Brass | Von Klaus Härtel

Peter Hedrich über die Posaune und TromboneDo

Hedrich

TromboneDo – ein neues Posaunen-Übungsheft. Schon wieder. Braucht es das? Der Posaunist Peter Hedrich meint: Ja. Auch un­ser Rezensent lobt: “Der Fokus dieses Heftes liegt strikt auf dem Wesentlichen.” Üben wird darin auch zu einer Achtsamkeitsübung, wie es sie in den japanischen Künsten gibt und durch das Suffix “Do” gekennzeichnet werden.

Jiggs Whigham hat einmal über Peter Hedrich gesagt: “Die Verbindung einer ausgewogenen rechten und linken Gehirnhälfte ist ziemlich einzigartig. Oft setzt sich eine Seite durch, was entweder zu einer grundsätzlich ‘vernünftigen’ oder eher einer ‘kreativen’ Sichtweise und Perspektive führt. Peter Hedrich ist ein klares Ergebnis dieser wunderbaren Balance. Sein Studium der Rechtswissenschaften, kombiniert mit seinem Wissen und seiner Liebe zur Musik, hat es Peter ermöglicht, diese Qualitäten zu vereinen.” Wir sprachen mit dem saarländischen Musiker über die Posaune, Jiggs Whigham, das Jurastudium, die Bigband der Polizei und natürlich über “TromboneDo”. 

Sie haben mit sechs Jahren mit der Posaune angefangen. Was war die Initialzündung? Was ist so faszinierend an diesem Instrument?

Mein Vater war damals Dirigent im Musikverein meines Heimatdorfs und es deutete sich ein Mangel an Posaunisten an. Da wurde mir unterbewusst die Posaune schmackhaft gemacht, sodass ich zwar beeinflusst, aber aus eigenem Entschluss heraus mich für die Posaune entschieden habe. Die Posaune an sich ist von Seiten der Konstruktion ein sehr einfaches Instrument, was sie gleichzeitig aber sehr anspruchsvoll macht. Die Tonhöhenveränderung mittels des Zugs stellt eine eigene technische Herausforderung dar, mit der man sich jeden Tag aufs Neue beschäftigen muss. Ich glaube, das macht es für mich so faszinierend – immer nach Perfektion zu streben, sie gleichzeitig aber wohl nie zu erreichen.

Wann wurde denn dann die Idee “Ich werde Berufsmusiker!” geboren?

Eigentlich hat es sich mehr oder weniger von sich aus ergeben. Ich hatte das große Glück, damals in Philipp Schug einen Lehrer zu haben, der mich einerseits natürlich in dem Bestreben, Berufsmusiker zu werden unterstützt hätte und letztendlich auch hat, mich aber auch vor den damit verbundenen Risiken gewarnt und auf die schwierigen Arbeitsbedingungen von Musikern aufmerksam gemacht hat. Auch im Nachhinein bin ich dafür noch sehr dankbar und wünschte, es gäbe mehr Lehrer, die dies tun würden. Eine schöne Zeit im Musikstudium zu haben ist nicht schwer. Auf den Abschluss folgt aber oft die Ernüchterung, dass die Blase, in der man sich während des Studiums befunden hat, mit der Realität nicht immer viele Überschneidungen hat.

Haben Sie deshalb zunächst Rechtswissenschaft studiert? Um die Variante “auf Nummer sicher” zu wählen? Oder wollten das die Eltern? Wie war der Rückhalt im Elternhaus bezüglich der Musik-Karriere?

Nach meinem Abitur hatte ich zwei Optionen vor Augen: Musik oder Jura. Meine Mutter war Richterin, deshalb hatte ich dazu einen Bezug. Die Entscheidung fiel dann zugunsten von Jura, weil mir die Berufsaussichten als Musiker zu unsicher waren. Ich wollte in erster Linie Posaune spielen und davon leben. Dies hätte entweder eine Festanstellung oder eine erfolgreiche Freelancer-­Karriere bedeutet – beides aus damaliger Sicht zu unwahrscheinlich. Während des Jurastudiums war Musik immer ein schöner Ausgleich. 

Die Waage verschob sich spätestens dann hin zur Musik, als ich es 2014 als einziger Nicht-­Musikstudent ins BuJazzO, das Bundesjazzorchester schaffte. Dies brachte mich nicht nur musikalisch enorm weiter, sondern gab mir auch das Selbstbewusstsein, wahrzunehmen was ich kann. Gegen Ende der BuJazzO-Zeit entstand auch die Idee zu meiner ersten CD “New Hope”, die ich mit Musikerinnen und Musikern des BuJazzO und Jiggs Whigham gemeinsam aufnahm. 

2017 schließlich gewann ich das Probespiel bei der Big Band der Polizei des Saarlandes, sodass ich eine Basis hatte, auf der ich meine Musikkarriere aufbauen konnte. Als ich dann nach und nach im Musikerberuf ankam, war Jura wie ein Fremdkörper, sodass ich dann vor dem ersten Staatsexamen zum Musikstudium wechselte. Meine Eltern hatten mich immer unterstützt. Auch als ich dann schließlich vom Jura- zum Musikstudium wechselte, haben sie mich darin bestärkt.

Sie haben bei einigen hochkarätigen Musikern gelernt: Adi Becker, Jiggs Whigham, Ludwig Nuss, Ansgar Striepens, Hansjörg Fink und viele mehr… Vermutlich verfolgt von denen jeder seinen Ansatz und seine Philosophie – von wem aber kam der »ultimative Posaunentipp«, den Sie heute immer noch regelmäßig beherzigen?

Jeder meiner Lehrer hat mich auf seine Weise beeinflusst und mich musikalisch und posaunistisch zu dem gemacht, was ich heute bin. Zwei, die meine technische Herangehensweise wohl am meisten geprägt haben, sind Philipp Schug und Simon Seidel. Den ultimativen Posaunentipp jedoch habe ich von meinem Mentor Jiggs Whigham erhalten: “Keep it simple, stupid!” Unterbewusst hat dieser kleine Satz schon den Grundstein für “TromboneDo” gelegt.

Sie spielen bei der BigBand der Polizei des Saarlandes Posaune. Was macht die Arbeit so besonders?

Nach wie vor empfinde ich es als großen Luxus, eine feste Stelle als Musiker zu haben. Ich darf fast täglich in einer professionellen Big Band unterschiedlichste Stilrichtungen spielen, was mich als Musiker immer routinierter werden lässt. Als Blechbläser ist man sehr von seiner Tagesform abhängig. Die täglichen Proben und regelmäßigen Auftritte ermöglichen mir, damit umgehen zu lernen. Hervorheben will ich auch, dass unsere Leitung uns auch in unseren freiberuflichen Tätigkeiten unterstützt und uns dabei keine Steine in den Weg legt. So konnte ich neben der Stelle mein Jazzstudium abschließen und in aller Ruhe an meinen eigenen Projekten arbeiten.

Welche Möglichkeiten sind das, auch abseits der Bigband Musik zu machen? Und was gibt Ihnen das?

Mir macht es große Freude, musikalisch vielseitig unterwegs zu sein. Sei es stilistisch von Jazz über Salsa, Freejazz, Pop/Rock bis hin zu Neuer und Klassischer Musik. Gleiches gilt für das Posauneninstrumentarium. Von Jazzposaune über klassische Tenorposaune, Bassposaune und Altposaune versuche ich alles abzudecken und mich immer weiterzuentwickeln. Diese Abwechslung hält mich einerseits frisch und fordert mich regelmäßig, gleichzeitig ergänzen sich alle diese Dinge untereinander und tragen zu einem besseren Verständnis des jeweils anderen Genres, Stils oder Instruments bei. Neben diesen handwerklichen Aspekten sind mir natürlich meine eigenen Projekte, bei denen es um mich als Künstler geht, sehr wichtig. So gibt es mein eigenes Quintett, das »Peter Hedrich Quintett«, jetzt schon seit sechs Jahren, worauf ich sehr stolz bin. Zwei spannende Projekte stehen in den Startlöchern, bzw. auf der Wunschliste: ein Duo mit einem Jazzgitarristen und ein Duo mit einem Kirchenorganisten, die beide den Fokus auf Improvisation legen.

Nun haben Sie das Posaunenheft TromboneDo herausgebracht – wie ist es dazu gekommen und was ist die Philosophie dahinter?

Vielleicht wird sich der ein oder andere fragen: Wieso noch ein Übungsheft für Posaune? Einen Mangel an Übungsliteratur gibt es definitiv nicht. Aber genau das stellt meiner Meinung nach ein Problem dar: Man verliert den Überblick. Bei begrenzter Übezeit muss man häufig Entscheidungen treffen, welches der unzähligen Hefte man nutzt und welche Übungen man daraus macht. Manchmal spielt man eine Stunde und hat Dinge geübt, die man verhältnismäßig selten braucht und dafür Dinge vernachlässigt, die essentiell sind. Diese Erfahrung bei mir selbst und meinen Schülern gemacht zu haben, hat mich dazu veranlasst, dieses Heft zu schreiben. Es soll den Blick wieder auf das Wesentliche lenken. Aber nicht nur das “Was soll geübt werden” versuche ich aufzuzeigen, sondern auch das “Wie soll ich üben?”

Manchmal erzählen Musikerinnen und Musiker, die vor laufendem Fernseher Töne aushalten oder Lippenbindungen machen, um die Zeit effizient zu nutzen. Meiner Erfahrung nach ist der Nutzen, den man daraus zieht, gleich null. Beim Üben und speziell beim Üben einer technischen Routine geht es in erster Linie um das Herstellen einer Verbindung von Kopf zu Körper. Wenn ich eine Lippenbindung spielen will, sollte das Ziel sein, sich nur vorzustellen, wie das Ergebnis klingen soll. So wie wir, wenn wir ein Wort sprechen, uns auch nur dieses Wort vorstellen und nicht jeden einzelnen Muskel bewusst ansteuern.

“Bewusstes, achtsames Üben ist wichtig: Was muss ich tun, damit es so oder so klingt?”

Beim Blechblasinstrumentenspiel gestaltet sich der Weg dorthin nicht so einfach, da die dazu erforderlichen Verbindungen nicht von Natur aus bestehen – im Gegensatz zum Sprechvorgang. Aus diesem Grund ist bewusstes, achtsames Üben so wichtig: Was muss ich tun, damit es so oder so klingt? Diese Verbindung wird durch achtsames und regelmäßiges Üben einer Routine hergestellt und erhalten, sodass man beim Musikmachen nicht mehr daran denken muss. Daher sind die Übungen jede für sich auf einen bestimmten zu übenden Aspekt begrenzt, damit man sich voll und ganz darauf konzentrieren kann. Im Gegensatz zu Übungen, die Anstoß mit Lippenbindung und Zugbewegung verbinden und somit den Fokus woandershin legen. So wird diese Art von Üben eine Achtsamkeitsübung, wie es sie in den japanischen Künsten gibt und durch das Suffix »Do« gekennzeichnet werden. Bei mir heißt es dann nicht JuDo sondern TromboneDo.

An wen richtet sich das Heft?

Generell ist das Heft nicht festgelegt auf eine bestimmte Erfahrungsstufe. Es ist keine Posaunenschule und ein Anfänger wird damit auch nicht viel anfangen können. Bei den Übungen handelt es sich um die Übungen, die ich als tägliche Routine durchführe. Wichtiger ist aber die dahinterstehende Idee, von der jeder und jede profitieren kann. Auch wenn ich in erster Linie Jazzmusiker bin, ist das Heft und sind die Übungen nicht abhängig von einem bestimmten Genre.

Und wo bekommt man es?

Man kann sich auf meiner Homepage www.peterhedrich.de darüber informieren und über das dortige Kontaktformular natürlich bei mir persönlich bestellen. Ansonsten sollte ein Musikla­den es auch über den Großhandel beziehen können.

TromboneDo

Peter Hedrich: TromboneDo

“Es gibt unzählige Schulen, Warm-Ups, Routinen oder sonstige Methoden für Posaune. Bei einer solchen Fülle von Übematerial verliert man leicht den Blick für das Wesentliche”, schreibt Peter Hedrich in seinem Heft “TromboneDo – The way of playing the trombone”. Er bezieht sich bewusst nur auf Dinge, die bei Posaunistinnen und Posaunisten im Alltag am meisten vorkommen und immer abrufbar sein müssen. Dazu gehören neben gleichbleibendem Sound in allen Lagen Lippenbindungen, Anstoß und Legato.

Das “Do” bezieht sich auf das gleichnamige japanische Wort und bedeutet “Weg”. Also “Der Weg der Posaune”. Für alle Übungen im Heft benötigt man laut Hedrich ungefähr 30 Minuten. Die meisten – bewusst kurz gehaltenen – Übungen werden durch einen Erklärungstext  eingeleitet. Dort wird knapp beschrieben, worauf bei der jeweiligen Übung zu achten ist und welchen Schwerpunkt sie hat. Der Fokus dieses Basic-Heftes liegt strikt auf dem Wesentlichen. Und das ist eine willkommene Abwechslung in der Szene und trifft damit sicherlich den aktuellen Zeitgeist. Außerdem sind die Übungen für jedes Niveau geeignet. wol