenten und im Staccato. Ab Takt 101 verordnet der Komponist dem Geschehen eine gewisse Schwere (heavy) und lädt über Takt 109 hinaus, „louden hugely“ (sich dynamisch enorm steigernd), zu einem intensiven Zwischenhöhepunkt im Werk ein.
Vierstimmiger Männerchor
Dann folgt eine Überraschung: Ein vierstimmiger Männerchor bereichert die Szenerie. Wenngleich tiefe Holzbläser eher beiläufig für treibende Energie mit der Substanz der bekannten Motive sorgen, sind die »Stimmen«, an- und abschwellend, die erhellende und farbgebende Macht und leiten effektvoll über zum Durchführungsteil. Durchaus erwähnenswert sind die Takte 131 und 132, in denen die Bläser kurz alleine, akzentuiert und quirlig, in kurzer verspielter Wildheit, erneut Aufmerksamkeit erregen.
Ab Takt 133 folgt ein Durchführungsteil, der zunächst in Moll gefärbt auf die Motivik blickt. Dynamische Effekte wie kurze Crescendi, rhythmische Dreher und kurze „Zwischenrufe“ einzelner Solisten beleben im engen Zusammenspiel die Szenerie. Nach vier Takten ruhiger, aber bestimmender Hornüberleitung nimmt das Vokalquartett, vergleichsweise wieder strahlend in Dur, noch einmal Raum ein. Ab Takt 189 gewinnt eine abfallende Melodik, die in den vorherigen Takten bereits auffällig geworden ist, die Oberhand und die Musik bekommt kurz dramatische Züge. Mit Takt 197 löst sich diese Stimmungslage aber in einer ruhigen Blechbläserquartett-Passage wieder elegant auf. Und ab Takt 213 stoßen die Hörner mit Nachdruck in ihre Rundungen und geben den Start zu einem erneuten wohlklingenden Zwischenhöhepunkt der „full band“.
Raffinierte Instrumentation der begleitenden Hölzer
Klavier und Xylofon übernehmen ab Takt 237 die melodiöse Führung auf Basis des B-Teils. Das wirklich Spannende an dieser Stelle ist aber die raffinierte Instrumentation der begleitenden Hölzer, die im Pianopianissimo in nahezu allen zur Verfügung stehenden Lagen in engen Satzgemeinschaften ein wimmerndes Flirren erzeugen, welches den eher perkussiv veranlagten Solisten klangliche Freiräume einräumt.
Trompeten und kleine Trommel nehmen die Energie der Begleitung in Eintracht auf und aus dem Klavier, den Stabspielen und nahezu allen Hölzern purzeln herabfallende Quart-Quintklänge, die fast schon fernöstlich anmuten. Das Ganze verwirbelt sich spektakulär in wilden Skalenläufen, die dann, durchaus verwirrte Orientierungslosigkeit vermittelnd, in Takt 267, „full band“, Erlösung und Ausweg finden.
Grainger treibt das Geschehen intensiver voran
In zickig verspielten, melodischen Nuancen der bekannten Motivik, immer wieder gespickt mit Effekten in Dynamik, Rhythmik und Artikulation, bahnt sich wieder einmal eine neue musikalische Facette ihren Weg. Den Charakter könnte man durchaus mit Stolz, gewichtig oder nachdrücklich beschreiben. Ab Takt 283 verbreiten die Hölzer, im Verbund mit den Hörnern, zunächst wieder zurück im entspannten Mezzoforte, kanonische Elemente, Engführungen und Zwischenrufe. Diese Passagen knüpfen an die Qualitäten an, die in den Takten ab 189 schon als eher dramatisch empfunden wurden. Hier nun treibt Grainger das Geschehen deutlich intensiver voran. Von überall her „stürmt“ es. Rollen, Aufgaben und Zuordnungen, sowie Dynamik, Artikulation und Rhythmik wechseln rasant und kontrastreich.
Ab Takt 339, „soften bit by bit“, beruhigt sich das Werk allmählich. Aber auch hier, bei jedem Wiederaufgriff von bereits bekanntem motivischem Material, kommt keine Langeweile auf, weil wieder und wieder neues Licht auf die melodischen Linien fällt. Ab Takt 371 rückt die Tonart ganz unvermittelt von As-Dur nach B-Dur und über 16 Takte ruft sich die einleitende Melodie der ersten Takte noch einmal original in Erinnerung. Ab Takt 387 wird dann endgültig klar, dass die Reise zu Ende geht. Immer dünner instrumentiert steht die Motivik des B-Teils Pate. Auch in der Schlussgruppe hat Grainger sicher wieder einmal das Grinsen im Gesicht, denn er bleibt seiner Linie treu, mit kleinen rhythmischen Überraschungen und ungewöhnlichen Instrumentationsdetails den sich minimierenden Zieleinlauf attraktiv und witzig zu gestalten.
Fazit
Zu Fuß unterwegs zu sein war bekanntermaßen eine Leidenschaft Graingers. Nicht selten wanderte er 50 Kilometer an einem Tag und gerne trieb es ihn weite Strecken, auch über Tage hinweg, per pedes zur nächsten Konzertstätte. Aber dies nur am Rande.
Graingers Experimentierfreudigkeit in der Instrumentation, das Ausleben rhythmischer und melodischer Varianten, Stör- oder zumindest Verwirrmomente zum Beispiel mit auf- und abstürzenden Skalen und vieles mehr entspringen zu diesem Zeitpunkt dem noch recht jungen Komponisten. Sehr persönlich sind im Übrigen auch seine sprachlichen Hinweise in den Noten, die ihn etwa eher „soften bit by bit“ formulieren ließen, als dass er „decrescendo“ geschrieben hätte. Ähnlich die Art und Weise, wie er gelegentlich wohlüberlegte Verzierungen und Skalenschübe akribisch ausnotierte und sich nicht etwa mit Bezeichnungen wie „glissando“ zufriedengab. Das waren stets sehr persönliche Herangehensweisen, die schon den Weg zu weiteren Ideen wiesen, zu Ideen, die sich bis zuletzt hin zu seinen Gedanken der »Free Music« entwickeln konnten.
Ein Anti-Militärmarsch?
Wilfrid Mellers (Oxford University Press) wird von Clemens Berger wie folgt zitiert: „Möglicherweise ist dieses Werk als Anti-Militärmarsch zu verstehen, in welchem arglose Kinder dem ‚Rattenfänger‘ Percy über die Berge folgen, und zusammen, weit weg von der üblen Industriewelt, zu Graingers entgegengesetzten, utopischen Welten wandern.“ Berger selber vermutet nuancierend, dass Grainger durchaus die Absicht verfolgte, den militärischen sowie den „theatralisch, bühnenmäßigen“ Charakter gegenüberzustellen und miteinander zu verbinden. Die Effekte und Marschelemente siedelt er mehr im amerikanischen Showbusiness jener Tage an und weniger in der Volksmusik.
Der „Children’s March“ nimmt unter Graingers Werken einen besonderen Platz ein und ist ein lohnendes Werk für alle Orchester, denen es große Freude bereitet, musikalisch zu überraschen und zu pointieren.